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du, ich möch­te die Woh­nung in der Rue de Con­stan­ti­no­ple von jetzt an auf mei­ne ei­ge­ne Rech­nung neh­men. Ich will es. Das geht nicht, dass du sie wei­ter be­zahlst.«

      In ei­ner An­wand­lung von Be­wun­de­rung küss­te sie ihm nun die Hand und flüs­ter­te:

      »Tue so, wie du willst. Mir ge­nügt, dass ich sie für un­ser Wie­der­se­hen be­wahrt habe.«

      Und Du Roy ver­ließ sie, das Herz vol­ler Be­frie­di­gung.

      Er ging an ei­nem Schau­fens­ter ei­nes Fo­to­gra­fen vor­über, und das Bild ei­ner statt­li­chen Dame mit großen Au­gen er­in­ner­te ihn an Frau Wal­ter. »Ei­gent­lich ist sie noch gar nicht so übel,« sag­te er sich, »wie kommt es, dass mir noch nie et­was auf­ge­fal­len ist? Ich bin neu­gie­rig, wie sie mich Don­ners­tag emp­fan­gen wird.«

      Er rieb sich die Hän­de und ging freu­de­strah­lend wei­ter. Er emp­fand Freu­de des all­sei­ti­gen Er­fol­ges; die egois­ti­sche Freu­de des ge­schick­ten Man­nes, dem al­les ge­lingt, und die zärt­li­che Freu­de der be­frie­dig­ten Ei­tel­keit und Sinn­lich­keit, wie sie durch Frau­en­lie­be er­regt wird.

      Als der Don­ners­tag kam, frag­te er Ma­de­lei­ne:

      »Gehst du nicht zum Preis­fech­ten bei Ri­val?«

      »O nein, das macht mir we­nig Ver­gnü­gen. Ich gehe in die Ab­ge­ord­ne­ten­kam­mer.«

      Es war herr­li­ches Wet­ter, er nahm des­halb einen of­fe­nen Lan­dau­er und fuhr, Frau Wal­ter ab­zu­ho­len. Er war über­rascht, als er sie er­blick­te; so schön und jung fand er sie. Sie hat­te ein hel­les, leicht aus­ge­schnit­te­nes Som­mer­kleid an und un­ter dem gel­ben Spit­zen­ein­satz sah er die vol­len Run­dun­gen der Brüs­te. Noch nie hat­te sie so frisch aus­ge­se­hen und er hielt sie wirk­lich für be­geh­rens­wert. Sie be­wahr­te eine stil­le und vor­neh­me Hal­tung, eine ge­wis­se müt­ter­li­che Ruhe, durch die sie den fri­vo­len Bli­cken der Män­ner zu­meist nicht auf­fiel. Al­les, was sie sag­te, war et­was mehr oder min­der Be­kann­tes, Kon­ven­tio­nel­les und nie über­trie­ben. Ihr Ide­en­kreis war wohl klas­si­fi­ziert und ge­ord­net und fern von jeg­li­cher Art der Aus­schrei­tung.

      Ihre Toch­ter Suzan­ne war ganz in Rosa ge­klei­det und glich ei­nem auf­ge­frisch­ten Wat­teau­bild, wäh­rend ihre äl­te­re Schwes­ter wie eine Er­zie­he­rin aus­sah, die die­ses rei­zen­de Püpp­chen be­auf­sich­ti­gen muss­te.

      Vor Ri­vals Woh­nung stand eine Wa­gen­rei­he. Du Roy bot Frau Wal­ter den Arm und sie gin­gen hin­ein.

      Das Preis­fech­ten wur­de zum Bes­ten der Wai­sen­kin­der des 6. Pa­ri­ser Stadt­be­zirks ver­an­stal­tet un­ter dem Pa­tro­nat al­ler Se­na­to­ren- und De­pu­tier­ten­frau­en, die zur Vie Françai­se Be­zie­hun­gen hat­ten.

      Frau Wal­ter hat­te ver­spro­chen, mit ih­ren Töch­tern hin­zu­kom­men, lehn­te es aber ab, Pa­tro­nats­da­me zu sein, da sie mit ih­rem Na­men nur die von der Kir­che an­ge­reg­ten Wohl­tä­tig­keits­ver­an­stal­tun­gen un­ter­stüt­ze; nicht etwa aus über­mä­ßi­ger Fröm­mig­keit, son­dern weil ihre Ehe mit ei­nem Ju­den sie, wie sie glaub­te, zu ei­ner ge­wis­sen re­li­gi­ösen Hal­tung zwang. Und das von dem Jour­na­lis­ten ver­an­stal­te­te Fest trug einen re­pu­bli­ka­ni­schen An­strich, der wo­mög­lich an­ti­kle­ri­kal aus­ge­legt wer­den konn­te.

