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stampf­te mit dem Fuß.

      »Du lügst, es kann nicht mög­lich sein.«

      Sie ent­geg­ne­te ru­hig:

      »Es ist doch so.«

      Er be­gann wie­der auf und ab zu ge­hen, dann blieb er ste­hen:

      »Er­klä­re mir dann, warum hin­ter­lässt er sein gan­zes Ver­mö­gen aus­ge­rech­net dir?«

      Sie tat gleich­gül­tig und un­in­ter­es­siert, als ob sie die Sa­che gar nichts an­gin­ge.

      »Es ist sehr ein­fach. Wie du eben sag­test, hat­te er kei­ne Freun­de au­ßer uns, oder viel­mehr au­ßer mir, da er mich seit mei­ner Kind­heit kennt. Mei­ne Mut­ter war Ge­sell­schaf­te­rin bei sei­nen El­tern. Er kam sehr oft hier­her, und da er kei­ne di­rek­ten Er­ben hat­te, hat er an mich ge­dacht. Dass er mich et­was lieb hat­te, ist sehr gut mög­lich. Aber wel­che Frau ist auf sol­che Wei­se nie ge­liebt wor­den. Dass die­se stil­le und ge­hei­me Lie­be ihn mei­nen Na­men aufs Pa­pier schrei­ben ließ, als er sei­ne letz­te Ver­fü­gung ge­trof­fen hat­te, kann auch sein. Er brach­te mir je­den Mon­tag Blu­men. Du warst doch dar­über gar nicht er­staunt, und dir brach­te er kei­ne mit, nicht wahr? Heu­te ver­macht er mir sein Ver­mö­gen aus dem­sel­ben Grund und da er wahr­schein­lich sonst nie­man­den hat, dem er es ge­ben könn­te. Es wäre im Ge­gen­teil höchst son­der­bar, wenn er es dir hin­ter­las­sen hät­te. Wa­rum? — Was bist du für ihn?«

      Sie sprach so na­tür­lich und so ru­hig, dass Ge­or­ges zu zau­dern be­gann.

      Er er­wi­der­te:

      »Das ist egal. Wir kön­nen die Erb­schaft un­ter sol­chen Be­din­gun­gen un­mög­lich an­neh­men. Das wür­de den schlech­tes­ten Ein­druck er­we­cken. Alle Welt wür­de dar­an glau­ben, das Schlimms­te ver­mu­ten und sich über mich lus­tig ma­chen. Mei­ne Kol­le­gen sind so­wie­so schon nei­disch auf mich und lau­ern auf die Ge­le­gen­heit, mich an­zu­grei­fen. Ich muss mehr als je­der an­de­re auf mei­ne Ehre und auf mei­nen Ruf be­dacht sein. Ich kann un­mög­lich zu­ge­ben, dass mei­ne Frau eine der­ar­ti­ge Erb­schaft von ei­nem Mann an­nimmt, den das Gerücht schon zu ih­rem Lieb­ha­ber ge­stem­pelt hat. Vi­el­leicht hät­te sich das Fo­res­tier ge­fal­len las­sen, ich aber nicht.«

      Sie mur­mel­te sanft:

      »Also gut, mein Freund, wir neh­men es nicht an, dass macht bloß eine Mil­li­on we­ni­ger in un­se­rer Ta­sche aus, wei­ter ist ja nichts.«

      Er ging noch im­mer auf und ab und be­gann laut zu den­ken; er sprach zu sei­ner Frau, ohne das Wort di­rekt an sie zu rich­ten.

      »Nun ja! eine Mil­li­on … umso schlim­mer … Er hat ja eben bei der Ab­fas­sung des Te­sta­ments nicht be­grif­fen, was für einen Takt­feh­ler und was für einen Ver­stoß ge­gen die ge­sell­schaft­li­chen Kon­ven­ti­en er da­mit be­gan­gen hat­te. Er hat­te nicht ge­dacht, in wel­che schie­fe und lä­cher­li­che Lage er mich brin­gen wür­de. Al­les kommt im Le­ben auf die Um­stän­de an… Er hät­te mir die Hälf­te hin­ter­las­sen sol­len und al­les wäre in bes­ter Ord­nung ge­we­sen.«

      Er setz­te sich, schlug die Bei­ne über­ein­an­der und zupf­te an den Spit­zen sei­nes Schnurr­bar­tes, wie er das in den Stun­den der Sor­ge, der Lang­wei­le und des schwe­ren Nach­den­kens zu tun pfleg­te.

