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ich war­te auf eine Frau.«

      Der Jour­na­list grüß­te ihn und ging lä­chelnd wei­ter. Er nä­her­te sich dem Haupt­por­tal und sah die­sel­be arme Frau im­mer noch be­ten und kni­en. »O Gott,« dach­te er, »die hat Aus­dau­er im Be­ten.« Er war nicht mehr ge­rührt und emp­fand mit die­ser Ar­men auch kein Mit­leid mehr.

      Er ging vor­bei und schritt lang­sam das rech­te Sei­ten­schiff hin­auf, um Frau Wal­ter ab­zu­ho­len.

      Von wei­tem späh­te er nach der Stel­le, wo er sie ver­las­sen hat­te und war sehr er­staunt, als er sie nicht mehr sah. Er glaub­te, er hät­te sich in dem Pfei­ler ge­täuscht und ging bis zum letz­ten durch und kehr­te wie­der zu­rück. Also war sie doch fort. Wü­tend und über­rascht blieb er ste­hen. Dann dach­te er, dass sie ihn viel­leicht su­che, und ging noch ein­mal durch die gan­ze Kir­che her­um. Er fand sie nicht und setz­te sich auf den­sel­ben Stuhl, vor dem sie ge­kniet hat­te, in der Hoff­nung, sie käme dort­hin wie­der; er war­te­te.

      Bald er­reg­te ein kaum hör­ba­res Mur­meln sei­ne Auf­merk­sam­keit. In die­ser Ecke der Kir­che hat­te er nie­man­den be­merkt. Wo­her kam die­ses lei­se Ge­flüs­ter? Er stand auf, um es her­aus­zu­fin­den und er­blick­te in der nächs­ten Sei­ten­ka­pel­le einen Beicht­stuhl. Der Saum ei­nes Klei­des rag­te aus ihm her­aus. Er trat her­an, um die Frau nä­her zu be­trach­ten. Er er­kann­te sie. Er ver­spür­te ein hef­ti­ges. Ver­lan­gen, sie an den Schul­tern zu pa­cken und aus die­sem Kas­ten her­aus­zu­rei­ßen. Dann aber dach­te er: »Ach was, heu­te ist der Pfaf­fe an der Rei­he und mor­gen ich.« Er setz­te sich ru­hig ge­gen­über den Beicht­stüh­len wie­der hin und war­te­te ab. Und er be­gann, in­ner­lich über das Aben­teu­er zu la­chen.

      Er war­te­te lan­ge. End­lich er­hob sich Frau Wal­ter und wand­te sich um. Sie sah ihn an, ging auf ihn zu und sag­te mit erns­tem und stren­gem Ge­sichts­aus­druck: »Mein Herr, ich bit­te, mich nicht zu be­glei­ten, mir nicht zu fol­gen und auch nicht mehr al­lein mich zu be­su­chen. Sie wür­den nicht emp­fan­gen wer­den. Le­ben Sie wohl.«

      Dann ging sie in wür­di­ger Hal­tung fort. Er ließ sie ge­hen, denn es war sein Grund­satz, die Din­ge nicht auf die Spit­ze zu trei­ben. Als nun der Pries­ter et­was er­regt aus sei­nem Ver­steck kam, ging er ge­ra­de auf ihn zu, sah ihm scharf ins Auge und knurr­te ihn an:

      »Wenn Sie nicht die­sen lan­gen Rock trü­gen, oh, welch hüb­sches Paar Maul­schel­len ich Ih­nen auf Ihre ekel­haf­te Schnau­ze kle­ben wür­de.«

      Dann mach­te er kehrt und kam pfei­fend aus der Kir­che her­aus.

      Im Por­tal stand der di­cke Herr, den Hut auf dem Kopf, die Hän­de auf dem Rücken. Er schi­en des War­tens müde und späh­te auf den wei­ten Platz und die Stra­ßen, die sich dort kreuz­ten.

      Als Du Roy an ihm vor­bei­ging, be­grüß­ten sie sich.

      Der Jour­na­list hat­te wei­ter nichts zu tun und so be­gab er sich auf die Re­dak­ti­on der Vie Françai­se. Schon beim Ein­tre­ten sah er an den er­reg­ten Ge­sich­tern der Lauf­bur­schen, dass et­was Au­ßer­ge­wöhn­li­ches pas­siert sei und er trat ohne wei­te­res in das Zim­mer des Chefs ein.

      Der Va­ter Wal­ter schi­en auf­ge­regt und dik­tier­te ste­hend in ab­ge­hack­ten Sät­zen einen Ar­ti­kel. Zwi­schen den ein­zel­nen Ab­sät­zen er­teil­te er den Re­por­tern, die ihn um­ga­ben, ver­schie­de­ne Auf­trä­ge, gab Bois­renard ei­ni­ge Ver­hal­tungs­maß­re­geln und riss Brie­fe auf.

      Als Du Roy her­ein­trat, stieß der Chef einen Freu­den­schrei aus.

      »Ah, Gott sei Dank, da ist Bel-Ami!«

      Er stock­te et­was ver­le­gen, mit­ten im Satz und ent­schul­dig­te sich.

