ТОП просматриваемых книг сайта:
Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
»Was denkst Du mit dem Mädchen anzufangen?« fragte er dann nach einiger Zeit.
Sie sah ihn verständnislos an.
»Wie? Was wolltest Du sagen? Ich kenne mich nicht aus.«
»Wir können doch keinen Bastard in unserem Hause behalten,« schrie er plötzlich zornig auf.
Johanna war anfangs ganz verwirrt.
»Aber, mein Lieber, vielleicht könnte man das Kind in Pflege geben,« sagte sie dann nach längerem Schweigen.
»Und wer soll das bezahlen?« unterbrach er sie. »Du wohl jedenfalls, nicht wahr?«
Sie dachte lange über eine Lösung nach.
»Aber das wird doch der Vater des Kindes tun,« sagte sie dann. »Und wenn er Rosalie heiratet, dann sind ja weiter keine Schwierigkeiten.«
»Der Vater? … der Vater? …« rief Julius wie am Ende seiner Geduld ganz ausser sich. »Kennst Du ihn denn, … den Vater? … Nein … natürlich nicht … Nun also, was? …«
»Aber er kann doch das Mädchen nicht so im Stich lassen,« sagte sie entrüstet. »Das wäre eine Feigheit. Wir wollen nach seinem Namen fragen, ihn aufsuchen und er muss sich erklären.«
Julius hatte sich beruhigt und begann wieder auf und ab zu gehen.
»Aber meine Liebe, sie will ihn nicht nennen, den Namen dieses Mannes; sie wird Dir auch nicht mehr bekennen, wie mir … und wenn er nichts von ihr wissen will, der Vater …? Wir können doch unmöglich eine Mutter mit ihrem Bankert unter unserem Dache behalten. Begreifst Du das?«
»Dann ist es ein Elender, dieser Mensch,« sagte Johanna entrüstet. »Aber wir müssen ihn herauszubekommen suchen, und dann soll er Rede und Antwort stehen.«
»Aber … angenommen …« erhitzte sich Julius, aufs neue sehr rot werdend.
»Was schlägst Du denn vor?« unterbrach sie ihn, nicht wissend, wofür sie sich entscheiden sollte.
»Nun, was mich betrifft,« sagte er schnell, »so ist die Sache sehr einfach. Ich würde ihr einiges Geld geben und sie mit ihrem Balg zum Kuckuck jagen.«
Aber die junge Frau widersetzte sich ganz empört.
»Das geschieht niemals,« sagte sie. »Dieses Mädchen ist meine Milchschwester; wir sind zusammen aufgewachsen. Sie hat einen Fehltritt getan, allerdings; aber ich werde sie deshalb nicht vor die Türe setzen. Und wenn es nötig ist, so werde ich das Kind aufziehen.«
»Und wir werden in ein schönes Gerede kommen«, brach Julius los, »wir anderen, mit unserem Namen und unseren Beziehungen! Überall wird es heissen, dass wir das Laster beschützen, dass wir das Gesindel warm halten. Anständige Leute werden den Fuss nicht mehr in unser Haus setzen. Woran denkst Du nur eigentlich? Du musst von Sinnen sein?«
»Ich werde Rosalie niemals hinauswerfen lassen«, sagte sie ruhig bleibend. »Wenn Du sie nicht hier behalten willst, so wird meine Mutter sie zu sich nehmen. Wir werden schliesslich doch den Namen des Vaters herausbekommen müssen.«
Da ging er wütend hinaus, schlug krachend die Tür zu und rief:
»Die Weiber sind verrückt mit ihren Ideen!«
Nachmittags ging Johanna zu der Wöchnerin herunter. Die Zofe, von Frau Dentu gepflegt, lag regungslos im Bett, während die Wärterin das neugeborene Kind auf den Armen wiegte.
Sobald sie ihre Herrin bemerkte, fing Rosalie an zu schluchzen und bedeckte von Scham gepeinigt das Gesicht mit dem Betttuch. Johanna wollte sie küssen, aber sie wehrte sich und ließ das Tuch nicht fahren. Da legte sich die Wärterin ins Mittel und zog das Tuch fort. Schliesslich ließ sie sich’s gefallen und weinte nur noch still vor sich hin.
Ein schwaches Feuer brannte im Kamin; es war kalt und das Kleine begann zu weinen. Johanna wagte nicht von ihm zu sprechen, aus Furcht, bei der Mutter abermals eine Erschütterung hervorzurufen. Sie hatte die Hand derselben ergriffen und sagte immer nur:
»Es hat nichts zu bedeuten, wirklich nicht.«
Das arme Mädchen blickte verstohlen auf die Wärterin und zuckte bei jedem Schrei des kleinen Würmchens zusammen. Von Zeit zu Zeit brach sie von Schmerz und Scham gepeinigt in krampfhaftes Schluchzen aus, während die zurückgehaltenen Tränen ein rasselndes Geräusch in ihrer Kehle hervorriefen.
Johanna küsste sie abermals und flüsterte ihr leise ins Ohr:
»Wir werden schon gut für das Kind sorgen.« Dann entfernte sie sich schnell, als ein neuer Tränenstrom im Anzug war.
Täglich ging sie zur Wöchnerin herunter, und jedes Mal brach Rosalie beim Anblick ihrer Herrin in Tränen aus.
Das Kind wurde bei einer Nachbarin in Pflege gegeben.
Julius sprach kaum noch ein Wort mit seiner Frau; es war, als hegte er einen großen Zorn gegen sie, dass sie die Zofe nicht entlassen wollte. Eines Tages kam er wieder auf dieses Thema zurück; aber sie zog einen Brief der Baronin aus der Tasche, worin dieselbe verlangte, dass man ihr sofort das Mädchen sende, falls es nicht in Peuples bleiben könnte.
»Deine Mutter ist ebenso verrückt wie Du«, schrie er erbost. Aber er bestand nicht weiter auf seinem Verlangen.
Drei Wochen später konnte die Wöchnerin sich wieder erheben und ihren früheren Dienst versehen.
Eines Morgens hiess Johanna sie Platz nehmen, ergriff ihre Hände und sagte, ihr forschend ins Auge schauend:
»Nun, Kind, sage mir alles.«
»Was denn, Madame?« stammelte Rosalie zitternd.
»Wem gehört es, das Kind?«
Da wurde das arme Mädchen von Verzweiflung ergriffen; ängstlich suchte es die Hände frei zu bekommen, um ihr Antlitz damit zu bedecken.
Aber Johanna küsste sie wider ihren Willen und sagte tröstend:
»Es ist ein Unglück; was soll man machen, Kind? Du bist schwach gewesen, aber das passiert anderen auch. Wenn der Vater Dich heiratet, wird sich niemand mehr darum kümmern. Und wir werden ihn mit Dir in unseren Dienst nehmen.«
Rosalie seufzte wie unter furchtbaren Qualen und machte von Zeit zu Zeit den Versuch loszukommen und davonzulaufen.
»Ich begreife Dein Schamgefühl völlig«, begann Johanna wieder, »aber Du siehst, dass ich Dir nicht böse bin, dass ich Dir im Guten zurede. Ich frage Dich nach dem Namen des Mannes nur zu Deinem Besten, weil ich mit Dir den Schmerz empfinde, dass er Dich im Stich lässt. Das möchte ich verhindern. Julius wird