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am liebs­ten ge­lacht hät­te und an alte Leu­te den­ken muss­te, die le­sen und schrei­ben zu ler­nen ver­su­chen.

      Und wenn sie ihn mit ih­ren Ar­men um­klam­mer­te und ihn lei­den­schaft­lich an­blick­te, mit den tie­fen und schreck­li­chen Bli­cken, die man­che al­tern­de über­rei­fe Frau bei ih­rer letz­ten Lie­be hat­te, und wenn sie ihn mit ih­rem stum­men und zit­tern­den Mun­de bei­ßen und ihn mit ih­rem hei­ßen, schwe­ren, mü­den und doch un­er­sätt­li­chen Kör­per er­drücken woll­te — so be­nahm sie sich wie ein Schul­mäd­chen und lall­te, um gra­zi­ös und ver­füh­re­risch zu sein: »Ich lie­be dich so in­nig und heiß. Ich lie­be dich so sehr. Sei recht lieb zu dei­ner klei­nen Frau«, und er spür­te dann ein un­wi­der­steh­li­ches Ver­lan­gen, zu flu­chen, sei­nen Hut zu neh­men, fort­zu­ge­hen und die Tür hin­ter sich zu­zu­schla­gen.

      In der ers­ten Zeit wa­ren sie oft in der Rue Con­stan­ti­no­ple zu­sam­men, doch Du Roy fürch­te­te ein Zu­sam­men­tref­fen mit Ma­da­me de Ma­rel­le und er fand jetzt eine Men­ge Aus­re­den, um sich die­sen Zu­sam­men­künf­ten zu ent­zie­hen.

      Und nun muss­te er fast täg­lich zu ihr kom­men; bald zum Früh­stück, bald zum Mit­ta­ges­sen. Sie drück­te ihm un­ter dem Tisch die Hand und so­bald sie hin­ter ei­ner Tür oder ei­nem Vor­hang wa­ren, hielt sie ihm die Lip­pen zum Kus­se hin. Doch er fand viel mehr Ver­gnü­gen dar­an, mit Suzan­ne zu spie­len, über de­ren wit­zi­ge Ein­fäl­le er oft la­chen muss­te. In ih­rem Pup­pen­kör­per leb­te ein wit­zi­ger, spöt­ti­scher Geist, der stets un­ver­hofft her­vor­brach, wie eine Ma­rio­net­te auf dem Jahr­markt. Sie mach­te sich über alle Welt in der schärfs­ten und geist­reichs­ten Wei­se lus­tig. Ge­or­ges reiz­te sie an, sta­chel­te ihre Iro­nie auf und sie ver­stan­den sich vor­treff­lich.

      Alle Au­gen­bli­cke rief sie ihn:

      »Hö­ren Sie mal, Bel-Ami! — Kom­men Sie mal her, Bel-Ami!« Er ließ so­fort die Mut­ter im Stich und eil­te zu der Toch­ter. Sie flüs­ter­te ihm ir­gend­ei­ne Bos­heit ins Ohr, über die sie dann bei­de herz­lich lach­ten.

      In­zwi­schen war er der Lie­be der Mut­ter so über­drüs­sig ge­wor­den, dass er bald einen un­über­wind­li­chen Wi­der­wil­len ge­gen sie emp­fand. Er konn­te sie nicht mehr se­hen, noch hö­ren, noch an sie den­ken, ohne wü­tend zu wer­den. Er be­such­te sie da­her nicht mehr und ließ ihre Brie­fe und ihre Bit­ten un­be­ant­wor­tet.

      End­lich be­griff sie, dass er sie nicht mehr lieb­te und be­gann dar­un­ter furcht­bar zu lei­den. Doch sie ließ nicht von ihm ab, spür­te ihm nach, ver­folg­te ihn, lau­er­te auf ihn in ei­ner Drosch­ke mit her­un­ter­ge­zo­ge­nen Vor­hän­gen am Ein­gang der Re­dak­ti­on; vor sei­ner Haus­tür und in den Stra­ßen, wo sie ihm zu be­geg­nen hoff­te.

      Er hat­te Lust, sie zu miss­han­deln, zu be­schimp­fen, sie zu ver­prü­geln und ihr ein­fach ins Ge­sicht zu schleu­dern: »Ich habe ge­nug, ich bin Ih­rer satt!«

      Aber im Hin­blick auf die Vie Françai­se muss­te er auf sie doch ei­ni­ge Rück­sich­ten neh­men und so ver­such­te er durch Käl­te und durch et­was ge­mil­der­te Här­te und manch­mal so­gar durch hef­ti­ge Wor­te ihr bei­zu­brin­gen, dass man end­lich al­le­dem ein Ende be­rei­ten müss­te.

      Sie er­fand alle mög­li­chen Lis­ten und Vor­wän­de, um sich mit ihm in der Rue Con­stan­ti­no­ple zu tref­fen, und er leb­te un­auf­hör­lich in der Furcht, dass die bei­den Frau­en ei­nes Ta­ges an der Tür auf­ein­an­der­sto­ßen wür­den.

