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nicht laut wer­den und im­mer wie­der wie­der­hol­te er für sich: »Dem Star­ken ge­hört die Welt. Man muss stark und über al­les er­ha­ben sein.«

      Der Wa­gen fuhr schnel­ler. Er kam an den Stadt­be­fes­ti­gun­gen vor­bei. Du Roy sah vor sich auf dem Him­mel einen ro­ten Schim­mer, gleich dem Feu­er­schein, ei­ner un­ge­heu­ren Esse. Er ver­nahm ein ver­wor­re­nes ge­wal­ti­ges, un­un­ter­bro­che­nes Ge­tö­se, das sich aus un­zäh­li­gen, ver­schie­den­ar­ti­gen Geräuschen zu­sam­men­setz­te, ein dump­fes Brau­sen, das bald nä­her, bald wei­ter klang, ein un­be­stimm­tes, un­ge­heu­e­res Vi­brie­ren des Le­bens, den Atem von Pa­ris, das in die­ser Som­mer­nacht wie ein mü­der und er­schöpf­ter Ko­loß keuch­te.

      Ge­or­ges dach­te: »Ich wäre ja schön dumm, wenn ich mich är­gern wür­de. Je­der für sich. Der Sieg ge­hört dem Mu­ti­gen. Al­les ist nur Ego­is­mus. Der Ego­is­mus und der Ehr­geiz, vor­wärts zu kom­men und sich ein Ver­mö­gen zu er­wer­ben, ist mehr wert als der Ehr­geiz, eine Frau zu be­sit­zen und zu lie­ben.«

      Am Ein­gan­ge der Stadt wur­de der Tri­umph­bo­gen mit sei­nen bei­den Rie­sen­schen­keln sicht­bar. Er glich ei­nem ge­wal­ti­gen Un­ge­heu­er, das sich in Be­we­gung set­zen woll­te, um die brei­te Ave­nue hin­ab­zu­schrei­ten. Ge­or­ges und Ma­de­lei­ne fuh­ren nun wie­der in der lan­gen Rei­he der heim­keh­ren­den Wa­gen, die die lei­den­schaft­li­chen und stum­men Lie­bes­paa­re nach Hau­se führ­ten. Ihm war, als ob die gan­ze Mensch­heit, be­rauscht von Lie­be, Lust und Glück, an ihm vor­über­fuhr.

      Die jun­ge Frau schi­en zu ah­nen, was im In­ne­ren ih­res Man­nes vor­ging, und sie frag­te ihn mit sanf­ter Stim­me: »Woran denkst du, mein Freund? Seit ei­ner hal­b­en Stun­de hast du nicht ein Wort ge­spro­chen.«

      Er er­wi­der­te et­was höh­nisch:

      »Ich den­ke an alle die­se Dumm­köp­fe, die sich um­ar­men und küs­sen, und ich mei­ne, man hat im Le­ben wirk­lich Bes­se­res und Wich­ti­ge­res zu tun.«

      »Nun ja,« mur­mel­te sie, »aber manch­mal ist es doch sehr schön.«

      »Wenn man nichts an­de­res zu tun hat, dann ja, na­tür­lich ist es schön.«

      Ge­or­ges Ge­dan­ken wa­ren von Wut und Bos­heit er­füllt, und er be­müh­te sich, sein Le­ben jeg­li­cher Poe­sie zu ent­klei­den. »Ich bin nicht so dumm,« dach­te er, »um Rück­sich­ten zu neh­men und auf ir­gen­det­was zu ver­zich­ten, mir Sor­gen und Är­ger zu be­rei­ten, wie ich es seit ei­ni­ger Zeit tue.« Der Ge­dan­ke an Fo­res­tier flog ihm noch ein­mal durch den Kopf, ohne in ihm eine Er­re­gung aus­zu­lö­sen. Es war ihm, als hät­ten sie sich wie­der aus­ge­söhnt, als wä­ren sie wie­der Freun­de ge­wor­den. Er hat­te Lust, ihm zu­zu­ru­fen: »Gu­ten Abend, al­ter Freund.«

      Ma­de­lei­ne schi­en die­ses Schwei­gen zu be­drücken und sie frag­te:

      »Wol­len wir, ehe wir nach Hau­se fah­ren, bei Tor­to­ni ein Eis es­sen?« Er blick­te sie von der Sei­te an. Das hel­le Licht ei­ner Gas­gir­lan­de vor ei­nem Café-Chan­tant fiel auf ihr fein­ge­schnit­te­nes blon­des Pro­fil; er dach­te: »Sie ist doch hübsch. Umso bes­ser! Wie du mir, so ich dir, mei­ne schö­ne Ge­fähr­tin; aber dass ich mir dei­net­we­gen Sor­gen ma­che — nein, eher glüht der Nord­pol vor Hit­ze!« Und laut ant­wor­te­te er:

      »Sehr gern, mein Lieb­ling.«

      Da­mit sie nichts mer­ken soll­te, küss­te er sie. Doch der jun­gen Frau er­schie­nen die Lip­pen ih­res Man­nes eis­kalt.

