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versuchte nach Gerwin zu schlagen, doch der Jüngere wich geschickt aus, so dass die Versuche scheiterten.

      „Argelastus!“ Boiuvarios Ruf ließ den großen Hermunduren erstarren.

      „Schon wieder deine verdammten Pfoten und Messer darin…“

      Boiuvario stand nach wenigen Sprüngen neben seinem Rudermeister und stieß diesen zur Seite.

      „Verschwinde!“ zischte der Trierarch und stand nun Gerwin gegenüber.

      „Verzeih Gerwin, genau dies wollte ich verhindern, begannen einige meiner Männer zuvor bereits zu murren. „Diesen Ausgang sah ich nicht voraus… “

      „Ich ebenso nicht! Trotzdem bin ich nicht verwundert, gibt es doch zu viele große, mutige und manches Mal auch dumme Kerle, die meinen kleineren Freund unterschätzen… “

      „Ich weiß…“ stöhnte Boiuvario. „Was machen wir nun?“

      „Ich flicke deinem Riesen die Hände und erkläre ihm, dass er sich besser von Notker fernhält… Meinst du, dein Rudermeister lässt das über sich ergehen?“

      „Ich denke schon, zumal es nicht zum ersten Mal geschieh, dass seine Hände zerstochen wurden… Gehen wir zu ihm!“

      Sie drängten zum Heck, wohin sich der Rudermeister verzogen hatte.

      „Argelastus, zeige Gerwin deine Hände!“ forderte der Trierarch.

      „Er soll verschwinden, sonst mache ich Kleinholz aus ihm…“

      „Das Rudermeister, gelingt dir nicht einmal mit gesunden Händen!“ fauchte der Trierarch. „Der junge Kerl vor dir ist die ‚Klinge der Hermunduren’! Ich frage mich, warum du dies nicht weißt?“

      „Der Kleinere, der dir so in dein Gemüt stach, nennt sich Notker und wenn du mich flicken lässt, was er zerstach, erzähle ich dir einen Teil unserer Geschichte… Was sagst du?“ verkündete Gerwin selenruhig.

      „Du kannst ihm vertrauen, Argelastus… Gerwin lernte dies von Wilgard. Er wird dafür sorgen, dass du schnell und gründlich vergisst…“

      Wilgards Name und deren Fähigkeiten schienen dem verletzten Hermunduren bekannt zu sein.

      „Du bist die Klinge der Hermunduren? Du bist doch auch nur ein junger Bursche…“

      „Eben, dies ist das Besondere an meinem Freund und mir… Ich hörte, du wärest ebenfalls Hermundure?“

      Der Größere, inzwischen sichtlich beruhigt, nickte. „Ich lebte als junger Kerl in der Bärensippe. Wir siedelten an den Quellen der Salu…“ Er schwieg und konnte seinen Blick nicht vom deutlich Jüngeren reißen.

      „… bis mich eines Tages Römer fingen, Sklavenjäger…“ fügte er grinsend an.

      „Dann verbindet uns ein gleiches Schicksal… Wie lange ist das her?“ merkte Gerwin an.

      „Weiß nicht so genau, habe zuerst nicht mitgezählt… Kann mich aber erinnern, dass wir uns auf eine Schlacht mit den Chatten vorbereiteten… Ich stand Wache am Dorf, als mich die römischen Hunde fingen…“

      „Und dann…“ Gerwins Neugier war geweckt. Er reinigte die Wunde vom Schmutz, beseitigte Blut, ließ sich von Viator dessen Nadel geben und nähte die verwundeten Hände des Rudermeisters. Der Verletzte zeigte keinen Schmerz. Er erzählte einfach weiter.

      „Ich landete in einer Gladiatorenschule nahe Augusta Treverorum…“

      „Wie alt warst du?“ unterbrach ihn eine Stimme, die aus seinem Rücken an sein Ohr gelangte.

      „Weiß nicht, vielleicht zwanzig Winter…“

      „Ich war noch keine vierzehn Winter, als sie mich jagten…“ fügte die gleiche Stimme an.

      Argelastus konnte sich nicht zum Sprecher umwenden, glaubte aber die Stimme des Zwerges zu vernehmen.

