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Du brauchst zu­nächst gar nicht zu be­zah­len. Soll­te es ge­lin­gen, so ge­winnst du 70000 Fran­cs; ge­lingt es nicht, so bleibst du mir eben 10000 Fran­cs schul­dig, die du mir zu­rück­zah­len wirst, wann es dir passt.«

      Er wie­der­hol­te:

      »Nein, nein, sol­che Kom­bi­na­tio­nen ma­che ich nicht mit.«

      Nun be­gann sie, ihre Grün­de aus­ein­an­der­zu­set­zen und ver­such­te, ihn mit Ver­nunft zu über­re­den. Sie be­wies ihm, dass er tat­säch­lich 10000 Fran­cs auf sein Wort ris­kier­te, dass folg­lich sie ihm gar nichts lieh, dass doch die Bank Wal­ter das Geld vor­streck­te.

      Au­ßer­dem wies sie dar­auf hin, dass er doch in der Vie Fran­cai­se den gan­zen po­li­ti­schen Feld­zug ge­führt hat­te, der das Ge­schäft über­haupt erst er­mög­lich­te und dass er doch nicht so naiv wäre, kei­nen Vor­teil dar­aus zu zie­hen.

      Er zau­der­te. Sie fuhr fort:

      »Über­le­ge es dir doch. Es ist doch Wal­ter, der dir die 10000 Fran­cs vor­streckt, und du hast ihm Diens­te er­wie­sen, die be­deu­tend wert­vol­ler sind als das.«

      »Also gut, mei­net­we­gen,« sag­te er, »wir ma­chen mit dir die Sa­che halb und halb. Soll­ten wir ver­lie­ren, so zah­le ich dir 10000 Fran­cs zu­rück.«

      Sie war so glück­lich, dass sie sich er­hob, sei­nen Kopf mit bei­den Hän­den er­griff und ihn gie­rig zu küs­sen be­gann.

      Zu­nächst wehr­te er sich nicht. Als sie aber stür­mi­scher wur­de, ihn um­klam­mer­te und mit ih­ren Lieb­ko­sun­gen ver­zehr­te, fiel ihm dann ein, dass die an­de­re bald kom­men muss­te und dass, wenn er nach­ge­ben, er Zeit ver­lie­ren wür­de, und es wäre ihm doch lie­ber, sei­ne Lei­den­schaft für die Jün­ge­re auf­zu­spa­ren, als sie in den Ar­men der Al­ten zu las­sen.

      Er wies sie sanft zu­rück.

      »Sei doch ver­nünf­tig«, sag­te er.

      Sie blick­te ihn ver­zwei­felt an:

      »O Ge­or­ges, darf ich dir nicht ein­mal einen Kuss ge­ben?«

      »Heu­te nicht,« er­wi­der­te er, »ich habe et­was Kopf­schmer­zen und es be­kommt mir nicht.«

      Da­rauf ließ sie sich füg­sam zwi­schen sei­nen Kni­en nie­der und frag­te:

      »Willst du mor­gen zu mir zum Es­sen kom­men? Du wür­dest mir eine große Freu­de ma­chen!«

      Er zö­ger­te, wag­te aber nicht, ab­zu­leh­nen.

      »Ja, sehr gern!«

      »Ich dan­ke dir, mein Lieb­ling.«

      Mit re­gel­mä­ßi­ger sanf­ter Be­we­gung rieb sie lang­sam ihre Wan­ge an sei­ner Brust und eins ih­rer lan­gen schwar­zen Haa­re blieb da­bei an sei­ner Wes­te hän­gen. Sie merk­te es und ein tol­ler, halb­ver­rück­ter, aber­gläu­bi­scher Ge­dan­ke ging ihr durch den Kopf, ein Ge­dan­ke, wie er oft der ein­zi­ge Grund weib­li­chen Han­delns ist. Sie be­gann, die­ses Haar lang­sam um einen sei­ner Knöp­fe zu wi­ckeln. Dann wi­ckel­te sie ein an­de­res Haar um den nächs­ten Knopf und so wei­ter, bis an je­dem Knopf ein Haar hing.

      Soll­te er nun auf­ste­hen, so wür­de er sie alle her­aus­rei­ßen. Er wür­de ihr weh tun. Wel­ches Glück! Er wür­de, ohne es zu wis­sen, et­was von ihr her­um­tra­gen, eine klei­ne Lo­cke ih­res Haa­res, um die er nie­mals ge­be­ten hat­te. Es wür­de ein Band sein, mit dem sie sich an ihm fest­hal­ten wür­de, ein ge­hei­mes, un­sicht­ba­res Band, ein Ta­lis­man, den er bei sich tra­gen müss­te, ohne es zu wol­len. Er wür­de an sie den­ken, von ihr träu­men und viel­leicht sie tags dar­auf et­was mehr lie­ben.