      Seit drei Wo­chen stand in den Zei­tun­gen al­ler Par­tei­rich­tun­gen zu le­sen: »Un­ser be­rühm­ter Kol­le­ge Jac­ques Ri­val hat den vor­treff­li­chen und groß­her­zi­gen Plan ge­fasst, zu­guns­ten der Wai­sen­kin­der des 6. Stadt­be­zirks von Pa­ris ein großes Schau­fech­ten in sei­nem hüb­schen Fecht­saal, der zu sei­ner Jung­ge­sel­len­woh­nung ge­hört, zu ver­an­stal­ten; die Ein­la­dun­gen er­fol­gen durch Ma­da­me La­loig­ne, Ma­da­me Re­mon­tel und Ma­da­me Ris­so­lin, die Gat­tin­nen der Se­na­to­ren glei­chen Na­mens, so­wie durch die Gat­tin­nen der be­kann­ten Ab­ge­ord­ne­ten: Ma­da­me Lar­oche-Ma­thieu, Ma­da­me Per­ce­rol und Ma­da­me Fir­min. Wäh­rend der Pau­se wird eine Samm­lung ver­an­stal­tet und der Er­trag un­mit­tel­bar dem Maire des 6. Stadt­be­zirks oder des­sen Ver­tre­ter aus­ge­hän­digt wer­den.« — Es war eine Rie­sen­re­kla­me, die der Jour­na­list für sich und sei­nen Vor­teil in­sze­niert hat­te.

      Jac­ques Ri­val emp­fing die Gäs­te am Ein­gang sei­ner Woh­nung, wo ein Bü­fett ein­ge­rich­tet war, des­sen Kos­ten von den Ein­nah­men ab­ge­zo­gen wer­den soll­ten. Mit lie­bens­wür­di­ger Hand­be­we­gung zeig­te er auf die Trep­pe, die zum Kel­ler führ­te. Da hat­te er einen Fecht- und Schieß­raum ein­ge­rich­tet. Er sag­te:

      »Hin­un­ter, mei­ne Da­men, bit­te, hin­un­ter. Das Fech­ten wird im Kel­ler statt­fin­den.« Er eil­te der Frau sei­nes Chefs ent­ge­gen, dann drück­te er Du Roy die Hand und sag­te:

      »Gu­ten Tag, Bel-Ami!«

      »Wer hat Ih­nen ge­sagt, dass …?« frag­te die­ser er­staunt.

      »Ma­da­me Wal­ter, die die­sen Na­men sehr nett fin­det«, ant­wor­te­te Ri­val, ohne ihn aus­re­den zu las­sen.

      »Ja,« sag­te Frau Wal­ter er­rö­tend, »ich ge­ste­he, dass, wenn ich Sie nä­her ge­kannt hät­te, dann wür­de ich Sie wie die klei­ne Lau­ri­ne auch ›Bel-Ami‹ nen­nen. Der Name passt sehr gut zu Ih­nen.«

      Du Roy lach­te: »Aber ich bit­te Sie, Frau Wal­ter, tun Sie das.«

      »Nein, dazu sind wir nicht ge­nug be­freun­det«, sag­te sie sehr lei­se.

      »Wol­len Sie mir die Hoff­nung ge­ben, dass wir in Zu­kunft es sein wer­den?« frag­te er.

      »Wir wer­den se­hen«, ant­wor­te­te sie.

      Am Ein­gang zum Kel­ler trat er zur Sei­te. Die schma­le Trep­pe war mit Gas be­leuch­tet und der kras­se Über­gang vom Ta­ges­licht zu die­sem gelb­li­chen Schein hat­te et­was Düs­te­res. Ein Keller­ge­ruch stieg die Wen­del­trep­pe hin­auf, ein Ge­ruch von er­wärm­ter Feuch­tig­keit, von ver­schim­mel­ten Wän­den, die für die­sen Tag ab­ge­wischt wa­ren; ein Duft nach Weih­rauch, Frau­en, Lu­bin, Ver­vei­ne und Veil­chen.

      Man ver­nahm vie­le Stim­men durch die­ses Loch, das Wo­gen ei­ner er­reg­ten Men­ge. Der Kel­ler war von Gas­lam­pen und ve­ne­zia­ni­schen La­ter­nen er­leuch­tet, die zwi­schen den Blät­tern ver­steckt wa­ren, mit de­nen man die Wän­de aus­ge­schmückt hat­te. Man sah nichts wie grü­ne Äste. Die De­cke war mit Farn­kraut ge­schmückt, der Bo­den mit Blu­men und Blät­tern be­streut. Man fand die­se Ein­rich­tung ent­zückend. Im klei­nen Kel­ler im Hin­ter­grun­de war die Büh­ne für die Fech­ter ein­ge­rich­tet, von bei­den Sei­ten stan­den zwei Rei­hen Stüh­le für die Preis­rich­ter. Im gan­zen Kel­ler wa­ren Bän­ke auf­ge­stellt, die im gan­zen zwei­hun­dert Per­so­nen auf­neh­men konn­ten. Ein­ge­la­den wa­ren vier­hun­dert.

      Vor dem Po­di­um stan­den schlan­ke jun­ge Leu­te im Fecht­ko­stüm mit lan­gen Glie­dern, hoch­ge­dreh­ten Schnurr­bär­ten und po­sier­ten vor den Zuschau­ern. Man nann­te sie beim Na­men und zeig­te auf die Fecht­meis­ter und Ama­teu­re, auf die Berühmt­hei­ten des Fecht­spor­tes. Um sie her­um stan­den jün­ge­re und äl­te­re Her­ren in schwar­zen Gehrö­cken und plau­der­ten mit den Fech­tern. Auch sie woll­ten ge­se­hen, er­kannt und be­merkt wer­den; das wa­ren die Fürs­ten der ed­len Fecht­kunst

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