      Ma­de­lei­ne griff nach ei­ner Sti­cke­rei, an der sie hin und wie­der ar­bei­te­te;, such­te die Woll­fä­den her­aus und sag­te:

      »Ich habe nur still­zu­schwei­gen. Du musst dir die Sa­che über­le­gen.«

      Lan­ge saß er schwei­gend da, dann ver­setz­te er zö­gernd:

      »Die Welt wird nie be­grei­fen kön­nen, dass Vau­drec dich zu sei­ner Uni­ver­saler­bin ein­ge­setzt hat und dass ich so et­was ge­dul­det habe. Solch ein Ver­mö­gen auf so eine Wei­se an­zu­neh­men, das wür­de ei­nem Ge­ständ­nis gleich­be­deu­tend sein … Du wür­dest dei­ner­seits ein ver­bo­te­nes Ver­hält­nis zu­ge­ben und ich eine nie­der­träch­ti­ge Schwä­che … ver­stehst du, wie man un­se­re An­nah­me aus­le­gen wür­de? Man müss­te einen Aus­weg fin­den, ir­gend­ein ge­schick­tes Mit­tel, wie man die Sa­che ver­tu­schen könn­te. Man könn­te bei­spiels­wei­se durch­bli­cken las­sen, dass er sein Ver­mö­gen uns zu glei­chen Tei­len ver­macht hat, die eine Hälf­te dem Man­ne, die an­de­re der Frau.«

      Sie frag­te:

      »Ich sehe nicht ein, wie das zu ma­chen wäre, da doch das Te­sta­ment eine ge­setz­li­che Kraft hat?«

      »Oh, das ist ganz ein­fach,« ant­wor­te­te er, »du könn­test mir die Hälf­te der Erb­schaft als Schen­kung zu Leb­zei­ten über­tra­gen. Wir ha­ben kei­ne Kin­der, das geht sehr gut zu ma­chen. Auf die­se Wei­se wür­den wir dem bös­wil­li­gen Ge­re­de ein Ende be­rei­ten.«

      Sie er­wi­der­te et­was un­ge­dul­dig:

      »Ich sehe nicht ein, wie­so man dem bös­wil­li­gen Ge­re­de ent­ge­hen kann, da doch die Ur­kun­de, die Vau­drec un­ter­zeich­net hat, nicht weg­zu­leug­nen ist.«

      »Wir brau­chen sie doch gar nicht vor­zu­zei­gen«, rief er zor­nig aus, »und sie öf­fent­lich an die Wand zu schla­gen. Du bist zu dumm. Wir sa­gen, Graf de Vau­drec hat sein Ver­mö­gen uns bei­den zu je ei­ner Hälf­te hin­ter­las­sen … Weißt du, du kannst doch die Erb­schaft ohne mei­ne Zu­stim­mung über­haupt nicht an­tre­ten. Ich gebe sie dir nur un­ter der Be­din­gung ei­ner Tei­lung, die mich vor dem Ge­spött der Welt be­wahrt.«

      Sie sah ihn mit ei­nem durch­boh­ren­den Blick an.

      »Wie du willst, ich bin be­reit.«

      Dann stand er auf und ging wie­der auf und ab, er schi­en wie­der zu schwan­ken und ver­mied jetzt den scharf be­ob­ach­ten­den Blick sei­ner Frau.

      »Nein, in kei­nem Fall« sag­te er. »Vi­el­leicht soll man über­haupt ver­zich­ten … es ist wür­di­ger, kor­rek­ter, eh­ren­haf­ter … Üb­ri­gens auf die­se Wei­se könn­te man uns auch nicht das Ge­rings­te nach­sa­gen. Die ge­wis­sen­haf­tes­ten Leu­te könn­ten sich nur da­vor ver­beu­gen.«

      Er blieb vor Ma­de­lei­ne ste­hen.

      »Also schön, wenn du willst, gehe ich noch­mals zu La­ma­neur, ich set­ze ihm die Sa­che aus­ein­an­der und fra­ge ihn um Rat. Ich er­klä­re ihm mein Be­den­ken und tei­le ihm mit, dass wir uns zu ei­ner Tei­lung ent­schlos­sen ha­ben, um die Leu­te nicht über uns klat­schen zu las­sen. Von dem Au­gen­blick an, wo ich die Hälf­te der Erb­schaft an­neh­me, ist es ja selbst­ver­ständ­lich, dass nie­mand das recht hat, über die Sa­che zu lä­cheln. Das wür­de mit an­de­ren Wor­ten hei­ßen: Mei­ne Frau nimmt die Erb­schaft an, da ich, ihr Gat­te, sie auch an­neh­me, und als sol­cher habe ich zu be­stim­men, was sie tun kann, ohne sich zu kom­pro­mit­tie­ren. Sonst hät­te es ja einen Skan­dal ge­ge­ben.«

      »Wie du willst«, mur­mel­te Ma­de­lei­ne ein­fach.

      Er re­de­te wei­ter:

      »Ja, bei die­ser Tei­lung der Erb­schaft in zwei Hälf­ten liegt die Sa­che son­nen­klar. Wir be­er­ben einen Freund, der kei­nen Un­ter­schied zwi­schen uns mach­te, kei­nen von uns be­vor­zug­te und nicht den Schein er­we­cken woll­te, als mein­te er: ›Ich gebe nach mei­nem Tode ei­nem von bei­den den Vor­zug, wie ich ihn zu mei­nen Leb­zei­ten vor­ge­zo­gen habe.‹

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