      Plötz­lich sag­te er:

      »Ich muss dich gleich ver­las­sen, weil man mich zum Schluss der Sit­zung in der Kam­mer er­war­tet. Ich darf in kei­nem Fal­le feh­len.«

      Sie seufz­te:

      »Ach, schon!«

      Und setz­te dann hin­zu :

      »Geh; aber mor­gen, mein Lieb­ling, kommst du be­stimmt zum Es­sen.«

      Dann riss sie sich rasch von ihm los. Sie fühl­te auf ih­rem Kopf einen kur­z­en hef­ti­gen Schmerz, als habe man sie mit Na­deln ge­sto­chen. Ihr Herz klopf­te, sie war glück­lich, durch ihn ge­lit­ten zu ha­ben.

      »Adieu«, sag­te sie.

      Er nahm sie mit ei­nem mit­lei­di­gen Lä­cheln in die Arme und küss­te sie kühl auf ihre Au­gen. Doch die­se Berüh­rung hat­te sie er­regt und be­tört und sie flüs­ter­te noch­mals: »Schon?« und ihr bet­teln­der Blick deu­te­te auf das Schlaf­zim­mer, des­sen Tür of­fen stand.

      Er rück­te von ihr weg und sag­te in ei­li­gem Ton:

      »Ich muss gleich lau­fen, sonst kom­me ich zu spät.«

      Sie hielt ihm ihre Lip­pen zum Kus­se hin; er be­rühr­te sie kaum, reich­te ihr ih­ren Son­nen­schirm, den sie zu. ver­ges­sen schi­en, und sag­te:

      »Schnell, schnell, wir müs­sen uns be­ei­len, es ist schon drei Uhr vor­über!«

      Sie ging vor ihm hin­aus und wie­der­hol­te:

      »Mor­gen um sie­ben!«

      »Mor­gen um sie­ben«, ant­wor­te­te er.

      Sie trenn­ten sich; er bog nach rechts ein, sie nach links.

      Du Roy ging bis zum äu­ße­ren Bou­le­vard, dann ging er lang­sam den Bou­le­vard Ma­les­her­bes ent­lang. Als er an ei­ner Ku­chen­bä­cke­rei vor­bei­kam, sah er in ei­ner Glas­scha­le im Schau­fens­ter kan­dier­te Kas­ta­ni­en. Er dach­te: »Ich wer­de ein Pfund für Clo­til­de mit­neh­men.« Er kauf­te sich ein Päck­chen voll von die­sen Früch­ten, die sie wahn­sin­nig lieb­te.

      Um vier war er wie­der zu­rück und war­te­te auf sei­ne jun­ge Ge­lieb­te.

      Sie ver­spä­te­te sich et­was, denn ihr Mann war auf acht Tage nach Pa­ria ge­kom­men. Sie frag­te:

      »Kannst du mor­gen zum Di­ner kom­men? Er wür­de sich sehr freu­en, dich wie­der­zu­se­hen.«

      »Nein, ich esse beim Chef. Wir ha­ben eine Men­ge ver­schie­de­ner po­li­ti­scher und fi­nan­zi­el­ler An­ge­le­gen­hei­ten zu be­spre­chen.«

      Sie nahm ih­ren Hut ab und be­gann ihre Blu­se aus­zu­zie­hen, die ihr zu eng war.

      Er zeig­te ihr das Päck­chen auf dem Ka­min:

      »Ich habe für dich kan­dier­te Kas­ta­ni­en mit­ge­bracht.«

      Sie klatsch­te in die Hän­de:

      »Wie rei­zend! Wie lieb bist du!«

      Sie nahm sie, kos­te­te eine und er­klär­te:

      »Sie sind wun­der­voll. Ich füh­le, ich wer­de nicht eine üb­riglas­sen.«

      Dann blick­te sie Ge­or­ges mit ei­ner sinn­li­chen Hei­ter­keit an und setz­te hin­zu:

      »Du ver­wöhnst mich!«

      Sie aß lang­sam die Kas­ta­ni­en und blick­te da­bei im­mer in die Tüte hin­ein, um zu se­hen, ob noch et­was üb­rig sei.

      Sie sag­te:

      »Komm, setz’ dich da in den Lehn­stuhl, ich will hier zu dei­nen Fü­ßen mei­ne Bon­bons knab­bern. Es wird so be­quem

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