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der Arzt an, dass man sie von ih­rem Söhn­chen tren­nen möge.

      Sie war aus­ser sich; sie bat und fleh­te; aber man blieb taub ge­gen ihre Bit­ten. Je­den Abend wur­de das Kind zu sei­ner Amme ge­bracht. Und jede Nacht stand die Mut­ter auf, schlich bar­fuss an die Tür und lausch­te durch das Schlüs­sel­loch, ob der Kna­be auch ru­hig schlief, ob er nicht auf­wach­te, oder ir­gen­det­was nö­tig hät­te.

      Als Ju­li­us ein­mal spät von ei­nem Di­ner bei den Four­vil­les heim­kehr­te fand er sie dort. Seit­dem wur­de sie nachts in ihr Zim­mer ein­ge­schlos­sen, um sie zu zwin­gen ins Bett zu ge­hen.

      Ge­gen Ende Au­gust fand die Tau­fe statt. Der Baron war Pa­the und Tan­te Li­son Pa­thin. Das Kind er­hielt den Na­men Pe­ter, Si­mon, Paul; letz­te­rer war sein Ruf­na­me.

      In den ers­ten Ta­gen des Sep­tem­ber reis­te Tan­te Li­son in al­ler Stil­le ab; ihre Ab­we­sen­heit wur­de eben­so­we­nig be­merkt wie ihre An­we­sen­heit.

      Ei­nes Abends nach dem Di­ner er­schi­en der Pfar­rer. Er mach­te einen et­was ver­le­ge­nen Ein­druck als habe er ir­gend ein Ge­heim­nis auf dem Her­zen; und nach ei­ner Wei­le all­ge­mei­ner Re­dens­ar­ten bat er den Baron und die Baro­nin, ihm eine Be­spre­chung un­ter sechs Au­gen zu be­wil­li­gen.

      Alle drei gin­gen hin­aus und wan­del­ten lang­sa­men Schrit­tes in leb­haf­tem Ge­spräch bis an’s Ende der Al­lee; Ju­li­us blieb mit Jo­han­na al­lein. Er war er­staunt, be­un­ru­higt und ge­är­gert über die­se Ge­heim­nis­tue­rei.

      Als der Pries­ter sich ver­ab­schie­de­te, schloss er sich ihm an, um ihn bis zur Kir­che zu be­glei­ten, auf der es ge­ra­de zum An­ge­lus läu­te­te.

      Es war frisch, bei­na­he kalt draus­sen, und man zog sich bald in den Sa­lon zu­rück. Alle wa­ren bei­na­he ein­ge­nickt, als Ju­li­us plötz­lich er­schi­en, das Ge­sicht von Zorn ge­rötet.

      »Sie müs­sen ver­rückt ge­wor­den sein«; schrie er schon in der Tür sei­ne Schwie­ger­el­tern an, ohne auf Jo­han­na’s An­we­sen­heit zu ach­ten. »Wer, um Got­tes­wil­len, wirft denn zwan­zig­tau­send Fran­cs an ein sol­ches Mäd­chen her­aus?«

      Nie­mand ant­wor­te­te; so groß war für den Au­gen­blick die Über­ra­schung. »So dumm kann man doch nicht sein«; fuhr er keu­chend vor Zorn fort. »Sie wol­len uns wohl kei­nen Sou mehr hin­ter­las­sen?«

      »Schwei­gen Sie! den­ken Sie, dass Ihre Frau zu­ge­gen ist,« fiel ihm jetzt end­lich der Baron ins Wort, der sei­ne Selbst­be­herr­schung wie­der­ge­won­nen hat­te.

      »Ich ma­che mir den Teu­fel dar­aus!« stiess je­ner zor­nig her­aus. »Sie weiß üb­ri­gens ja, wie die Sa­chen ste­hen. Es ist ein Raub an ih­rem zu­künf­ti­gen Ei­gen­tu­me.«

      »Um was han­delt es sich ei­gent­lich?« frag­te Jo­han­na, ih­ren Mann über­rascht und ver­ständ­nis­los an­bli­ckend.

      Da wand­te sich Ju­li­us zu ihr und nahm sie zur Zeu­gin, wie eine Teil­ha­be­rin, die gleich ihm um einen er­hoff­ten Vor­teil ge­bracht wer­den soll­te. Er er­zähl­te ihr ohne Rück­halt die Ver­ein­ba­rung, um Ro­sa­lie zu ver­hei­ra­ten, die Be­schen­kung der­sel­ben mit dem Pacht­hof Bar­ville, der min­des­tens zwan­zig­tau­send Fran­cs wert sei.

      »Aber Dei­ne El­tern sind von Sin­nen«; wie­der­hol­te er, »to­tal von Sin­nen. Zwan­zig­tau­send Fran­cs! Zwan­zig­tau­send Fran­cs! Sie ha­ben den Kopf ver­lo­ren! Wer gibt denn zwan­zig­tau­send Fran­cs für einen Ban­kert?«

      Jo­han­na hör­te ihm ru­hig und ohne je­den Zorn zu. Sie war selbst er­staunt über die­se Ruhe und Gleich­gül­tig­keit ge­gen al­les, was nicht ihr Kind be­traf.

