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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
»Papachen, mein Entschluss ist gefasst; ich will alles wissen, jetzt gerade erst recht. Ich will, hörst Du? Du weißt, dass man mir in meinem jetzigen Zustande nicht widersprechen darf. Höre also. Du musst zum Pfarrer gehen. Ich brauche ihn, damit er Rosalie vom Lügen abhält. Dann, sobald er hier ist, lässt Du sie heraufkommen und bleibst mit Mama zugegen. Sorge nur vor allem, dass Julius keinen Verdacht schöpft.«
Eine Stunde später trat der Priester ein; er war noch stärker wie früher geworden und keuchte ebenso wie die Baronin. Sein Leib hing noch tiefer herunter.
»Nun, Frau Baronin,« begann er scherzend, während er sich gewohnheitsmässig mit dem buntkarrierten Taschentuche wischte, »ich glaube, wir sind beide nicht magerer geworden. Wir würden ein hübsches Paar abgeben.« Dann wandte er sich dem Krankenbette zu. »Nun, was höre ich, meine junge Dame? Wir werden bald wieder taufen? Ha, ha, ha! aber diesmal keine Barke. Es wird ein Vaterlandsverteidiger werden,« fügte er ernster hinzu, »wenn es nicht eine gute Hausfrau wird, wie Sie, Madame« sagte er mit einer Verbeugung gegen die Baronin.
In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen und Rosalie erschien auf der Schwelle. Sie war ganz ausser sich, schluchzte, weigerte sich einzutreten und klammerte sich krampfhaft an die Klinke fest. Der Baron verlor die Geduld und stiess sie mit einem kräftigen Ruck ins Zimmer. Sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und blieb heulend stehen.
Sobald Johanna sie bemerkte, richtete sie sich auf und sass da, bleicher als die Kissen, in denen sie ruhte. Ihr Herz klopfte so heftig, dass die Spitzen ihres Hemdes auf- und abwogten. Sie konnte kaum atmen und rang krampfhaft nach Luft. Endlich sprach sie mit halberstickter Stimme: »Ich … ich … hätte nicht … nötig … Dich zu fragen. Es … war für mich … genug …, Deine … Deine Schmach … mit eigenen Augen … zu sehen.«
Nach einer Pause, in der sie wieder Atem schöpfte, begann sie abermals: »Aber ich will alles wissen … Alles … ganz genau, Ich habe den Herrn Pfarrer gebeten; es soll eine Art Beichte sein, verstehst Du.«
Rosalie stand regungslos da und stiess nur hin und wieder eine Art Schrei zwischen den krampfhaft geschlossenen Händen hervor.
Der Baron, von Zorn übermannt, fasste sie bei den Armen, riss ihr die Hände vom Gesicht und zwängte sie vor dem Bett auf die Knie.
»Sprich jetzt …« schrie er, »antworte!« Sie blieb am Boden mit der Haltung einer Magdalene, ihre Mütze war ganz schief gerückt, die Schürze bedeckte den Boden. Mit den Händen verbarg sie abermals das Gesicht.
»Nun, meine Tochter,« begann jetzt der Priester, »höre, was man Dir sagt und gib Antwort. Wir wollen Dir nichts Übles zufügen, aber wir wollen wissen, was sich zugetragen hat.«
Johanna hatte sich über den Bettrand gebeugt und sah sie lange an.
»Es ist also wahr, dass Du Dich im Bette meines Mannes befandest, als ich Euch überraschte.«
»Ja, Madame,« seufzte Rosalie zwischen den Fingern hindurch.
Da brach die Baronin plötzlich in lautes Weinen aus, dem kleine Erstickungsanfälle folgten. Ihr krampfhaftes Schluchzen vermischte sich mit dem Rosaliens.
»Seit wie lange hat das schon so gewährt?« fragte Johanna, den Blick fest auf die Zofe geheftet.
»Seitdem er herkam,« stammelte Rosalie.
Johanna verstand nicht gleich.
»Seitdem er herkam? … Also … seit … seit dem Frühjahr?«
»Ja, Madame.«
»Seitdem er ins Haus kam?«
»Ja, Madame.«
Tausend Fragen schwebten Johanna jetzt auf der Zunge.
»Aber wie ist das möglich?« begann sie hastig. »Wie hat er Dir’s denn nahe gelegt? Wie wurdest Du die seine? Was sagte er Dir? Wann und wie hast Du denn nachgegeben? Wie konntest Du Dich denn ihm überlassen?«
Jetzt streckte Rosalie abwehrend die Hände aus; auch ihr schwebten tausend Antworten auf der Zunge.
»Ich weiß es nur zu gut. Als er zum ersten Mal hier ass, suchte er mich in meinem Zimmer auf. Er hatte sich auf dem Boden versteckt. Ich wagte nicht zu schreien, um keinen Skandal zu machen. Er legte sich zu mir. Was sollte ich da machen? Ich war in seiner Hand. Ich wollte auch nichts sagen; er war so nett und gut …«
Johanna stiess einen Schrei aus.
»Aber … Dein Kind … Dein Kind … ist es von ihm? …«
»Ja, Madame,« schluchzte Rosalie.
Eine Zeit lang schwiegen beide. Man hörte nur das Schluchzen Rosaliens und der Baronin.
Auch Johanna fühlte, wie ihre Augen feucht wurden; sie lehnte sich in die Kissen zurück und leise rannen ihr die Tränen über die Wangen.
Das Kind ihrer Zofe hatte denselben Vater wie das ihrige! Ihr Zorn war dahin. Jetzt fühlte sie nur, wie eine seltsame tiefe und endlose Verzweiflung sich langsam ihres Herzens bemächtigte.
Sie begann ihre Fragen aufs neue, aber dieses Mal klang ihre Stimme verändert, weicher.
»Als wir zurückkamen von … da unten … von der Reise …, wann hat er da wieder angefangen?«
»Da … gleich den ersten Abend,« stöhnte die Zofe, die jetzt beinahe ganz am Boden lag.
Jedes ihrer Worte durchschnitt Johannas Herz. Also am ersten Abend, am Abend ihrer Rückkehr nach Peuples, ließ er sie allein um dieses Mädchens willen! Deshalb schlief er in seinem Zimmer!
Sie wusste jetzt genug, sie mochte nichts mehr davon hören.
»Geh’ hinaus, geh’ fort!« rief sie. Und als Rosalie, ganz fassungslos, sich nicht von der Stelle rührte, rief sie den Vater herbei: »Führe sie fort, jag’ sie hinaus.«
Aber der Pfarrer, der bis dahin schweigend zugehört hatte, hielt jetzt den Augenblick für eine kleine Strafpredigt gekommen:
»Das ist schändlich, was Du getan hast, meine Tochter,« begann er, »sehr schändlich; der Himmel wird Dir sobald nicht verzeihen. Denke an die Hölle, die Dich erwartet, wenn Du nicht sofort eine andere Lebensweise beginnst. Jetzt, wo Du ein Kind hast, müssen wir sehen, dass es mit Dir in Ordnung kommt. Frau Baronin wird ohne Zweifel etwas für Dich tun und wir müssen trachten, einen Mann für Dich zu finden …«
Er