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ge­hal­ten, dass un­ter ih­rem Her­zen ein Kind lebe. Es be­rühr­te sie pein­lich, dass es ein Kind von Ju­li­us sei; sie war be­un­ru­higt bei dem Ge­dan­ken, dass es ihm glei­chen möch­te. Am nächs­ten Tage ließ sie den Baron ru­fen.

      »Pa­pa­chen, mein Ent­schluss ist ge­fasst; ich will al­les wis­sen, jetzt ge­ra­de erst recht. Ich will, hörst Du? Du weißt, dass man mir in mei­nem jet­zi­gen Zu­stan­de nicht wi­der­spre­chen darf. Höre also. Du musst zum Pfar­rer ge­hen. Ich brau­che ihn, da­mit er Ro­sa­lie vom Lü­gen ab­hält. Dann, so­bald er hier ist, lässt Du sie her­auf­kom­men und bleibst mit Mama zu­ge­gen. Sor­ge nur vor al­lem, dass Ju­li­us kei­nen Ver­dacht schöpft.«

      Eine Stun­de spä­ter trat der Pries­ter ein; er war noch stär­ker wie frü­her ge­wor­den und keuch­te eben­so wie die Baro­nin. Sein Leib hing noch tiefer her­un­ter.

      »Nun, Frau Baro­nin,« be­gann er scher­zend, wäh­rend er sich ge­wohn­heits­mäs­sig mit dem bunt­kar­rier­ten Ta­schen­tu­che wisch­te, »ich glau­be, wir sind bei­de nicht ma­ge­rer ge­wor­den. Wir wür­den ein hüb­sches Paar ab­ge­ben.« Dann wand­te er sich dem Kran­ken­bet­te zu. »Nun, was höre ich, mei­ne jun­ge Dame? Wir wer­den bald wie­der tau­fen? Ha, ha, ha! aber dies­mal kei­ne Bar­ke. Es wird ein Va­ter­lands­ver­tei­di­ger wer­den,« füg­te er erns­ter hin­zu, »wenn es nicht eine gute Haus­frau wird, wie Sie, Ma­da­me« sag­te er mit ei­ner Ver­beu­gung ge­gen die Baro­nin.

      In die­sem Au­gen­blick wur­de die Tür auf­ge­ris­sen und Ro­sa­lie er­schi­en auf der Schwel­le. Sie war ganz aus­ser sich, schluchz­te, wei­ger­te sich ein­zu­tre­ten und klam­mer­te sich krampf­haft an die Klin­ke fest. Der Baron ver­lor die Ge­duld und stiess sie mit ei­nem kräf­ti­gen Ruck ins Zim­mer. Sie be­deck­te das Ge­sicht mit den Hän­den und blieb heu­lend ste­hen.

      So­bald Jo­han­na sie be­merk­te, rich­te­te sie sich auf und sass da, blei­cher als die Kis­sen, in de­nen sie ruh­te. Ihr Herz klopf­te so hef­tig, dass die Spit­zen ih­res Hem­des auf- und ab­wog­ten. Sie konn­te kaum at­men und rang krampf­haft nach Luft. End­lich sprach sie mit hal­b­er­stick­ter Stim­me: »Ich … ich … hät­te nicht … nö­tig … Dich zu fra­gen. Es … war für mich … ge­nug …, Dei­ne … Dei­ne Schmach … mit ei­ge­nen Au­gen … zu se­hen.«

      Nach ei­ner Pau­se, in der sie wie­der Atem schöpf­te, be­gann sie aber­mals: »Aber ich will al­les wis­sen … Al­les … ganz ge­nau, Ich habe den Herrn Pfar­rer ge­be­ten; es soll eine Art Beich­te sein, ver­stehst Du.«

      Ro­sa­lie stand re­gungs­los da und stiess nur hin und wie­der eine Art Schrei zwi­schen den krampf­haft ge­schlos­se­nen Hän­den her­vor.

      Der Baron, von Zorn über­mannt, fass­te sie bei den Ar­men, riss ihr die Hän­de vom Ge­sicht und zwäng­te sie vor dem Bett auf die Knie.

      »Sprich jetzt …« schrie er, »ant­wor­te!« Sie blieb am Bo­den mit der Hal­tung ei­ner Mag­da­le­ne, ihre Müt­ze war ganz schief ge­rückt, die Schür­ze be­deck­te den Bo­den. Mit den Hän­den ver­barg sie aber­mals das Ge­sicht.

      »Nun, mei­ne Toch­ter,« be­gann jetzt der Pries­ter, »höre, was man Dir sagt und gib Ant­wort. Wir wol­len Dir nichts Übles zu­fü­gen, aber wir wol­len wis­sen, was sich zu­ge­tra­gen hat.«

      Jo­han­na hat­te sich über den Bett­rand ge­beugt und sah sie lan­ge an.