      Der Baron at­me­te schwer, er fand nicht so­gleich eine Ant­wort.

      »Be­den­ken Sie, was Sie sa­gen!« brach er schliess­lich mit dem Fuss stamp­fend los. »Das ist doch wirk­lich un­er­hört! Wer trägt denn die Schuld, dass man die­ses ver­führ­te Mäd­chen mit ei­ner Mit­gift aus­stat­ten muss? Von wem ist die­ses Kind? Sie hät­ten es wohl ein­fach ver­leug­net?«

      Von der Hef­tig­keit des Barons über­rascht, sah Ju­li­us ihn scharf an. »Aber fünf­zehn­tau­send Fran­cs wä­ren doch auch ge­nug ge­we­sen«, be­gann er dann, wie­der in ru­hi­ge­rem Tone. »Sie ha­ben ja alle Kin­der vor der Ehe. Ob es die­sem oder je­nen ge­hört, das macht nichts aus. Statt ihr eine Farm im Wer­te von zwan­zig­tau­send Fran­cs zu ge­ben, soll­ten Sie lie­ber an das Ge­re­de den­ken, in das sie uns brin­gen. Das heisst doch al­ler Welt auf die Nase bin­den, was ge­sche­hen ist. Sie hät­ten doch auf un­se­ren Na­men und un­se­re Stel­lung Rück­sicht neh­men sol­len.«

      Er sprach in erns­tem Ton, wie ein Mann, der auf sei­nem Recht be­steht und des­sen Grün­de un­wi­der­leg­lich sind. Der Baron war be­trof­fen durch die­se zu­tref­fen­de Be­weis­füh­rung und stand ver­le­gen vor ihm.

      »Glück­li­cher­wei­se ist noch nichts aus­ge­macht«; schloss Ju­li­us, sei­nen Vor­teil wahr­neh­mend sei­ne Aus­füh­run­gen »ich ken­ne den Bur­schen, der sie hei­ra­ten will. Er ist ein bra­ver Mensch und es lässt sich al­les mit ihm aus­glei­chen. Ich wer­de das auf mich neh­men.«

      Und er ging so­fort hin­aus; ohne Zwei­fel fürch­te­te er eine Fort­set­zung die­ses The­mas und war froh über das all­ge­mei­ne Schwei­gen, das er für eine Zu­stim­mung auf­nahm.

      »Oh, das ist stark, es ist zu stark!« rief der Baron aus­ser sich vor Zorn und Über­ra­schung, nach­dem sich die Türe hin­ter Ju­li­us ge­schlos­sen hat­te.

      Jo­han­na hin­ge­gen, die ihre Au­gen auf das ent­setz­te Ge­sicht ih­res Va­ters ge­hef­tet hat­te, brach plötz­lich in ein Ge­läch­ter aus, in je­nes hel­le La­chen von ehe­mals, wenn sie Zeu­gin ir­gend ei­ner spa­ßi­gen Sze­ne war.

      »Papa, Papa!« wie­der­hol­te sie im­mer wie­der la­chend »hast Du ge­hört, wie er stets be­ton­te: Zwan­zig­tau­send Fran­cs?«

      Und Müt­ter­chen, der das La­chen stets eben so nahe war wie das Wei­nen, wur­de bei der Erin­ne­rung an das zor­ni­ge Ge­sicht ih­res Schwie­ger­soh­nes, an sei­ne wü­ten­den Aus­ru­fe, und an sei­ne hef­ti­ge Wei­ge­rung, dem von ihm ver­führ­ten Mäd­chen eine Sum­me zu ge­ben, die ihm noch gar nicht ge­hör­te, von je­nem sto­ss­wei­sen La­chen be­fal­len, das ihr stets die Trä­nen in die Au­gen trieb. Zu­gleich wirk­te ihre Freu­de über Jo­han­nas gute Lau­ne mit. Da konn­te auch der Baron sei­ner­seits der all­ge­mei­nen An­ste­ckung nicht mehr wi­der­ste­hen und wie in lus­ti­gen al­ten Zei­ten lach­ten alle drei, dass sie fast krank wur­den.

      »Es ist merk­wür­dig,« sag­te Jo­han­na, als sie sich wie­der et­was be­ru­higt hat­ten, »dass mir so et­was gar kei­nen Ein­druck mehr macht. Ich be­trach­te ihn jetzt wie einen Frem­den. Ich kann gar nicht mehr glau­ben, dass ich sei­ne Frau sei. Ihr seht, ich amü­sie­re mich über sei­ne … sei­ne … Unz­art­hei­ten.«

      Und ohne recht zu wis­sen warum, küss­ten sie sich zärt­lich und la­chend.

      Aber zwei Tage spä­ter nach dem Früh­stück als Ju­li­us aus­ge­rit­ten war, trat ein großer Bur­sche von zwei bis vier­und­zwan­zig Jah­ren, in einen ganz neu­en blau­en, viel­fal­ti­gen Kit­tel mit bau­schi­gen Är­meln und Knöp­fen am Hand­ge­lenk, ge­klei­det, ängst­lich durch das Tor, als ob er dort schon seit Mor­gen ge­lau­ert hät­te. Er glitt längs dem

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