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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Als sie fort war, verabschiedete sich auch Madame de Marelle. »Auf Wiedersehen, Bel-Ami.« Jetzt drückte sie ihm die Hand sehr lange und kräftig und ihn rührte dieses schweigende Geständnis. Er fühlte sich plötzlich von einer Leidenschaft für diese kleine nette Zigeunerfrau erfasst, die ein so guter Kamerad war und ihn vielleicht wirklich lieb hatte. »Ich gehe morgen, sie besuchen«, dachte er.
Sobald er mit seiner Frau allein war, brach Madeleine in ein fröhliches und heiteres Lachen aus. Sie sah ihm in die Augen und sagte: »Weißt du, dass Frau Walter in dich verliebt ist?«
Er wollte ihr nicht glauben und antwortete: »Ach, lass doch.«
»Sei versichert. Sie sprach von dir mit einer geradezu tollen Begeisterung. Das ist sehr merkwürdig von ihr! Sie möchte für ihre Töchter zwei solche Männer wie dich finden. Zum Glück ist so was bei ihr ohne Bedeutung.«
Er begriff nicht, was sie meinte.
»Wieso ohne Bedeutung?«
Sie antwortete mit der Überzeugung einer Frau, die ihres Urteils sicher ist:
»Noch nie ist über Frau Walter der leiseste Verdacht laut geworden, verstehst du, nie, niemals! Sie steht rein da in jeder Beziehung. Ihren Mann kennst du ja so gut wie ich. Aber sie, das ist etwas anderes. Übrigens hat sie sehr darunter gelitten, dass sie einen Juden geheiratet hat, trotzdem ist sie ihm treu geblieben; sie ist eine anständige Frau.«
Du Roy war überrascht.
»Ich dachte, sie wäre auch eine Jüdin.«
»Sie, im Gegenteil. Sie ist Patronatsdame aller Wohltätigkeitseinrichtungen der Madeleinekirche. Sie ist sogar kirchlich getraut worden. Ich weiß nicht, ob sich Herr Walter dabei pro forma hat taufen, lassen oder ob die Kirche ein Auge zugetan hat.«
Georges murmelte:
»Ah, also sie ist in mich verliebt?«
»Entschieden, und bis über die Ohren. Wenn du nicht schon verheiratet wärest, würde ich dir raten, um die Hand von Suzanne zu bitten. Nicht wahr! Suzanne ist dir doch lieber wie Rose?« — Er drehte an seinem Schnurrbart und sagte: »Na, die Mutter scheint auch noch ein frisches und schneidiges Weib zu sein!«
Madeleine wurde ungeduldig:
»Weißt du, mein Kleiner, ich gönne dir gern die Mutter. Aber in diesem Falle habe ich keine Angst. In ihrem Alter begeht man nicht den ersten Fehltritt. Damit muss man früher beginnen.«
Georges dachte: »Wenn das wirklich wahr wäre, dass ich Suzanne hätte heiraten können?« …
Dann zuckte er mit den Achseln. »Ach was, das ist doch Unsinn. Der Vater hätte mich nie als Schwiegersohn akzeptiert.«
Immerhin nahm er sich vor, Frau Walters Benehmen ihm gegenüber etwas aufmerksamer zu beobachten, ohne übrigens sich dabei zu fragen, ob er daraus einen Vorteil ziehen könnte.
Den ganzen Abend lang verfolgte ihn die Erinnerung an seine Liebschaft mit Clotilde; Erinnerungen, die zärtlich und zugleich sinnlich waren. Er dachte an ihre tollen Streiche, an ihre lustigen Einfalle und an ihre gemeinschaftlichen Streifzüge. Er sagte sich immer wieder: »Sie ist wirklich bezaubernd, ich gehe morgen bestimmt zu ihr hin.« Am nächsten Morgen nach dem Frühstück begab er sich tatsächlich nach der Rue de Verneuil. Dasselbe Stubenmädchen öffnete ihm die Tür und fragte ihn gemütlich nach der Art kleinbürgerlicher Dienstboten:
»Geht es Ihnen gut, mein Herr?«
»Jawohl, mein Kind«, erwiderte er und trat in den Salon, wo eine ungeübte Hand Tonleitern am Klavier spielte. Es war Laurine. Er dachte, sie würde ihm an den Hals fliegen, aber sie stand ernst auf, grüßte ihn feierlich, wie eine Erwachsene und zog sich in würdiger, reservierter Haltung zurück. Sie benahm sich vollständig wie eine tiefgekränkte Frau, sodass er ganz erstaunt und verdutzt dastand. Nun kam die Mutter. Er ergriff ihre Hände und küsste sie.
»Wie oft habe ich an Sie gedacht«, sagte er.
»Und ich.«
Sie setzten sich und sahen sich lächelnd an, indem sie sich tief in die Augen sahen; sie hatten beide Lust, sich auf die Lippen zu küssen.
»Meine liebe kleine Clo, ich liebe Sie!«
»Und ich dich auch.«
»Dann, dann bist du mir nicht mehr böse?«
»Ja und nein. Es hat mir sehr weh getan. Darin aber begriff ich deine Gründe und sagte mir: ›Früher oder später kommt er doch zu mir zurück.’«
»Ich wagte nicht wiederzukommen, denn ich wusste nicht, wie du mich empfangen würdest. Ich wagte es nicht, aber ich hatte ein glühendes Verlangen nach dir. Übrigens sag’ mir mal, was ist denn mit Laurine los. Sie hat mich kaum begrüßt und ist dann wütend fortgegangen.«
»Ich weiß es nicht, aber seit deiner Heirat darf man nicht mehr über dich reden. Ich glaube, sie ist wirklich eifersüchtig.«
»Nicht möglich.«
»Doch, doch Liebster. Sie nennt dich nicht mehr Bel-Ami, sondern sie nennt dich Monsieur Forestier.«
Du Roy wurde rot und beugte sich zu der jungen Frau.
»Gib mir deinen Mund«, bat er.
Sie hielt ihm ihre Lippen hin.
»Wo können wir uns wiedersehen?« fragte er.
»In … in der Rue Constantinople.«
»Wie! die Wohnung ist nicht vermietet?«
»Nein, ich habe sie behalten.«
»Du hast sie behalten?«
»Ja, ich dachte, du würdest wiederkommen.«
Seine Brust hob sich vor stolzer Freude. Diese Frau liebte ihn also wirklich mit einer echten beständigen und innigen Liebe. Er flüsterte:
»Ich liebe dich über alles.« Dann fragte er:
»Geht es deinem Manne gut?«
»Ja, sehr gut, er war einen Monat hier. Vorgestern ist er abgereist.«
Du Roy konnte sich nicht enthalten zu lachen.
»Wie gut sich das trifft.«
»O ja,« antwortete sie, »das trifft sich sehr gut, aber selbst wenn er hier ist, geniert er uns auch nicht, du weißt ja?«
»Du hast recht. Er ist übrigens ein reizender Mensch.«
»Und du,« fragte sie, »wie gefällt dir das neue Leben?«
»Weder besonders gut, noch besonders schlecht. Meine Frau ist eine