      »Es ist also wahr, dass Du Dich im Bet­te mei­nes Man­nes be­fan­dest, als ich Euch über­rasch­te.«

      »Ja, Ma­da­me,« seufz­te Ro­sa­lie zwi­schen den Fin­gern hin­durch.

      Da brach die Baro­nin plötz­lich in lau­tes Wei­nen aus, dem klei­ne Er­sti­ckungs­an­fäl­le folg­ten. Ihr krampf­haf­tes Schluch­zen ver­misch­te sich mit dem Ro­sa­li­ens.

      »Seit wie lan­ge hat das schon so ge­währt?« frag­te Jo­han­na, den Blick fest auf die Zofe ge­hef­tet.

      »Seit­dem er her­kam,« stam­mel­te Ro­sa­lie.

      Jo­han­na ver­stand nicht gleich.

      »Seit­dem er her­kam? … Also … seit … seit dem Früh­jahr?«

      »Ja, Ma­da­me.«

      »Seit­dem er ins Haus kam?«

      »Ja, Ma­da­me.«

      Tau­send Fra­gen schweb­ten Jo­han­na jetzt auf der Zun­ge.

      »Aber wie ist das mög­lich?« be­gann sie has­tig. »Wie hat er Dir’s denn nahe ge­legt? Wie wur­dest Du die sei­ne? Was sag­te er Dir? Wann und wie hast Du denn nach­ge­ge­ben? Wie konn­test Du Dich denn ihm über­las­sen?«

      Jetzt streck­te Ro­sa­lie ab­weh­rend die Hän­de aus; auch ihr schweb­ten tau­send Ant­wor­ten auf der Zun­ge.

      »Ich weiß es nur zu gut. Als er zum ers­ten Mal hier ass, such­te er mich in mei­nem Zim­mer auf. Er hat­te sich auf dem Bo­den ver­steckt. Ich wag­te nicht zu schrei­en, um kei­nen Skan­dal zu ma­chen. Er leg­te sich zu mir. Was soll­te ich da ma­chen? Ich war in sei­ner Hand. Ich woll­te auch nichts sa­gen; er war so nett und gut …«

      Jo­han­na stiess einen Schrei aus.

      »Aber … Dein Kind … Dein Kind … ist es von ihm? …«

      »Ja, Ma­da­me,« schluchz­te Ro­sa­lie.

      Eine Zeit lang schwie­gen bei­de. Man hör­te nur das Schluch­zen Ro­sa­li­ens und der Baro­nin.

      Auch Jo­han­na fühl­te, wie ihre Au­gen feucht wur­den; sie lehn­te sich in die Kis­sen zu­rück und lei­se ran­nen ihr die Trä­nen über die Wan­gen.

      Das Kind ih­rer Zofe hat­te den­sel­ben Va­ter wie das ih­ri­ge! Ihr Zorn war da­hin. Jetzt fühl­te sie nur, wie eine selt­sa­me tie­fe und end­lo­se Verzweif­lung sich lang­sam ih­res Her­zens be­mäch­tig­te.

      Sie be­gann ihre Fra­gen aufs neue, aber die­ses Mal klang ihre Stim­me ver­än­dert, wei­cher.

      »Als wir zu­rück­ka­men von … da un­ten … von der Rei­se …, wann hat er da wie­der an­ge­fan­gen?«

      »Da … gleich den ers­ten Abend,« stöhn­te die Zofe, die jetzt bei­na­he ganz am Bo­den lag.

      Je­des ih­rer Wor­te durch­schnitt Jo­han­nas Herz. Also am ers­ten Abend, am Abend ih­rer Rück­kehr nach Peup­les, ließ er sie al­lein um die­ses Mäd­chens wil­len! Des­halb schlief er in sei­nem Zim­mer!

      Sie wuss­te jetzt ge­nug, sie moch­te nichts mehr da­von hö­ren.

      »Geh’ hin­aus, geh’ fort!« rief sie. Und als Ro­sa­lie, ganz fas­sungs­los, sich nicht von der Stel­le rühr­te, rief sie den Va­ter her­bei: »Füh­re sie fort, jag’ sie hin­aus.«

      Aber der Pfar­rer, der bis da­hin schwei­gend zu­ge­hört hat­te, hielt jetzt den Au­gen­blick für eine klei­ne Straf­pre­digt ge­kom­men:

      »Das ist schänd­lich, was Du ge­tan hast, mei­ne Toch­ter,« be­gann er, »sehr schänd­lich; der Him­mel wird Dir so­bald nicht ver­zei­hen. Den­ke an die Höl­le, die Dich er­war­tet, wenn Du nicht so­fort eine an­de­re Le­bens­wei­se be­ginnst. Jetzt, wo Du ein Kind hast, müs­sen wir se­hen, dass es mit Dir in Ord­nung kommt. Frau Baro­nin wird ohne Zwei­fel et­was für Dich tun und wir müs­sen trach­ten, einen Mann für Dich zu fin­den …«

      Er

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