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dass er ir­gend wo­an­ders als in der Tri­nité-Kir­che ein Ren­dez­vous er­hal­ten müss­te.

      »Wo wer­de ich Sie mor­gen se­hen?« frag­te er.

      Sie ant­wor­te­te nicht. Sie schi­en leb­los; sie schi­en ganz wie ein ver­stei­ner­ter Aus­druck vom Ge­bet.

      Er fuhr fort:

      »Wol­len Sie, dass wir uns im Parc Mon­ceau tref­fen?«

      Sie nahm ihre Hän­de vom Ge­sicht und wand­te es ihm zu, es war trä­nen­über­strömt, bleich und ent­stellt vor Schmerz. Sie sag­te mit ab­ge­ris­se­ner Stim­me:

      »Las­sen Sie mich … las­sen Sie mich jetzt … ge­hen Sie … ge­hen Sie fort, nur fünf Mi­nu­ten … ich lei­de so sehr in Ih­rer Nähe … ich hal­te es nicht mehr aus … ge­hen Sie … las­sen Sie mich be­ten … al­lein … fünf Mi­nu­ten. Ich kann nicht … las­sen Sie mich Gott um Ver­ge­bung an­fle­hen … Er soll mir ver­ge­ben … Er soll mich ret­ten … Las­sen Sie mich … fünf Mi­nu­ten lang.«

      Der Aus­druck ih­res Ge­sich­tes war der­ma­ßen ver­stört und schmerz­er­füllt, dass er ohne ein Wort zu sa­gen auf­stand; dann ver­setz­te er nach ei­nem kur­z­en Zau­dern:

      »Ich kom­me nach ei­ner Wei­le wie­der.«

      Sie mach­te mit dem Kopf ein Zei­chen, als woll­te sie sa­gen: »Ja, nach ei­ner Wei­le.« Und er ging zum Chor hin­un­ter.

      Nun ver­such­te sie zu be­ten, mit über­mensch­li­cher An­stren­gung woll­te sie Gott an­ru­fen und fleh­te mit zit­tern­dem Kör­per und ver­zwei­fel­ter See­le um Er­bar­men. Sie schloss wü­tend die Au­gen, um ihn nicht zu se­hen, ihn, der sie eben ver­las­sen hat­te. Sie ver­scheuch­te ihn aus ih­ren Ge­dan­ken, sie wehr­te sich ge­gen ihn, doch an Stel­le der himm­li­schen Er­schei­nung, die sie mit schwe­rem Her­zen und ge­bro­che­ner See­le er­fleh­te, kam ihr der ge­kräu­sel­te Schnurr­bart des jun­gen Man­nes nicht aus dem Sin­ne.

      Seit ei­nem Jahr kämpf­te sie Tag für Tag und Abend für Abend ge­gen die im­mer zu­neh­men­de Lei­den­schaft, ge­gen die­ses Bild, das sich in ihre Träu­me dräng­te, ihre Sin­ne quäl­te und ihr die Ruhe raub­te. Sie fühl­te sich ge­fan­gen wie ein wil­des Tier in ei­nem Netz, ge­k­ne­belt und wehr­los die­sem Man­ne aus­ge­lie­fert, der sie be­zwun­gen und er­obert hat­te, ein­zig und al­lein durch sei­nen Schnurr­bart und die Far­be sei­ner Au­gen.

      Und jetzt in der Kir­che in Got­tes Nähe, fühl­te sie sich noch schwä­cher, noch ver­las­se­ner als bei sich zu Hau­se. Sie konn­te nicht mehr be­ten, sie muss­te im­mer­fort an ihn den­ken. Sie litt be­reits dar­un­ter, dass er fort war, und doch kämpf­te sie ver­zwei­felt. Sie wehr­te sich und rief mit der gan­zen Kraft ih­rer See­le um Hil­fe. Sie wäre lie­ber ge­stor­ben, als so zu fal­len, sie, die sie noch nie einen Fehl­tritt be­gan­gen hat­te. Sie mur­mel­te wir­re, fle­hen­de Ge­be­te, aber sie hör­te nur auf Ge­or­ges Schrit­te, die in den fer­nen Ge­wöl­ben im­mer lei­ser und lei­ser wur­den. Sie be­griff, dass es nun mit ih­rer Kraft zu Ende und dass je­der Wi­der­stand ver­geb­lich sei. — Trotz­dem woll­te sie nicht nach­ge­ben. Sie zit­ter­te am gan­zen Lei­be und fühl­te sich so schwach und zu­sam­men­ge­bro­chen, dass sie gleich um­fal­len, auf dem Bo­den sich her­um­wäl­zen und hef­ti­ge und schril­le Schreie aus­sto­ßen wür­de. Da hör­te sie ra­sche Schrit­te her­an­na­hen. Sie wand­te den Kopf, es war ein Pries­ter. Sie stand auf, lief mit ge­fal­te­ten Hän­den auf ihn zu und stam­mel­te:

      »Oh, ret­ten Sie mich! Ret­ten Sie mich!«

      Er blieb über­rascht ste­hen:

      »Was wün­schen Sie, Ma­da­me?«

      »Ich will, dass Sie mich ret­ten; ha­ben Sie Er­bar­men mit mir. Wenn Sie mir nicht zu Hil­fe kom­men, bin ich ver­lo­ren!«

      Er sah sie an, und dach­te, ob sie viel­leicht wahn­sin­nig wäre.