      »Ich bit­te um Ver­zei­hung, dass ich Sie so ge­nannt habe, aber ich bin au­gen­blick­lich et­was auf­ge­regt durch all die­se Ge­schich­ten. Und au­ßer­dem höre ich mei­ne Frau und mei­ne Töch­ter von mor­gens bis abends Sie nur Bel-Ami nen­nen, bis ich mir das schließ­lich selbst an­ge­wöhnt habe. Sie sind mir des­halb nicht etwa böse?«

      Ge­or­ges lach­te:

      »Aber kei­nes­wegs. Die­ser Beiname hat nichts, was mir miss­fal­len könn­te.«

      Va­ter Wal­ter fuhr fort:

      »Dann wer­de ich Sie auch Bel-Ami nen­nen, wie es alle Welt tut. Also hö­ren Sie zu: Es sind große Er­eig­nis­se ge­sche­hen. Das Mi­nis­te­ri­um ist bei ei­ner Ab­stim­mung von 310 ge­gen 102 Stim­men ge­stürzt. Un­se­re Fe­ri­en sind nun wie­der ver­scho­ben, ver­tagt ad ca­len­das grae­cas, und wir ha­ben schon den 28. Juli, Spa­ni­en hat sich we­gen Marok­ko auf­ge­regt und dar­über sind Du­rand und sei­ne Freun­de ge­stürzt. Wir sit­zen jetzt bis zum Hals im Dreck. Mar­rot hat den Auf­trag er­hal­ten, ein neu­es Ka­bi­nett zu bil­den. Zum Kriegs­mi­nis­ter nimmt er den Ge­ne­ral Bou­ton d’Ac­te und zum Aus­wär­ti­gen un­se­ren Freund Lar­oche-Ma­thieu. Er selbst be­hält das Por­te­feuil­le des In­ne­ren und den Vor­sitz im Mi­nis­ter­rat. Wir wer­den ein Re­gie­rungs­blatt wer­den. Ich dik­tie­re eben den Leit­ar­ti­kel, eine schlich­te Er­klä­rung un­se­rer po­li­ti­schen Grund­sät­ze, das den neu­en Mi­nis­tern die nö­ti­ge Di­rek­ti­ve ge­ben soll.«

      Der bra­ve Mann lä­chel­te und fuhr fort:

      »Na­tür­lich müs­sen es auch die Grund­sät­ze sein, de­nen sie auch zu fol­gen ge­den­ken. Aber ich brau­che nun ir­gen­det­was In­ter­essan­tes, einen ak­tu­el­len Sen­sa­ti­ons­ar­ti­kel über die ma­rok­ka­ni­sche Fra­ge. Ich weiß nicht ge­nau was. Könn­ten Sie mir so et­was ver­schaf­fen?«

      Du Roy dach­te eine Se­kun­de nach, dann ant­wor­te­te er:

      »Ich habe das, was Sie su­chen. Ich gebe Ih­nen einen aus­führ­li­chen Be­richt über die Lage un­se­rer sämt­li­chen afri­ka­ni­schen Ko­lo­ni­en, links Tu­nis, Al­gier in der Mit­te und rechts Marok­ko. Ich er­zäh­le über die Völ­ker­stäm­me, die die­se wei­ten Ge­bie­te be­woh­nen und schil­de­re eine Ent­de­ckungs­rei­se über die ma­rok­ka­ni­sche Gren­ze bis an die große Oase Fi­gu­ig, die bis jetzt kein Eu­ro­pä­er be­tre­ten hat, und die die ei­gent­li­che Ur­sa­che des ge­gen­wär­ti­gen Kon­flik­tes ist. Ist das Ih­nen so recht?«

      »Aus­ge­zeich­net«, rief Va­ter Wal­ter aus. »Und der Ti­tel?«

      »Von Tu­nis bis Tan­ger.«

      »Wun­der­bar!«

      Und Du Roy such­te nun in den al­ten Num­mern der Vie Françai­se sei­nen ers­ten Ar­ti­kel, die Erin­ne­run­gen ei­nes afri­ka­ni­schen Jä­gers, her­aus. Nun konn­te er um­ge­tauft, um­ge­ar­bei­tet und an­ders auf­ge­setzt, von An­fang bis zu Ende vor­treff­lich aus­ge­wer­tet wer­den, denn es war dar­in die Rede von der Ko­lo­ni­al­po­li­tik, von der Be­völ­ke­rung Al­giers und von ei­ner Rei­se in die Pro­vinz Oran.

      In drei­vier­tel Stun­den wur­de der Ar­ti­kel um­ge­mo­delt, zu­recht­ge­macht, auf die ak­tu­el­len Fra­gen zu­ge­spitzt und mit den nö­ti­gen Schmei­che­lei­en für das neue Mi­nis­te­ri­um ver­se­hen.

      Der Di­rek­tor las den Ar­ti­kel und er­klär­te:

      »Groß­ar­tig … wun­der­voll … vor­züg­lich! Sie sind ein kost­ba­rer Mann. Mein auf­rich­ti­ges Kom­pli­ment!«

      Als Du Roy zum Es­sen nach Hau­se kam, war er, trotz sei­nes

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