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und ener­gi­sche­rer Fo­res­tier.«

      Ein an­de­res Mal, als Du Roy zu­fäl­lig den Bil­bo­quet­schrank öff­ne­te, hat­te man die sei­nes Vor­gän­gers am Stiel mit schwar­zem Flor um­wun­den und sein ei­ge­nes, mit dem er un­ter An­lei­tung Saint-Po­tins zu spie­len pfleg­te, trug ein rosa Sei­den­bänd­chen; auf dem Brett, auf wel­chem die Bil­bo­quets der Grö­ße nach auf­ge­stellt wur­den, war ein Zet­tel an­ge­hef­tet, ähn­lich wie im Mu­se­um, auf dem stand:

      »Alte Samm­lung Fo­res­tier & Co. — Fo­res­tier, Du Roy Nach­fol­ger G. m. b. H. Un­ver­äu­ßer­li­che Ge­gen­stän­de dür­fen bei je­der Ge­le­gen­heit selbst auf Rei­sen ge­braucht wer­den.«

      Er schloss ru­hig den Schrank und sag­te so laut, dass es je­der hö­ren konn­te:

      »Nei­di­sche Dumm­köp­fe gibt es über­all.«

      Er war tief ver­letzt in sei­nem Stolz und sei­ner Ei­tel­keit, in die­ser be­son­ders emp­find­li­chen und ner­vö­sen und miss­traui­schen Schrift­stel­le­rei­tel­keit, die so­wohl dem kleins­ten Re­por­ter wie auch dem ge­ni­als­ten Dich­ter zu ei­gen ist.

      Die­ses Wort »Fo­res­tier« kränk­te sein Ohr. Er fürch­te­te, es zu hö­ren, und er­rö­te­te je­des Mal, wenn er es doch hö­ren muss­te. Die­ser Name war für ihn bis­si­ger Spott ge­wor­den, ja mehr als Spott, eine schwe­re Be­lei­di­gung. Die­ser Name schrie ihm zu: »Dei­ne Frau macht die Ar­beit für dich ge­nau so, wie sie es für den an­de­ren ge­macht hat. Ohne sie wä­rest du nichts.«

      Dass Fo­res­tier ohne Ma­de­lei­ne nichts ge­we­sen wäre, das woll­te er gern zu­ge­ben, aber er selbst — nein, das war ganz was an­de­res.

      Und auch zu Hau­se woll­te die­ses be­drücken­de Ge­fühl nicht von ihm wei­chen. Das gan­ze Haus mahn­te ihn jetzt an den To­ten, die Mö­bel, die gan­ze Ein­rich­tung, al­les, was er an­fass­te. In der ers­ten Zeit hat­te er nicht dar­an ge­dacht. Aber die Ne­cke­rei­en sei­ner Kol­le­gen hat­ten sei­nem Geist eine Wun­de bei­ge­bracht, die durch eine Men­ge bis­her un­be­ach­te­ter Klei­nig­kei­ten noch wei­ter auf­ge­ris­sen wur­de. Er konn­te nichts mehr in die Hand neh­men, ohne dass er Charles’ Hand dar­auf zu er­bli­cken glaub­te. Er sah und ge­brauch­te nur Din­ge, die je­ner auch einst be­nutzt hat­te, Ge­gen­stän­de, die er ge­kauft, ge­liebt und be­ses­sen hat­te. Und Ge­or­ges be­gann sich schon jetzt bei dem Ge­dan­ken an die frü­he­ren Be­zie­hun­gen sei­nes al­ten Freun­des zu sei­ner jet­zi­gen Frau zu be­un­ru­hi­gen und zu är­gern.

      Bis­wei­len wun­der­te er sich selbst über die­se in­ne­re Em­pö­rung sei­nes Her­zens, die er sich nicht er­klä­ren konn­te, und er frag­te sich: »Zum Teu­fel, wie kommt das nur? Ich bin doch nicht auf die Freun­de Ma­de­lei­nes ei­fer­süch­tig; ich küm­me­re mich nicht dar­um, was sie treibt; sie kommt und geht, wie es ihr passt und nur der Ge­dan­ke an die­sen blö­den Kerl, den Charles, macht mich di­rekt wü­tend.« Und in Ge­dan­ken setz­te er hin­zu: »Im Grun­de war er ein Idi­ot, und das ist es, was mich so kränkt. Ich är­ge­re mich, dass Ma­de­lei­ne so einen Schafs­kopf hat­te hei­ra­ten kön­nen.«

      Und er wie­der­hol­te sich im­mer­fort: »Wie konn­te die­se Frau so ein Vieh nur einen Au­gen­blick gern ha­ben?« Und sein Hass und sei­ne Ei­fer­sucht wur­den von Tag zu Tag durch un­zäh­li­ge Klei­nig­kei­ten auf­ge­sta­chelt, die ihn wie Na­del­sti­che pei­nig­ten. Im­mer­fort wur­de er an den an­de­ren er­in­nert. Bald durch eine Be­mer­kung Ma­de­lei­nes, bald durch ein Wort des Die­ners oder des Stu­ben­mäd­chens.

