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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Der Pfarrer erhob sich und drückte der Baronin die Hand:
»Bemühen Sie sich nicht, Frau Baronin, bitte, bemühen Sie sich nicht. Dieser Gang war schon der Mühe wert.«
Beim Herausgehen begegnete er Tante Lison, die nach der Kranken sehen wollte. Sie hatte von allem keine Ahnung; niemand sagte ihr etwas und sie wusste, wie immer, nichts.
*
VIII.
Rosalie hatte das Haus verlassen und Johanna ging langsam der Zeit entgegen, wo sie Mutter werden sollte. Sie empfand keine wahre Herzensfreude über ihren Zustand; dafür hatte sie zu viel Kummer erlebt. Ohne Sehnsucht wartete sie auf ihr Kind, weil sie immer noch von der Furcht vor endlosem Unglück gepeinigt war.
Der Frühling war langsam herbeigekommen. Noch schüttelten zwar die Bäume ihre kahlen Äste im kühlen Winde, aber in dem feuchten Grase am Rande der Gräben, in denen die herbstlichen Blätter verfaulten, begannen bereits die ersten Primeln ihre Köpfchen hervorzustrecken. Auf der ganzen Ebene, von den Höfen der Pächterhäuser, wie von den aufgeweichten Feldern stieg ein Hauch von Feuchtigkeit, eine Art Gärungsduft auf. Zahllose grüne Spitzen tauchten aus dem braunen Boden hervor und erglänzten in der Sonne.
Eine dicke, kräftig gebaute Frau war an Rosaliens Stelle getreten und stützte die Baronin bei ihren einsamen Spaziergängen in der Allee, wo die Spur ihres schleppenden Fusses stets feucht und schmutzig erschien.
Papa führte Johanna am Arme, die jetzt sehr stark geworden war und viel zu leiden hatte. Tante Lison, sehr beunruhigt und besorgt wegen des zukünftigen Ereignisses, hatte auf der anderen Seite ihre Hand gefasst. Dieses Geheimnis, von dem sie selbst nie etwas erfahren hatte, verursachte ihr viel Kopfzerbrechen.
So gingen sie stundenlang, ohne dass jemand ein Wort gesprochen hätte. Julius durchstreifte indessen die Gegend zu Pferde; das war der neueste Geschmack, den er sich angewöhnt hatte.
Im Übrigen floss ihr einsames Leben ungestört dahin. Der Baron, seine Frau und der Vicomte machten einen Besuch bei den Fourvilles, die Julius schon sehr gut zu kennen schien, ohne dass man recht wusste woher. Mit den Brisevilles, die immer noch versteckt in ihrem schlummernden Schlosse sassen, wurde ebenfalls ein Anstandsbesuch ausgetauscht.
Eines Nachmittags gegen 4 Uhr trabten ein Herr und eine Dame hoch zu Ross in den Vorhof des Schlosses.
»Geh schnell herunter, bitte, schnell!« stürmte Julius sehr erregt in das Zimmer seiner Frau. »Die Fourvilles sind da. Sie kommen ganz einfach als Nachbarn, da sie Deinen Zustand kennen. Sag ihnen, ich wäre ausgegangen, käme aber bald zurück. Ich will mich nur schnell umziehen.«
Johanna, erstaunt über seine Erregung, begab sich nach unten. Eine junge, hübsche Frau, mit einem leidenden Zug in dem bleichen Gesichte, lebhaften Augen, und Haaren von so mattem Blond, als hätte sie niemals ein Sonnenstrahl umschmeichelt, stellte ihr höflich ihren Mann vor, einen Riesen, eine Art Wauwau mit großem rötlichen Schnurrbart. »Wir trafen Herrn de Lamare schon öfters«, fügte sie dann hinzu, »und erfuhren von ihm, wie unwohl Sie seien. Aber wir wollten Ihnen doch so gerne unseren nachbarlichen Besuch machen, durchaus ohne jede Förmlichkeit. Sie sehen ja, wir sind zu Pferde. Übrigens hatte ich schon früher einmal die Ehre, den Besuch Ihres Herrn Vaters und Ihrer Frau Mutter zu empfangen.«
Sie sprach ausserordentlich angenehm, dabei herzlich und vornehm zugleich. Johanna fühlte sich sofort aufs wärmste zu ihr hingezogen. »Das wäre eine Freundin für Dich«, dachte sie bei sich. Der Graf Fourville dagegen war wie ein Bär, den man in einen Salon gebracht hat. Nachdem er sich gesetzt hatte, legte er den Hut auf den nächsten Stuhl, blieb einen Augenblick unschlüssig, was er mit seinen Händen machen sollte, stützte sie bald auf seine Knie, bald auf die Lehnen seines Stuhls und faltete sie schliesslich auf seinem Schosse wie zum Gebet.
Plötzlich trat Julius herein; Johanna hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Er war glatt rasiert, gut angezogen und sah vornehm und bezaubernd aus wie einstmals. Er schüttelte die kräftige Faust des Grafen, der bei seinem Eintritt aus seiner Lethargie erwacht schien und küsste galant die Hand der Gräfin, deren Elfenbein-Wangen sich ein wenig röteten, während ihre Augen aufblitzten.
Julius riss die Unterhaltung an sich, plauderte liebenswürdig wie ehemals, und seine großen Augen hatten wieder den einstigen Glanz angenommen, wenn leidenschaftliche Liebe sich in ihnen widerspiegelte. Seine Haare, sonst so rau und struppig, hatten mit Hilfe der Bürste und wohlriechenden Öles ihr weiches glänzendes Gelock wiedergefunden.
Als die Fourvilles sich verabschiedeten, wandte sich die Gräfin zu ihm:
»Wollen Sie Donnerstag einen Spazierritt mit uns machen, lieber Vicomte?«
»Mit dem grössten Vergnügen, Frau Gräfin«, sagte er, sich verbeugend, während Jene Johannas Hand ergriff und zärtlich lächelnd mit ihrer weichen bezaubernden Stimme sagte:
»Ach, wenn Sie gesund sind, werden wir zu Dreien durch das Feld galoppieren. Das wird prächtig werden. Wollen Sie?«
Mit einer anmutigen Bewegung schürzte sie ihr Reitkleid und schwang sich mit der Leichtigkeit eines Vogels in den Sattel; ihr Gemahl grüsste linkisch, kletterte schwerfällig auf seinen großen normannischen Braunen und plumpste wie ein Centaur in den Sattel.
»Welch prächtige Leute!« rief Julius begeistert, als sie bei der Barrière um die Ecke bogen. »Das ist eine sehr wertvolle Bekanntschaft für uns.«
»Die kleine Gräfin ist bezaubernd«, stimmte Johanna bei, die sehr zufrieden war, ohne recht zu wissen warum, »aber der Mann hat ein sehr raues Äussere. Wo hast Du sie denn kennen gelernt?«
»Ich traf sie zufällig bei Brisevilles!« sagte Julius, sich vergnügt die Hände reibend. »Der Mann ist freilich etwas ungehobelt. Er ist ein leidenschaftlicher Jäger; aber ein sehr vornehmer Mann.«
Das Diner verlief in sehr vergnügter Stimmung, als wenn ein verborgenes Glück im Hause eingezogen wäre.
Bis zu den letzten Tagen des Juli ereignete sich weiter nichts Besonderes.
Eines Dienstags abends, als sie unter der großen Platane um einen hölzernen Tisch sassen, der zwei kleine Gläser und eine Branntwein-Karaffe trug, stiess Johanna plötzlich einen leisen Schrei aus und presste beide Hände gegen die