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ja nie­mand an die Ex­pe­di­ti­on nach Tan­ger. Ob­wohl am Tage, wo das Par­la­ment auf Fe­ri­en ging, ein Ab­ge­ord­ne­ter der Rech­ten, Graf Lam­bert-Sar­ra­zin, in ei­ner geist­rei­chen Rede, die so­gar im Zen­trum Bei­fall fand, er­klärt hat­te, er wol­le — wie einst ein be­rühm­ter Vi­ze­kö­nig von In­di­en — mit sei­nem Schnurr­bart ge­gen den Ba­cken­bart des Mi­nis­ter­prä­si­den­ten wet­ten, dass das neue Ka­bi­nett ge­nau so han­deln wür­de wie das frü­he­re, und auch ein Ex­pe­di­ti­ons­korps nach Tan­ger schi­cken wür­de, wie einst nach Tu­nis, schon der Sym­me­trie we­gen, wie man zwei Va­sen auf einen Ka­min stellt.

      Er füg­te noch hin­zu: »Die afri­ka­ni­schen Län­der sind für Frank­reich tat­säch­lich ein Ka­min, mei­ne Her­ren, ein Ka­min, der gut zieht und un­ser bes­tes Holz ver­zehrt und den man mit Ban­kak­ti­en hei­zen muss. Sie ha­ben sich die Lau­ne ge­stat­tet, die lin­ke Ecke mit ei­ner tu­ne­si­schen Kost­bar­keit zu schmücken, die Ih­nen teu­er zu ste­hen kommt, nun wer­den Sie se­hen, dass Herr Marot sei­nen Vor­gän­ger nach­ah­men und auch die rech­te Ecke mit ei­ner Kost­bar­keit schmücken wird.

      Die­se Rede war be­rühmt ge­wor­den. Du Roy hat­te im An­schluss dar­an zehn Ar­ti­kel über die Ko­lo­ni­sa­ti­on Al­giers ver­öf­fent­licht; die gan­ze Se­rie, die er bei Be­ginn sei­ner Jour­na­lis­ten­lauf­bahn un­ter­bre­chen muss­te. Er trat ener­gisch für eine mi­li­tä­ri­sche Ex­pe­di­ti­on ein, ob­wohl er über­zeugt war, dass sie nie­mals statt­fin­den wür­de. Er ge­bär­de­te sich über­pa­trio­tisch und über­schüt­te­te Spa­ni­en mit al­len mög­li­chen be­lei­di­gen­den und ver­ächt­li­chen Be­mer­kun­gen, die man ge­gen Völ­ker ge­braucht, de­ren In­ter­es­sen den ei­ge­nen zu­wi­der­lau­fen.

      Die Vie Françai­se hat­te durch die Be­zie­hung zu der herr­schen­den Staats­ge­walt au­ßer­or­dent­li­ches An­se­hen und Be­deu­tung ge­won­nen. Sie brach­te die po­li­ti­schen Neu­ig­kei­ten frü­her als die maß­ge­ben­den alt­be­währ­ten Blät­ter und leg­te die Ab­sich­ten der ihr be­freun­de­ten Mi­nis­ter durch ver­schie­de­ne Re­de­wen­dun­gen klar; fast alle Pa­ri­ser und Pro­vinz­zei­tun­gen be­zo­gen aus ihr ihre In­for­ma­tio­nen. Man zi­tier­te sie, man fürch­te­te sie und be­gann sie so­gar zu ach­ten. Sie war nicht mehr das ver­däch­ti­ge Or­gan ei­ner Grup­pe po­li­ti­sie­ren­der Bör­sen­spe­ku­lan­ten, son­dern das an­er­kann­te Or­gan, das dem Mi­nis­te­ri­um na­he­stand. Lar­oche-Ma­thieu war die See­le der Zei­tung und Du Roy sein Sprach­rohr. Va­ter Wal­ter, der stum­me De­pu­tier­te, und ge­ris­se­ne Zei­tungs­di­rek­tor, hielt sich im Hin­ter­grund, und man er­zähl­te, dass er sich im Stil­len mit ei­nem großen Kup­fer­mi­nen­ge­schäft in Marok­ko be­schäf­ti­ge.

      Der Sa­lon Ma­de­lei­nes war zu ei­nem ein­fluss­rei­chen Mit­tel­punkt ge­wor­den, wo man all­wö­chent­lich ei­ni­ge Mit­glie­der des Mi­nis­te­ri­ums traf. Der Mi­nis­ter­prä­si­dent hat­te so­gar zwei­mal bei ihr ge­speist, und die Frau­en der Staats­män­ner, die frü­her kaum über die Schwel­le ih­rer Woh­nung tra­ten, rühm­ten sich jetzt, ihre Freun­din­nen zu sein und ka­men öf­ter zu ihr, als sie zu ih­nen.