      »Was kann ich für Sie tun?« frag­te er.

      Es war ein jun­ger, hoch­ge­wach­se­ner, et­was di­cker Geist­li­cher, mit vol­len, et­was schlaf­fen Ba­cken, die, trotz­dem sie sau­ber ra­siert wa­ren, einen gräu­li­chen Schim­mer hat­ten; es war ein schö­ner Stadt­vi­kar, aus ei­nem rei­chen Stadt­vier­tel, der an wohl­ha­ben­de Sün­de­rin­nen ge­wöhnt war.

      »Hö­ren Sie mei­ne Beich­te,« sag­te sie, »und ge­ben Sie mir einen Rat, hel­fen Sie mir und sa­gen Sie, was ich tun soll.«

      »Ich höre die Beich­te alle Sonn­aben­de von drei bis sechs«, er­wi­der­te er.

      Aber sie fass­te ihn am Arm und wie­der­hol­te:

      »Nein, nein! nein! So­fort, so­fort! Es muss sein! Er ist hier in die­ser Kir­che! Er er­war­tet mich!«

      »Wer er­war­tet Sie denn?« frag­te der Pries­ter.

      »Ein Mann, der mich ver­der­ben will, der mich ver­füh­ren wird, wenn Sie mich nicht ret­ten … Ich kann nicht mehr vor ihm flie­hen … ich bin zu schwach … so schwach … so schwach …«

      Sie warf sich vor ihm auf die Knie und schluchz­te:

      »Er­bar­men Sie sich mei­ner, mein Va­ter! Ret­ten Sie mich, im Na­men Got­tes, ret­ten Sie mich!«

      Sie hielt ihn an sei­nem schwar­zen Pries­ter­rock fest, da­mit er nicht fort konn­te und er blick­te un­ru­hig nach al­len Sei­ten, ob nicht ir­gend­ein übel­wol­len­des oder zu from­mes Auge die Frau zu sei­nen Fü­ßen se­hen konn­te. Da er schließ­lich ein­sah, dass er sie nicht los wür­de, sag­te er:

      »Ste­hen Sie auf, ich habe zum Glück den Schlüs­sel zum Beicht­stuhl bei mir.«

      Er wühl­te in sei­ner Ta­sche und zog einen Ring mit ei­ner Men­ge Schlüs­sel dar­an her­aus. Er such­te einen da­von her­aus und ging mit schnel­lem Schritt zu ei­ner klei­nen Holz­hüt­te, in wel­cher die From­men ihre See­len von al­len Sün­den ent­las­ten. Er trat durch die Mit­tel­tür her­ein und schloss hin­ter sich ab, wäh­rend Frau Wal­ter sich in dem schma­len Sei­ten­teil nie­der­warf und lei­den­schaft­lich und in­brüns­tig stam­mel­te:

      »Seg­nen Sie mich, mein Va­ter, denn ich habe ge­sün­digt.«

      Du Roy hat­te einen Gang um den Chor ge­macht und schritt nun das lin­ke Sei­ten­schiff hin­un­ter. Er war ge­ra­de in der Mit­te, als er dem di­cken, kahl­köp­fi­gen Herrn be­geg­ne­te, der im­mer noch im lang­sa­men, ge­mes­se­nen Schritt auf und ab wan­der­te. »Was mag die­ser Son­der­ling hier zu su­chen ha­ben?« frag­te sich der jun­ge Mann. Auch der Herr hat­te sei­nen Schritt ver­lang­samt und blick­te Ge­or­ge:; an, mit dem sicht­li­chen Wunsch, mit ihm ein Ge­spräch an­zu­fan­gen. Als er ganz nahe war, grüß­te er und frag­te sehr höf­lich:

      »Ich bit­te sehr um Ver­zei­hung, aber könn­ten Sie mir viel­leicht sa­gen, wann ist die­se Kir­che er­baut wor­den?«

      »Wahr­haf­tig,« ant­wor­te­te Du Roy, »ich weiß das lei­der nicht. Ich glau­be so vor etwa zwan­zig oder fünf­und­zwan­zig Jah­ren. Üb­ri­gens bin ich zum ers­ten Male hier.«

      »Ich auch. Ich habe sie noch nie ge­se­hen.«

      Nun fuhr der Jour­na­list neu­gie­rig fort:

      »Sie schei­nen sie sehr sorg­fäl­tig zu be­sich­tig­ten.«

      Der an­de­re er­wi­der­te be­däch­tig:

      »Nein, ich be­sich­ti­ge sie

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