      „Wie bist du entkommen?“ fragte der hermundurische Riese

      „Zuerst zwängte ich mich im Stall ins Heu einer Futterraufe. Von dort sah ich meinen Bruder sterben. Sie brannten das Haus nieder. Wollte ich nicht verbrennen, musste ich raus. Aber wie? Sie tobten vor dem Haus und jagten hinter dem Haus, zum Wald zu. Ich glitt durch die Jaucherinne bis zur Grube und plumpste hinein. Dort suchten sie nicht!“

      Notker schwieg und trat vor den Großen. „Es tut mir leid… Ich kann nicht kämpfen, nur töten… Wäre Gerwin nicht vor mich getreten, hätten dich meine Messer vernichtet…“ Er wirkte betreten. „Es wäre deinen Tod nicht wert gewesen und für mich unehrenhaft…“ fügte er verlegen lächelnd an.

      „… unehrenhaft… Du bist doch nur ein Zwerg… Ich hätte dich mit nur einer Hand erwürgt…“ verkündete der Größere erstaunt.

      „Sieh, Rudermeister!“ Notker zog so schnell seine Dolche und jagte diese in den Mast der Liburne, dass alle diese acht Waffen, auf der Größe einer Handfläche, zusammentrafen.

      Notker ging und holte seine Dolche. Diese verstaut, kehrte er zurück.

      „Du wärst nie zu mir herangekommen…“ verkündete er leise. „Möchtest du das traurige Ende meiner Geschichte erfahren?“

      Der große Hermundure nickte.

      „Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre in der Jauchegrube ersoffen… Kannst du dir diesen Tod vorstellen?“

      „Aber du kamst heraus, sonst würdest du nicht vor mir stehen…“ grinste der Größere.

      „Ja, mit letzter Kraft…“ gab Notker leise zu. „Hätte ich damals mit Messern schon so umgehen können, wäre mir das erspart geblieben…“

      Der Verletzte nickte. „Verzeih auch du mir! Es war unbedacht, überheblich und verletzend, dich zu beschimpfen. Diese Verletzungen sind nicht deine Schuld, sondern meiner Dummheit zuzurechnen…“

      Gerwin war fertig. Die Stiche vorn und hinten, in beiden Händen, waren vernäht.

      „Gib mir deine Hände und erwarte Schmerz! Das austretende Blut lass trocknen… Es sorgt dafür, dass die Wunde rein bleibt!“

      Vorsichtig drückte Gerwin an jeder Naht, bis leicht Blut aus der Haut hervordrang. „Du sagst, deine Heimat wäre die Bärensippe?“ fügte er seiner Handlung an.

      „So ist es! Du kennst die Sippe?“

      „Der schwarze Ragin war ihr Hunno… Ein sehr tapferer Mann…“

      „Ragin, sagst du…“ wunderte sich der große Hermundure.

      „Warum schwarzer Ragin…“ fügte er zögernd und sich wundernd an. „Es gab unter den Jüngeren der Sippe nur einen Ragin… Es muss mein jüngerer Bruder sein… Lebt er?“

      „Wenn Ragin dein Bruder ist, dann trug er nicht nur schwarzes Haar, sondern auch einen ausgeprägten Bart!“ beharrte Gerwin auf seiner Feststellung.

      Argelastus schien von einer Göttin wach geküsst. „Mein Bruder lebt!“ verkündete er vor Freude strahlend und vergaß seine verletzten Hände.

      „…zumindest dann, wenn deinen Bruder eine eigenartig hohe Stimme auszeichnete. Woher hat er diese?“ drang Gerwin in den Rudermeister.

      „Gerwin, das ist eine gute Botschaft… Ich scheute mich heimzukehren, als ich die Gelegenheit besaß… Vater und Mutter sind längst tot. Wenn mein Bruder jedoch lebt, gibt es einen sehr guten Grund… Die Stimme, ach seine Stimme…“ Argelastus war nicht nur seine Überraschung, sondern auch Freude anzusehen. Eine Bemerkung zur Stimme vermied er jedoch.

      „Du schuldest mir das Ende deiner Geschichte…“ griff Gerwin in den Freudentaumel des großen Hermunduren ein.

      „Was, wie… ach so…“ Er besann sich.

      „Ich kämpfte dreimal in der Arena in Augusta Treverorum. Beim ersten

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