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alleinige Verfügbarkeit des amtierenden Kaisers über die römische Militärmacht! Doch wer sollte dann Roms Militärmacht anführen, wenn nicht der amtierende Kaiser? Allein schon an diesem Punkt sollten sich, innerhalb dieser Strömung, weitere Aufsplitterungen ergeben…

      Für Lartius bestand nun einmal ein Unterschied zwischen Männern, die in der Form der Machtausübung am Prinzipat festhielten und denen, die diese Fülle der Macht, in nur einer Hand, für gefährlich hielten…

      Einst herrschte das Prinzip der Dualität, das immer zumindest zwei Würdige für eine Position bestimmten…

      Zu seinem Leidwesen fühlte er sich dieser Gruppe verpflichtet, selbst wenn er dieser persönlichen Neigung würde niemals nachgeben dürfen…

      Es blieb eine letzte Gruppierung übrig, der Lartius die verwerflichsten Absichten zubilligte. Männer dieser Strömung strebten ausschließlich nach Macht!

      Es musste nicht die Macht über das Imperium sein… Manchen reichte schon Machtzuwachs und auch deshalb schien diese Gruppierung zur rücksichtslosesten Vorgehensweise befähigt. Kein hehres Motiv schwebte diesen Vertretern vor, außer der Verwerflichkeit des Machtstrebens. Es interessierte nicht die Republik oder gar der Ruhm des Reiches, es sei denn, beides ließe sich mit dem Namen des Machtbesessenen verbinden…

      An dieser Stelle angelangt, stieß Lartius auf die im Senat Sitzenden, die weder dachten, noch handelten, die keine Ziele verfolgten, sich dem am lautesten Schreienden anschlossen und deren Ansichten weder irgend einer Gutartigkeit folgten, noch jemals einem wichtigen Gedanken oder eine Tat ihrer Energie für würdig befanden. Diese Gruppierung besaß sicher im Rat des Senats auch keine Stimme…

      War das dann alles? Der Kopf der Adler fühlte sich nicht sicher.

      Plötzlich ging ihm auf, dass jeder an der Spitze einer Strömung Stehende auch sein eigenes Machtstreben pflegte. Würde Lartius diese Erkenntnis in weiteren Überlegungen berücksichtigen, endete dies wahrscheinlich im Chaos. Von allen betrachteten Strömungen schienen die von Macht Besessenen am Ehesten zu einem Bündnis mit den Brüdern Scribonius bereit.

      Republikaner folgten einem Ehrgefühl, das einen solchen Verrat niemals billigte. Neros Unterstützern konnte genauso nichts an der Aufsplitterung der militärischen Macht liegen, wie den Senatoren, die sich dem Prinzipat oder gar dem Imperium verpflichtet fühlen.

      Lartius glaubte, in dem er die Ziele, Wege und Absichten der Strömungen verglich, allein durch seine Überlegungen, zu der Gruppierung zu gelangen, die im Gewinn von Legionen ein vorrangiges Ziel verfolgte. Nur der Senator an der Spitze dieser Gruppierung konnte den Verrat begangen haben! Denn dieser Mann, gleich wem er das Geheimnis um die Existenz der Adler der Evocati und deren Rolle im Imperium öffnete, wusste bescheid!

      Diesen machtvollen Anführer herauszufinden, würde weit größerer Anstrengungen bedürfen. Dennoch fand Lartius damit das Ziel seiner nächsten Bemühungen und weil er dies erkannte, schickte er seine Spione durch Rom.

      Plötzlich stutzte er. Hatte er sich im Gewirr des Senats verlaufen?

      Gab es nicht noch Andere, die in aller Heimlichkeit eine Änderung der Verhältnisse anstrebten? Sein Blick richtete sich auf die Statthalter, ebenso wie auf Männer, die Legionen führten oder gar als Feldherrn für Rom wirkten….

      Einer der würdigsten Vertreter war Gnaeus Domitius Corbulo, dem im Osten ein großes Heer zur Verfügung stand. Über fast ein Drittel von Roms Militärmacht gebot dieser Feldherr.

      Nicht weniger Militärmacht stand den Brüdern Scribonius zur Verfügung, wenn sie sich denn einig waren. Lartius kannte die feste brüderliche Bindung der Legatus Augusti pro Praetore in den Militärgebieten am Rhenus und er wusste darüber hinaus auch von deren noch nicht aufgebrochenen Differenzen…

      Welcher weitere Mann sollte seine Berücksichtigung finden?

      Ach ja, richtig, Tigellinus durfte nicht übersehen werden, doch der folgte ausschließlich Nero… Oder auch nicht? Der Aquila war sich nicht sicher. Er billigte dem Präfekt Machtstreben zu, aber war nicht dessen Herkunft ein zu starkes Hindernis?