      Sei­ne Nei­gung zu Ma­da­me de Ma­rel­le war aber im Ge­gen­teil im Lau­fe des Som­mers noch stär­ker ge­wor­den. Er nann­te sie »Mein Büb­chen«, und sie ge­fiel ihm ganz ent­schie­den. Sie hat­ten sehr viel Ähn­li­ches in ih­rem in­ne­ren We­sen und pass­ten sehr gut zu­ein­an­der. Sie wa­ren bei­de im Grun­de Aben­teu­rer, sie wa­ren No­ma­den des großen städ­ti­schen Le­bens, die, ohne es zu ah­nen, den Zi­geu­nern der Land­stra­ße so sehr äh­nel­ten.

      Sie hat­ten einen herr­li­chen Lie­bes­som­mer ver­lebt, wie ein jun­ges, ver­lieb­tes Stu­den­ten­paar, das Hoch­zeit mach­te. Sie fuh­ren zum Früh­stück nach Ar­gen­teuil, nach Bou­gi­val, nach Mai­sons und Pois­sy her­aus und blie­ben stun­den­lang im Boot, um an den Ufern ent­lang Blu­men zu pflücken. Sie lieb­te sehr ge­ba­cke­ne Sei­ne­fi­sche, Ka­nin­chen und Fisch­fri­kas­see, sie schwärm­te für die Lau­ben in den klei­nen Knei­pen und für das Ge­schrei der Ru­de­rer. Es mach­te ihm Spaß, mit ihr an ei­nem hei­te­ren Som­mer­ta­ge auf dem Ver­deck ei­nes Vo­r­ort­zu­ges hin­aus­zu­fah­ren und mit hei­te­rem La­chen und Scher­zen die häss­li­chen Fel­der um Pa­ris zu durch­que­ren, auf de­nen die scheuß­li­chen Vil­len der Spieß­bür­ger wie Pil­ze aus der Erde schie­ßen.

      Und als er wie­der zu­rück muss­te, um bei Frau Wal­ter zu es­sen, da hass­te er die alte zähe Ge­lieb­te und dach­te an die jun­ge, die er eben ver­las­sen hat­te und die auf den schö­nen grü­nen Flus­sufern sei­ne Be­gier­de ge­stillt und sei­ne Lei­den­schaft be­frie­digt hat­te.

      Er fühl­te sich nun end­lich von der Frau sei­nes Chefs et­was be­freit, denn er hat­te, als er ihr Te­le­gramm er­hielt, in dem sie ihn zu ei­nem Ren­dez­vous um zwei Uhr in die Rue Con­stan­ti­no­ple be­stell­te, ihr ziem­lich un­um­wun­den und mit bru­ta­len Aus­drücken sei­nen Ent­schluss klar­ge­legt, mit ihr zu bre­chen.

      Er las es im Ge­hen noch ein­mal durch: »Ich muss Dich un­be­dingt spre­chen. Es ist et­was sehr Wich­ti­ges. Er­war­te mich um zwei Uhr in der Rue Con­stan­ti­no­ple. Ich kann Dir einen großen Dienst er­wei­sen. Dei­ne Freun­din bis zum Tode. — Vir­gi­nie.«

      Er dach­te: »Was will sie noch von mir, die alte Gans? Ich wet­te, sie hat mir gar nichts mit­zu­tei­len. Sie wird mir nur noch ein­mal wie­der­ho­len, dass sie mich über al­les liebt. Na, wir wer­den ja se­hen. Sie spricht von ei­ner sehr wich­ti­gen Sa­che, von ei­nem großen Dienst, es kann viel­leicht doch wahr sein. Und Clo­til­de kommt um vier. Ich muss die ers­te spä­tes­tens um drei los wer­den. O Gott! Dass sie sich nur nicht be­geg­nen! Oh, die­se Wei­ber!«

      Und er über­leg­te sich, dass sei­ne Frau die ein­zi­ge war, die ihm im­mer sei­ne Ruhe gönn­te. Sie leb­te an sei­ner Sei­te und schi­en ihn auch sehr gern zu ha­ben, we­nigs­tens in den Stun­den, die zur Lie­be be­stimmt wa­ren; denn sie dul­de­te nicht, dass die Ta­ges­ord­nung ge­stört wur­de.

      Er ging mit lang­sa­men Schrit­ten sei­ner Jung­ge­sel­len­woh­nung zu und ver­setz­te sich in­ner­lich im­mer mehr ge­gen die Frau sei­nes Chefs in Wut: »Ah, ich wer­de sie schon rich­tig zu emp­fan­gen ver­ste­hen, wenn sie mir nichts mit­zu­tei­len hat. Das Wort Cam­bron­nes soll ne­ben dem mei­nen aka­de­misch klin­gen. Ich wer­de ihr er­klä­ren, dass ich dar­auf ver­zich­te, je wie­der ihr Haus zu be­tre­ten.«

      Er trat ein, um auf Frau Wal­ter zu war­ten. Sie kam fast un­mit­tel­bar dar­auf, und als sie ihn er­blick­te, rief sie:

      »Ach, du hast mei­ne De­pe­sche er­hal­ten. Welch ein Glück!«

      Er mach­te ein bö­ses Ge­sicht:

      »Ja­wohl, ich fand sie auf der Re­dak­ti­on in dem Au­gen­blick, als ich zur Kam­mer ge­hen woll­te. Was willst du noch von mir?«

      Sie hat­te ih­ren Schlei­er auf­ge­steckt, um ihn zu küs­sen und nä­her­te sich ihm scheu und un­ter­wür­fig, wie eine ver­prü­gel­te Hün­din:

      »Wa­rum

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