Скачать книгу

vor dem Eldermann fürchten? Aber du hast recht, die Straßen sind besser als verschneite Pfade…“ Gerwin kratzte sich über seinem Ohr. Dazu musste er den Pelz auf seinem Kopf verschieben und weil dies ungewöhnlich aussah, grinste Viator.

      „Es belustigt dich, dass ich dir nachgebe?“

      „Das auch, aber mein Lächeln gilt deinem Aussehen. Immerhin zähmst du gerade die Läuse unter deinem Pelz und mir scheint, dass dies wenig Erfolg verspricht.“

      „Unsinn, das sind keine Läuse! Es juckt nur etwas…“

      Viators Grinsen verstärkte sich, aber er schwieg. „Unser Ziel ist doch Lugdunum?“ fragte er dann zögerlich.

      „Warum?“

      „Über Salodurum, Aventicum bis zum großen See können wir getrost die Straßen nutzen. Ziehen wir über Genava, vermeiden wir das Gebiet der Sequaner und folgen dann dem Rhodanus bis zum Ziel…“

      „Du kennst diesen Weg?“ fragte Gerwin irritiert nach.

      „Nein, natürlich nicht!“ fluchte Viator. „Bis Genava gibt es eine römische Straße und von dort dem Fluss zu folgen, dürfte nicht zu schwer werden. Zumal es sicher auch Siedlungen gibt und auch im Winter gangbare Wege… Andernfalls nehmen wir uns einen Führer… Eines jedoch weiß ich mit Bestimmtheit…“

      „Ich bin neugierig…“ erklärte der Jüngere.

      „Vom See aus, von Genava aus, geht es nur bergab! Das aber bedeutet, wir müssen bis Lugdunum über keinen weiteren Pass…“ Viator schöpfte sein gesamtes Wissen über dieses Gebiet aus, war doch auch er bisher nur zweimal dort. Einmal war Gerwin dabei, das andere Mal liegt noch länger zurück. Damals zog er mit anderen Legionären zum Rhenus. Er war noch sehr jung.

      „Was denkst du, wie viele Tage wir benötigen?“

      Viator zuckte mit der Schulter. „Einen Monat vielleicht… Warum? Hast du es so eilig?“

      „Was glaubst du?“ fuhr ihn Gerwin an. „Ein kluger Römer sagte mir einmal, dass jeder dienende Römer zu den Kalenden Januarius seinen Schwur erneuert. Zum gleichen Tag werden Männer abgelöst und Neue berufen… Also geht der neue Statthalter auch zu diesem Tag in seine Provinz. Dort angekommen, errichtet er seine Herrschaft. Das Wetter und die Jahreszeit verhindern aber, dass er sein Gebiet kennenlernt… Er wird auf das Ende des Winters warten, bevor er sein neues Reich bereist! Ist er ein kluger Mann, und warum sollte er dies nicht sein, wartet er die Begehbarkeit der Straßen und Wege ab. Die Zeit bis dahin festigt er seine Herrschaft… Wenn seine Reise aber begonnen hat, und sie wird beginnen, und wir sind nicht vorher dort, rennen wir ihm nach… Ich hörte, seine Provinz wäre sehr groß…“

      „Na endlich! Bisher verschwiegst du die Gründe deiner Eile…“ fuhr ihn der Graukopf an.

      „Ich dachte, du wüsstest das?“ bekundete Gerwin Überraschung, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. „Wir sind uns also einig, so vorzugehen?“

      Viator nickte. Weil inzwischen auch die übrigen Gefährten näher gerückt waren und zumindest ein Ohr dem Streit der Anführer liehen, hörten sie, was ihnen bevorstand. Wenn Viator nicht widersprach, machte ein anderer Einwurf kaum Sinn. Das Schweigen mündete in Zustimmung.

      Von diesem Gespräch an herrschte Klarheit. Somit war es nicht unbedingt erforderlich, stets beieinander zu hocken. Es war ohnehin schon sehr beengt auf der Liburne.

      Für Boiuvarios Mannschaft reichte der Platz und die Männer, aufeinander eingeschworen, wussten mit der Enge umzugehen.

      Hinzu kam, dass sich die Mannschaft im Rudern abwechselte.

      Flussab zu fahren, war keine Schwierigkeit, flussauf aber bedurfte es der Kraft rudernder Arme. Mit der Dämmerung legten sie am Ufer an, errichteten ihre Zelte, kochten Brei und tranken Wein mit Wasser. Am Morgen wurde abgebaut, ein kurzes Frühstück eingenommen und schon griffen starke Hände nach den Rudern. Es war ein Gleichklang in allen Handlungen, der sich täglich wiederholte.

