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      »Ah«, mur­mel­te er mit gleich­gül­ti­ger Mie­ne, um sie noch mehr zu rei­zen.

      »Du bist ge­nau so naiv wie Fo­res­tier«, sag­te sie wü­tend.

      Sie woll­te ihn ver­let­zen und er­war­te­te einen Zor­nes­aus­bruch. Aber er lä­chel­te und sag­te:

      »Wie Fo­res­tier, den du be­tro­gen hast?«

      »Oh! Ge­or­ges!« mur­mel­te sie ge­trof­fen.

      »Was denn«, sag­te er spöt­tisch. »Hast du mir nicht selbst ge­sagt, dass du Fo­res­tier be­tro­gen hast?« Und im Tone tiefs­ten Mit­lei­des setz­te er hin­zu: »Ar­mer Teu­fel!«

      Ma­de­lei­ne ant­wor­te­te nichts und dreh­te ihm den Rücken; dann nach ei­ner kur­z­en Pau­se sag­te sie:

      »Wir wer­den Diens­tag Gäs­te ha­ben. Frau Lar­oche-Ma­thieu kommt mit der Vi­com­tes­se de Per­ce­mur zum Es­sen. Willst du noch Ri­val und Nor­bert de Va­ren­ne ein­la­den? Ich will mor­gen Ma­da­me Wal­ter und Ma­da­me de Ma­rel­le be­su­chen. Vi­el­leicht kommt Ma­da­me Ris­so­lin auch noch.«

      Seit ei­ni­ger Zeit nutz­te sie den po­li­ti­schen Ein­fluss ih­res Man­nes aus, um neue Be­zie­hun­gen an­zu­knüp­fen, und die Frau­en der De­pu­tier­ten und Se­na­to­ren, die die Un­ter­stüt­zung der Vie Françai­se brauch­ten, in ihr Haus zu zie­hen.

      »Sehr gut,« ant­wor­te­te Du Roy, »Ri­val und Nor­bert wer­de ich ein­la­den.«

      Er rieb sich zu­frie­den die Hän­de, denn er hat­te jetzt eine gute Waf­fe ge­fun­den, um sei­ne Frau zu är­gern und sei­nen heim­li­chen Hass, sei­ne un­kla­re und quä­len­de Ei­fer­sucht, die in ihm seit je­ner Spa­zier­fahrt im Bois er­wacht war, zu be­frie­di­gen. Er re­de­te nie an­ders mehr von Fo­res­tier, ohne dar­auf zu deu­ten, dass ihm Hör­ner auf­ge­setzt wor­den wa­ren. Er fühl­te, dass er da­mit Ma­de­lei­ne zum Ra­sen brin­gen konn­te. Und zehn­mal am Abend fand er Ge­le­gen­heit, den Na­men die­ses »Hahn­reis von Fo­res­tier« in wohl­wol­len­der Iro­nie zu nen­nen.

      Er hass­te nicht mehr den To­ten; er woll­te ihn rä­chen.

      Sei­ne Frau schi­en es nicht zu hö­ren und saß ru­hig mit ih­rem gleich­gül­ti­gen Lä­cheln ihm ge­gen­über.

      Da sie am nächs­ten Tag Frau Wal­ter be­su­chen woll­te, ging er et­was frü­her hin, um die Frau sei­nes Chefs al­lein zu fin­den und sich zu über­zeu­gen, ob sie wirk­lich in ihn ver­liebt war. Das amü­sier­te und schmei­chel­te ihm. Und dann … warum nicht … wenn es mög­lich ist. Um zwei Uhr war er auf dem Bou­le­vard Ma­les­her­bes. Man führ­te ihn in den Sa­lon; er war­te­te.

      Bald er­schi­en Frau Wal­ter und reich­te ihm freu­dig die Hand.

      »Welch glück­li­cher Zu­fall führt Sie her?«

      »Kein Zu­fall, nur das Ver­lan­gen, Sie zu se­hen. Eine Macht hat mich zu Ih­nen ge­trie­ben, ich weiß es selbst nicht warum; ich habe Ih­nen auch gar nichts Be­stimm­tes zu sa­gen. Ich bin ge­kom­men! Ich bin da! Kön­nen Sie mir die­sen frü­hen Be­such und die Of­fen­heit mei­ner Er­klä­rung ver­zei­hen?«

      Er sag­te das al­les ga­lant und scherz­haft, mit ei­nem Lä­cheln auf den Lip­pen, aber mit Ernst in der Stim­me.

      Sie wur­de rot und mur­mel­te:

      »Aber wirk­lich … ich ver­ste­he nicht — Sie über­ra­schen mich — —«

      »Das ist eine hei­te­re Lie­bes­er­klä­rung, um Sie nicht zu er­schre­cken«, füg­te er hin­zu. Sie setz­ten sich hin. Sie nahm die Wor­te als Scherz auf.