      Der Mi­nis­ter des Äu­ße­ren war bei­na­he Herr bei ihr im Hau­se ge­wor­den. Er kam zu je­der Ta­ges­zeit, brach­te Te­le­gram­me, Nach­rich­ten und ver­schie­de­ne In­for­ma­tio­nen mit. Er dik­tier­te sie bald dem Man­ne, bald der Frau des Hau­ses, als wä­ren sie bei­de sei­ne Se­kre­tä­re. Blieb Du Roy, nach­dem der Mi­nis­ter fort­ge­gan­gen war, mit sei­ner Frau al­lein, so ging er mit dro­hen­der Stim­me und per­fi­den An­deu­tun­gen ge­gen das Be­neh­men die­ses mit­tel­mä­ßi­gen Em­por­kömm­lings los. Sie zuck­te aber ver­ächt­lich die Ach­seln und sag­te im­mer wie­der:

      »Mach’ du es eben­so. Wer­de Mi­nis­ter, da kannst du al­les nach dei­nem Be­lie­ben lei­ten. Bis da­hin musst du schwei­gen.« Er dreh­te sei­nen Schnurr­bart und warf auf sie von der Sei­te einen Blick.

      »Man weiß noch gar nicht, wozu ich fä­hig bin,« sag­te er, »aber ei­nes Ta­ges wird man es viel­leicht er­fah­ren.«

      Sie ant­wor­te­te mit phi­lo­so­phi­scher Ruhe:

      »Die Zu­kunft wird es zei­gen.«

      Am Mor­gen der Wie­de­r­er­öff­nung der Kam­mer lag die jun­ge Frau noch im Bett und gab ih­rem Gat­ten, der sich für das Früh­stück bei Lar­oche-Ma­thieu an­klei­de­te, tau­send Ver­hal­tungs­maß­re­geln, um noch vor Be­ginn der Sit­zung von ihm die nö­ti­gen In­struk­tio­nen für den Leit­ar­ti­kel ein­zu­ho­len, der am nächs­ten Tage in der Vie Françai­se als of­fi­zi­öse Dar­stel­lung der wirk­li­chen Ab­sich­ten des Ka­bi­netts ver­öf­fent­licht wer­den soll­te.

      Ma­de­lei­ne sag­te: »Vor al­len Din­gen ver­giss nicht, ihn zu fra­gen, ob der Ge­ne­ral Bel­lon­cle tat­säch­lich nach Oran ent­sandt wor­den ist, wie das be­haup­tet wur­de. Das wäre von größ­ter Be­deu­tung.«

      Er wur­de ner­vös und un­ge­dul­dig.

      »Ich weiß doch ge­nau so gut wie du, was ich tun soll. Höre doch mal auf, al­les hun­dert­mal zu wie­der­ho­len und lass mich da­mit end­lich zu­frie­den!«

      »Mein Lie­ber,« er­wi­der­te sie ru­hig, »du ver­gisst im­mer die Hälf­te von dem, was du dem Mi­nis­ter aus­rich­ten sollst.« .

      »Dein Mi­nis­ter geht mir auf die Ner­ven,« brumm­te er, »er ist ein Hans­wurst.«

      Sie ant­wor­te­te ohne jede Er­re­gung:

      »Er ist ge­nau so dein Mi­nis­ter wie der mei­ne. Er ist dir so­gar nütz­li­cher als mir.«

      Er dreh­te sich zu ihr um und lä­chel­te höh­nisch:

      »Ver­zei­hung;, mir macht er nicht den Hof.«

      »Mir auch nicht,« ant­wor­te­te sie lang­sam, »aber er lässt uns reich wer­den.«

      Er schwieg und sag­te dann nach ei­ner kur­z­en Pau­se: »Wenn ich un­ter dei­nen Ver­eh­rern zu wäh­len hät­te, so wäre mir der alte Narr de Vau­drec doch noch lie­ber. Was ist ei­gent­lich mit ihm los? Ich habe ihn seit acht Ta­gen nicht ge­se­hen.«

      Sie ant­wor­te­te, ohne sich auf­zu­re­gen:

      »Er ist lei­dend. Er schrieb mir, dass er einen Gicht­an­fall ge­habt hät­te und das Bett hü­ten müss­te. Du soll­test bei ihm vor­bei­ge­hen und dich nach sei­nem Be­fin­den er­kun­di­gen. Du weißt doch, er hat dich sehr gern, und es wür­de ihm si­cher Freu­de ma­chen.«

      »Ja, ge­wiss,« er­wi­der­te Ge­or­ges, »so­bald ich kann, gehe ich hin.«

      Er war mit sei­ner Toi­let­te zu Ende, setz­te sei­nen Hut auf und such­te her­um, ob er nichts ver­ges­sen hat­te. Er fand nichts, nä­her­te sich sei­ner Frau und gab ihr einen Kuss auf die Stirn:

      »Auf Wie­der­se­hen, mein Lieb­ling, ich wer­de nicht vor sie­ben zu­rück sein.«

      Dann ging er fort.

      Herr Lar­oche-Ma­thieu er­war­te­te ihn be­reits, denn an die­sem Tage früh­stück­te er um zehn Uhr. Der Mi­nis­ter­rat soll­te um zwölf, noch vor der Par­la­ments­er­öff­nung, zu­sam­men­tre­ten.

      Frau Lar­oche-Ma­thieu woll­te zur ge­wohn­ten Zeit früh­stücken, und so war au­ßer ih­nen bei­den nur noch der Pri­vat­se­kre­tär des Mi­nis­ters bei Tisch. Du Roy

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