      Weil Lartius seine Überlegungen nicht zwang, sich keine Frist setzte und auch Abwegiges in seinen Kopf vordringen ließ, schälte sich, in den folgenden Tagen, ein weiterer Name heraus. Gaius Suetonius Paulinus…

      Lartius überdachte, was er über Paulinus wusste. Einst in Britannia warf er die Revolte der Boudicca nieder und erntete dafür die Vorwürfe des Senats und seine Ablösung. Dass ein wenig Dank vergessen wurde, war wohl dem Betreiben einer stattlichen Zahl von Senatoren geschuldet… War Paulinus deshalb wütend? Wenn, dann zeigte er es nicht… Würde sich der vormalige Legatus Augusti pro Praetore Britanniens dann aber mit diesen Senatoren zusammenfinden, die ihn einst verurteilten? Es wurde über Brutalität gesprochen, über Schuld und Fehler, die das Leben römischer Bürger kostete, als die Streitkräfte der Boudicca römische Siedlungen dem Erdboden gleich machten… Zu schnell suchten und fanden einige der Senatoren den Sündenbock und dass die Legionen des Paulinus einer zumindest vierfach überlegenen Streitmacht trotzte und diese hinweg fegte, ward schnell, zu schnell vergessen…

      Nein! Paulinus würde nicht mit alten, unfähigen Männern kungeln… Die ihn einmal verurteilten würden ihm später wohl nicht die Steigbügel halten… Auch ließ sich Paulinus wohl kaum durch solche unzuverlässigen Brüder einspannen…

      Diese Befürchtung sollte er vergessen, nicht aber den Feldherrn, der ob seiner Fähigkeiten, ein immer noch zu beachtender Faktor war. Würde aber Paulinus in Rom nach der Macht streben?

      Lartius schloss seine Gedanken ab. Er hielt Paulinus nicht für einen Machtbesessenen, dafür aber für einen fähigen, weil konsequenten und rücksichtslosen Feldherrn… Außerdem fehlte dem Mann der notwendige Reichtum und die Klientel, die ihn erheben könnte!

      Als er sich diesem Gedanken genähert hatte, tauchte erneut der Name eines anderen Feldherrn in seiner Erinnerung auf: Gnaeus Domitius Corbulo! Dieser besaß Reichtum, die erforderlichen Unterstützer und verfügte über Legionen… Als er diese nachzählte, deren gegenwärtige Standorte ermittelte, fraß sich ein Erschrecken in seinen Sinn.

      Selbstverständlich standen alle diese Legionen im Osten. Doch es waren nicht nur Legionen dort, sondern auch Auxiliaren und andere, Rom unterstützende Gefolgsmänner. Viele dieser Streitkräfte hielten sich zur Zeit in der Provinz Syria auf oder lagerten nicht weit von dort.

      Corbulo verfügte über etwa ein drittel aller Streitkräfte Roms. Das zweite Drittel stand in Germania und der Rest verteilte sich an den Grenzen des übrigen Imperium…

      Von ganz allein schoben sich auch die Brüder Scribonius zurück in seine Überlegungen. Corbulo und die Brüder könnten, falls sie sich vereinten, den Rest der Legionen zerschlagen und Kaiser Nero entmachten… Verhandelten diese Parteien vielleicht schon miteinander?

      Lartius schob diesen letzten Gedanken weit von sich. Corbulo weilte in Syria, vielleicht in Antiochia… Die Brüder aber hatten, wie er genau wusste, Germanien nicht verlassen… Tauschten sie vielleicht dennoch Boten aus?

      Wieder schob Lartius diesen Gedanken weit von sich. Es wären drei Männer, die dann um die Macht stritten. Er wusste doch von den Differenzen der Brüder. Keiner von denen würde nachgeben und standen dennoch die Brüder geschlossen gegen Corbulo, dann hätten sie Bürgerkrieg im Imperium…

      In diese Überlegungen drängte sich ein vollkommen anderer Gedanke.

      Wenn die Brüder Scribonius mit Corbulo im Einvernehmen wären, wozu brauchten sie dann die Gallier? Der letzte Gedanke beruhigte und ließ diese bisherigen Überlegungen ganz einfach als unsinnig erscheinen… Von dort drohte keine Gefahr, wenn auch Corbulo und die Brüder Scribonius nicht außer Acht gelassen werden durften. Jeder von denen war, auf irgend eine Weise, machtbesessen, fähig durch Eigenschaften und Erfahrungen, besaß ausreichend Geld sowie eine umfangreiche Klientel und durfte auch auf Unterstützung durch Roms Volk rechnen…

      Weil sich seine Gedanken diesen Potentialen zuwandten, erhärtete sich seine Überlegung zu Paulinus, der für ihn selbst keine beachtenswerte

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