      Am dritten Tag ergriff Boiuvario Gerwins Arm und zog ihn in den Bug, um dort auf den Hermunduren einzureden. Zuerst schien sich der Hermundure zu wehren und die gesprochenen Worte abzulehnen, dann aber willigte er ein. Er versammelte seine Gefährten, um ihnen Boiuvarios Wunsch mitzuteilen.

      „Boiuvario unterbreitete mir einen Vorschlag für schnelleres Vorankommen…“ eröffnete Gerwin die Mitteilung. „Wir sollten uns in alle Verrichtungen der Mannschaft einfügen…“ fügte er zögerlich an.

      „Wie meinst du das?“ fragte Sexinius.

      „Rudern, Wache, Zubereitung Essen, Schlafen… Wir sind keine Herren, die ob der zahlreichen Tage in Müßiggang fett werden, wenn die Mannschaft sich abquält… Bringen wir uns in allem ein, reisen wir schneller, weil frische Kräfte am Ruder zügiger vorwärts kommen… Boiuvario kann dann die Zeiten der Rudernden verkürzen und dafür ein höheres Tempo erzwingen… Ich halte den Gedanken auch aus einem anderen Grund für wichtig…“

      „Welchen, großer Hermundure?“ fragte Notker.

      „Die Beschäftigung hält euch in Bewegung und damit in einem guten Zustand, den ich bei weiterem Müßiggang anzweifeln muss… Außerdem sehen die Männer der Besatzung in uns keine überheblichen Kerle und beginnen sich nicht, an unserer Trägheit zu reiben… Boiuvario sieht da eine Gefahr, die mich zwar weniger berührte… Dennoch hat er recht.“

      „Warum denkst du das?“ warf Irvin ein.

      Seine Männer sind Kelten unterschiedlicher Stämme, Germanen und auch Römer… Deren Kanten sind abgeschliffen und jeder der Kerle weiß, dass sein Gefährte für ihn einsteht… Doch wir sind auch Römer, Hermunduren und Chatten… Er befürchtet das Aufbrechen von Widersprüchen…“

      „Unsinn, oder fürchtest du dich vor den Burschen?“ fragte Viator.

      „Sicherlich nicht mehr als du…“ knurrte Gerwin. „Andererseits frage ich mich, was uns mehr nutzt?“

      „Na, dann rudern wir eben mit!“ warf Notker ein „…nur solltet ihr dann Paratus neben oder vor mich setzen, damit ich mich hinter dessen breiten Schultern verbergen kann…“

      „Nichts da, gerade dir könnte ein wenig mehr Kraft gut tun!“ grinste Gerwin. „Sieh dir doch einmal Boiuvarios Prachtburschen an…“ und brach in Lachen aus.

      Von diesem Tag an ruderten die Römer, Hermunduren und Chatten mit und es konnte keiner aus der Besatzung mehr Maulen oder gar Knurren. Das dies anfangs nicht ganz reibungslos lief, lag in der Kunst des Gleichklangs der Bewegungen.

      Notker war der Stein des Anstoßes. Zu klein, zu wenig Kraft, zu schnell aus dem Rhythmus und schon fing der Praeco an zu meckern. Zu Anfang ließ dies der junge Hermundure über sich ergehen. Dann glaubte sich der Rudermeister Argelastus einmischen zu müssen.

      Das Besondere daran war, dass Argelastus, ebenso wie Notker, Hermundure war. Deshalb glaubte er dem Jüngeren sagen zu dürfen, dass er ein Schwächling sei, keine Kraft, keinen Verstand und keinen Ehrgeiz habe… Soweit war dies für Notker hinnehmbar, weil es in der Mehrzahl den Tatsachen entsprach.

      „Ich kann mir nicht vorstellen, wo dein Nutzen liegt, du Zwerg… Was kannst du schon bewirken, wenn deine Gefährten in einen Kampf müssen… Wir sollten dich über Bord werfen, hätten dann Ballast verloren und kämen somit schneller voran…“ Ob dieser Vorschlag ernst gemeint oder im Scherz gesprochen war, blieb vorerst im Dunkeln.

      Notker grinste nur. Der weit Größere betrachtete dies als eine Herausforderung und griff nach dem Kleineren…

      Plötzlich steckten in beiden Händen des Riesen zwei kleine Wurfmesser. Diese heraus ziehend und zwei Schritte rückwärts tretend, waren ein flüssiges Manöver. Der Große brüllte wie ein mordlüsterner Bulle. Er stürzte auf Notker zu.

      In diesem Augenblick stand Gerwin vor ihm und lächelte.

      „Noch Hermundure lebst du…“ sagte dieser „… doch trete ich

Скачать книгу