      Trotz­dem lä­chel­te er ihr wie ge­wöhn­lich zu und reich­te ihr die Hand, um ihr beim Aus­s­tei­gen aus dem Wa­gen zu hel­fen.

      III.

      Als Du Roy am nächs­ten Mor­gen auf die Re­dak­ti­on kam, ging er so­fort zu Bois­renard.

      »Mein lie­ber Freund,« sag­te er, »ich muss dich um eine Ge­fäl­lig­keit bit­ten. Seit ei­ni­ger Zeit fin­det man Spaß dar­an, mich Fo­res­tier zu nen­nen. Mir wird es all­mäh­lich zu dumm, und ich bit­te dich da­her, dei­nen Kol­le­gen in al­ler Freund­schaft mit­zu­tei­len, ich wür­de je­den, der sich noch ein­mal den Scherz er­laubt, ohr­fei­gen. Sie mö­gen sich selbst über­le­gen, ob die Al­bern­heit einen De­gen­stich wert ist. Ich wen­de mich an dich, weil du ein ru­hi­ger Mensch bist, der är­ger­li­che Ver­wick­lun­gen ver­hin­dern kann und au­ßer­dem, weil du bei mei­nem Duell se­kun­diert hast.«

      Bois­renard ver­sprach den Auf­trag aus­zu­füh­ren. Du Roy ver­ließ die Re­dak­ti­on, um ein paar Be­sor­gun­gen zu ma­chen und kam nach ei­ner Stun­de wie­der. Nie­mand nann­te ihn mehr Fo­res­tier.

      Als er nach Hau­se kam, hör­te er Frau­en­stim­men im Sa­lon.

      »Wer ist da?« frag­te er.

      »Ma­da­me Wal­ter und Ma­da­me de Ma­rel­le«, ant­wor­te­te der Die­ner.

      Sein Herz be­gann zu klop­fen, dann sag­te er sich: »Halt, ich will mal se­hen«, und er öff­ne­te die Tür.

      Clo­til­de saß in der Ecke am Ka­min. Ein Son­nen­strahl, der vom Fens­ter kam, be­leuch­te­te sie. Es kam Ge­or­ges vor, als wür­de sie bei sei­nem An­blick ein we­nig blas­ser. Er be­grüß­te zu­erst Frau Wal­ter und ihre bei­den Töch­ter, die wie zwei Schild­wa­chen ne­ben der Mut­ter sa­ßen, dann wand­te er sich zu sei­ner frü­he­ren Ge­lieb­ten. Sie reich­te ihm die Hand, er er­griff sie und drück­te sie kräf­tig, als ob er sa­gen woll­te: »Ich lie­be Sie noch im­mer.« Sie er­wi­der­te sei­nen Druck. Er frag­te:

      »Ist es Ih­nen gut er­gan­gen, seit der Ewig­keit, wo wir uns nicht mehr ge­se­hen ha­ben?«

      »Sehr gut, und Ih­nen, Bel-Ami?«

      Dann wand­te er sich an Ma­de­lei­ne und füg­te hin­zu:

      »Du ge­stat­test doch, dass ich ihn noch im­mer Bel-Ami nen­ne?«

      »Selbst­ver­ständ­lich, liebs­te Clo­til­de, ich er­lau­be dir al­les, was du willst.«

      Eine leich­te Iro­nie schi­en durch die­se Wor­te hin­durch zu­klin­gen. Ma­da­me Wal­ter sprach von ei­nem Fest, das Jac­ques Ri­val in sei­ner Jung­ge­sel­len­woh­nung ge­ben woll­te, ei­ner großen Fest­vor­stel­lung, zu der auch die Da­men der Ge­sell­schaft ein­ge­la­den wer­den soll­ten.

      Sie sag­te: »Das wird sehr in­ter­essant wer­den, aber ich bin ver­zwei­felt, denn wir ha­ben nie­man­den, der uns be­glei­ten könn­te, und mein Mann muss aus­ge­rech­net an die­sem Tage ver­rei­sen.«

      Du Roy stell­te sich so­fort zur Ver­fü­gung, und sie nahm sein Aner­bie­ten an.

      »Mei­ne Töch­ter und ich wer­den Ih­nen sehr dank­bar sein.«

      Er be­trach­te­te die jün­ge­re der bei­den Fräu­lein Wal­ter und dach­te: »Sie ist nicht schlecht, die klei­ne Suzan­ne, wahr­haf­tig nicht!«

      Sie sah wie ein zar­tes, blon­des Püpp­chen aus. Ein biss­chen zu ma­ger, aber sehr zier­lich, mit schlan­ker Tail­le, ent­wi­ckel­tem Bu­sen und Hüf­ten, mit ei­nem ganz fei­nen Ge­sicht­chen, mit blau­grau­en Email­leau­gen, die wie mit dem Pin­sel ei­nes her­vor­ra­gen­den Mi­nia­tur­ma­lers ge­malt zu sein schie­nen. Sie hat­te eine et­was zu wei­ße, zu glat­te und gleich­mä­ßi­ge Haut, ihr Haar war gut fri­siert und bil­de­te eine künst­lich ge­kräu­sel­te

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