      Ei­nes Abends frag­te Du Roy, der süße Spei­sen lieb­te: »Wa­rum ha­ben wir nie ein Zwi­schen­ge­richt? Du lässt nie wel­che auf­tra­gen.«

      Die jun­ge Frau ant­wor­te­te fröh­lich:

      »Das ist wahr, ich habe gar nicht dar­an ge­dacht; das kommt da­her, weil Charles sie nicht aus­ste­hen konn­te.

      Er konn­te sich nicht mehr be­herr­schen und schnitt ihr mit ei­ner un­ge­dul­di­gen Be­we­gung das Wort ab:

      »Ach weißt du, die­ser Charles be­ginnt mir auf die Ner­ven zu ge­hen. Es geht ja fort­wäh­rend: Charles hier, Charles dort. Charles lieb­te die­ses, Charles lieb­te je­nes. Nun ist Charles kre­piert, also soll man ihn end­lich in Ruhe las­sen.«

      Ma­de­lei­ne sah ih­ren Mann er­staunt an. Sie be­griff die­sen plötz­li­chen Wut­aus­bruch nicht. Doch bald ahn­te sie mit ih­rem schar­fen Ver­stan­de, was in ihm vor­ging, die lang­sa­me Wühl­ar­beit die­ser ver­spä­te­ten Ei­fer­sucht, die je­den Au­gen­blick wuchs, und durch al­les ge­nährt wur­de, was ihn an den To­ten er­in­ner­te.

      Sie hielt es viel­leicht für kin­disch, fühl­te sich je­doch ge­schmei­chelt und er­wi­der­te nichts.

      Er är­ger­te sich über sei­ne Ge­reizt­heit, und dass er sich nicht hat­te be­herr­schen kön­nen. Abends nach dem Es­sen ar­bei­te­ten sie wie­der zu­sam­men an ei­nem Ar­ti­kel für den nächs­ten Tag und er ver­wi­ckel­te sich in den Fuß­sack. Er konn­te nicht mit den Fü­ßen hin­ein, warf ihn mit ei­nem Fuß­tritt bei­sei­te und frag­te la­chend: »Charles hat­te wohl im­mer kal­te Füße?«

      Sie lach­te auch und ant­wor­te­te:

      »Oh, er leb­te in ei­ner stän­di­gen Furcht vor Er­käl­tun­gen; er hat­te auch schwa­che Lun­gen.«

      »Er hat­te es üb­ri­gens auch be­wie­sen«, er­wi­der­te Du Roy bos­haft. Dann setz­te er höf­lich und ga­lant hin­zu: »Zum Glück für mich.« Und er küss­te sei­ner Frau die Hand.

      Doch als sie zu Bett gin­gen, frag­te er im­mer von dem­sel­ben Ge­dan­ken ver­folgt:

      »Trug Charles auch baum­woll­ne Nacht­müt­zen, da­mit er kei­nen kal­ten Luft­zug an die Ohren krieg­te?«

      Sie ging auf den Scherz ein und er­wi­der­te: »Nein, er band sich ein Ma­dras­tuch um die Stirn.«

      Ge­or­ges zuck­te die Ach­seln und sag­te mit end­lo­ser Ver­ach­tung :

      »So ein Affe.«

      Seit­dem war Charles für ihn ein un­er­schöpf­li­cher Un­ter­hal­tungs­ge­gen­stand. Er sprach über ihn, bei je­dem An­lass und nann­te ihn nur noch »die­ser arme Charles« mit ver­ächt­lich mit­lei­di­gem Ton.

      Und wenn er von der Re­dak­ti­on zu­rück­kam, wo man ihn zwei- oder drei­mal Fo­res­tier an­ge­re­det hat­te, so räch­te er sich dann und ver­folg­te den To­ten bis in sein Grab mit bit­ters­ten und ge­häs­sigs­ten Wit­zen. Er spöt­tel­te über sei­ne Feh­ler, sei­ne klein­li­chen ko­mi­schen Sei­ten, zähl­te sie mit Wohl­be­ha­gen auf, wo­bei er sie im­mer über­trieb und ver­grö­ßer­te, als woll­te er im Her­zen sei­ner Frau den Ein­fluss ei­nes ge­fähr­li­chen Ne­ben­buh­lers be­kämp­fen.

      Er wie­der­hol­te:

      »Sag’ mal, Ma­de­lei­ne, ent­sinnst du dich noch des Ta­ges, als die­ser Dumm­kopf Fo­res­tier uns be­wei­sen woll­te, dass die di­cken Men­schen kräf­ti­ger wä­ren als die ma­ge­ren?«

      Dann woll­te er al­ler­lei in­ti­me Ein­zel­hei­ten über den Ver­stor­be­nen er­fah­ren, wor­über die jun­ge Frau un­wil­lig schwieg. Doch er war hart­nä­ckig und be­stand dar­auf.

      »Sag’ doch, er­zäh­le es mir mal, er muss­te in die­sem Au­gen­bli­cke recht ko­misch sein?«

      »Höre

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