      »Also, das ist eine erns­te Er­klä­rung?«

      »Aber ja! Schon lan­ge, so­gar sehr lan­ge hat­te ich sie auf dem Her­zen, aber ich wag­te nicht, sie aus­zu­spre­chen. Sie sol­len so streng und kalt sein …«

      Jetzt wur­de sie wie­der si­cher und frag­te:

      »Wa­rum ha­ben Sie denn ge­ra­de heu­te ge­wählt?«

      »Ich weiß es nicht.«

      Dann sag­te er ganz lei­se:

      »Viel­mehr, weil ich seit ges­tern nur an Sie den­ke.«

      Sie wur­de plötz­lich bleich und mur­mel­te:

      »Ge­nug jetzt von die­sen Kin­de­rei­en, spre­chen wir von et­was an­de­rem.«

      Aber er fiel so plötz­lich vor ihr auf die Knie, so un­er­war­tet, dass sie einen Schreck krieg­te. Sie woll­te auf­ste­hen, aber er hielt sie mit bei­den Ar­men fest und flüs­ter­te ihr lei­den­schaft­lich zu:

      »Ja, es ist wahr, ich lie­be Sie seit lan­gem, wahn­sin­nig. Ant­wor­ten Sie mir nicht. Be­grei­fen Sie es denn nicht? Ich bin wahn­sin­nig. Ich lie­be Sie … Oh, wenn Sie wüss­ten, wie ich Sie lie­be!«

      Sie at­me­te schwer, keuch­te, ver­such­te zu spre­chen, aber kein Wort kam über ihre Lip­pen. Sie stieß ihn mit bei­den Hän­den zu­rück, sie fass­te ihn am Haar und ver­such­te sei­nen Küs­sen aus­zu­wei­chen. Sie bog ih­ren Kopf nach links und nach rechts, mit ei­ner schnel­len has­ti­gen Be­we­gung und schloss die Au­gen, um ihn nicht mehr zu se­hen.

      Er be­rühr­te durch das Kleid ih­ren Kör­per, er strei­chel­te und be­tas­te­te sie; ihr Wi­der­stand schwand un­ter die­ser has­ti­gen und ro­hen Lieb­ko­sung. Er stand auf, um sie ganz an sich zu zie­hen, aber in die­ser Se­kun­de ent­wisch­te sie ihm und flüch­te­te von ei­nem Ses­sel zum an­de­ren. Eine Ver­fol­gung kam ihm lä­cher­lich vor; er ließ sich in einen Stuhl nie­der, ver­barg sein Ge­sicht in den Hän­den und schi­en krampf­haft zu schluch­zen. Dann sprang er auf, rief: »Adieu, adieu!« und stürz­te hin­aus.

      Er nahm im Vor­zim­mer sei­nen Spa­zier­stock und ging ru­hig die Trep­pe hin­ab, in­dem er sich sag­te: »Wahr­haf­tig, ich glau­be, die Sa­che geht gut.«

      Er ging auf ein Te­le­gra­fen­bü­ro und schick­te Clo­til­de ein blau­es Brief­chen; er bat sie für mor­gen um ein Ren­dez­vous.

      Als er zur ge­wohn­ten Stun­de heim­kehr­te, frag­te er sei­ne Frau:

      »Nun, hast du alle dei­ne Leu­te zum Di­ner bei­sam­men?«

      »Ja, nur Ma­da­me Wal­ter hat mir noch nicht be­stimmt zu­ge­sagt. Sie weiß nicht, ob sie frei sein wird; sie ist un­ent­schlos­sen und er­zähl­te mir Gott weiß was für Ge­schich­ten über ihre Pf­lich­ten und ihr Ge­wis­sen. Mir schi­en das et­was ko­misch zu sein. Es ist üb­ri­gens egal, ich hof­fe, sie kommt schließ­lich doch.«

      Er zuck­te die Ach­sel.

      »Ich glau­be es auch, sie wird kom­men.«

      Trotz­dem war er sei­ner Sa­che nicht ganz si­cher und blieb et­was un­ru­hig bis zum Tage des Di­ners.

      Am sel­ben Tage früh mor­gens er­hielt Ma­de­lei­ne einen kur­z­en Brief von Frau Wal­ter: »Ich habe mich mit großer Mühe für heu­te Abend frei ge­macht. Ich kom­me mit größ­tem Ver­gnü­gen; lei­der kann mein Mann mich nicht be­glei­ten.«

      Du Roy dach­te sich: »Es war ganz schlau von mir, dass ich nicht wie­der hin­ge­gan­gen bin. Jetzt hat sie sich be­ru­higt, aber — Vor­sicht!«

      Un­ge­dul­dig er­war­te­te er sie. Sie er­schi­en sehr ru­hig, et­was kühl und ab­wei­send. Er be­nahm sich sehr be­schei­den zu­rück­hal­tend

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