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den Nähten geht, frag ihn, ob er nit Nadel und Zwirn auch braucht und vielleicht ein bissel Stiefelwichs auf die fadenscheinigen Näht'! Geht ja doch nur wieder in die Regierungsgassen, macht einen krummen Buckel, bittet, daß sie ihn nach Theuern lassen auf ein, zwei Täg. So einer!« Und ihre roten Arme plätscherten geschäftig im Holzfasse.

      Der Roßbub kam pfeifend aus dem Stalle.

      »Du, Hannes, dem da droben sollst einen Krug Wasser bringen,« sagte die Schwarze und fuhr mit den getrockneten Händen bedächtig wieder ins Holzfaß. »Hast's gehört, Dickohreter?«

      »Dem Herrn Portner von Theuern?« fragte der Bub und blieb stehen.

      »Ja, dem vornehmen Herrn,« grinste die Magd.

      »Weibervolk, dumm's,« knurrte der flachshaarige Roßbub und rannte ins Haus. »Weiberleut'! Lachen da und rühren sich nit, wenn doch der Herr Portner Wasser haben will!«

      Da kam wieder einer aus dem Stall, einer in hohen Reiterstiefeln, sporenklirrend, mit krebsrotem Gesicht.

      »Der klappert auch, als wollt' er gleich jetzt mit dem Feind raufen und wütig dreinschlagen, dem Portner sein Knecht!« lachte die Rote, fuhr aus dem Zuber und stemmte die triefenden Arme in die Seiten»

      »He, du, warum denn gar so stolz heut?«

      »Ja, dreinschlagen!« sagte der Knecht und pflanzte sich vor das Weibsbild hin. »Da soll gleich – so ein Maul. Ei, da fall' ich doch lieber in ein Jauchenfaß als in ein solches Schandmaul. Ja, dreinschlagen!« Und er zog aus und schlug der Roten eine Schelle auf den Backen, daß sie stöhnend mit den nassen Händen ins Gesicht fuhr.

      Wortlos wandte sich der Held und klirrte ins Haus und hinaus auf die Gasse, und der Hof hallte vom Schimpfen und Schreien der Mägde.

      »Soll ich Euch helfen, Herr?« fragte der halbwüchsige Roßbub.

      »Laß nur, das thu' ich selber, Hannes.«

      Die Thüre pfiff, und draußen knarrten die Bretter.

      ›Was braucht er sich die alte Hose und das mürbe Wams in der Nähe zu betrachten?‹ murmelte Portner. ›O Junker von Theuern!‹ setzte er bitter hinzu, während er das Wams vom Leibe zog. ›Aber das Bild paßt in den Rahmen. Und der Geruch in dieser Spelunke – pfui! Gestern vielleicht ein Handwerksgeselle, vorgestern ein Gartknecht und heute der Junker. Warum auch nicht? Es brodelt ja doch alles durcheinander in dem Hexenkessel.‹

      Er legte das Wams über eine Stuhllehne.

      ›Portner,‹ sagte er nachdenklich und blickte auf den großen Weihbrunnen, der neben der Thüre hing, ›kann's nicht einst kommen, daß du noch recht zufrieden wärst mit solcher Spelunke?‹

      Dann begann er zu bürsten und zu bürsten.

      ›Der Mathes hätt's doch auch besorgen können. Wie dumm! Wo steckt er denn?‹

      Und er bürstete. –

      Ein großer, heißer Tropfen fiel unversehens auf das Tuch.

      ›Auch noch!‹ brummte Hansjörg. ›Wasser auf Staub giebt Schmutz.‹ Er wischte mit dem Rücken der Linken unwillig über die Augen. Dann aber lachte er kurz auf: ›Was fällt dir ein, Portner? Das ist ja dein Trost bei der ganzen Geschichte, daß kein Schmutz auf deinem armseligen Wamse liegt. Dein einziger Trost. – Dein einziger? – Ja!‹ sagte er laut und trotzig. –

      Es war, als liefe jemand in Strümpfen die knarrende Stiege empor, hastig, immer zwei Stufen auf einmal, und die Bretter vor der Thüre ächzten, die Klinke pfiff, und ein angstvolles feistes Gesicht schob sich in die Kammer.

      »Herr Portner, Herr Portner, zwei Einspännig' fragen nach Euch.«

      »So sag ihnen, wo ich zu treffen bin, Herbergsvater,« antwortete Hansjörg und bürstete.

      Der kleine, dicke Kerl aber zwängte sich vollends durch den Spalt und drückte hinter sich die Thüre ins Schloß.

      »Herr, Ihr wißt ja, recht gern, recht gern; und bezahlt bin ich ja auch immer worden. Aber, Herr, Ungelegenheiten kann sich unsereiner auch nit machen lassen. Ihr werdet mich ja wohl verstehen, wenn Ihr die Lizenz ins Land herein nit habt.«

      »Was willst du denn?« fragte Portner drohend und richtete sich auf.

      »Das ist jetzt eine böse, geschwinde Zeit,« sagte der Wirt und warf einen schiefen Blick auf das Wams des Junkers. »Gestern hat mir der Einspännig aus der Kammer da einen Handwerksgesellen arretiert als einen Dieb. Heut kommen ihrer zwei und arretieren mir wieder einen aus der Kammer da. Alles, was recht ist, gern, gern; aber mehr –?«

      Dunkelrot wurde Portners Angesicht. »Wo sind die Schergen?« herrschte er den Wirt an, fuhr in sein Wams und packte seinen Degen.

      »Herr,« sagte dieser drohend und öffnete sachte die Thüre hinter sich, »alles, was recht ist, aber laßt Euch nit beifallen, daß Ihr der Obrigkeit Gewalt entgegensetzt in meinem Haus! Da kommen sie schon.«

      Verächtlich schob ihn Portner aus der Stube und trat auf den Vorplatz.

      Polternd tappten die Schergen herauf.

      Der eine von ihnen räusperte sich: »Seid Ihr der Portner?«

      Einen Augenblick war alles ganz stille. Nur aus dem Hausflur unten kam ein Geräusch, als schlichen viele Leute zur Stiege und flüsterten.

      »Ich bin der Junker Portner von Theuern,« sagte Hansjörg.

      »Dann seid Ihr schon der Rechte – wir sollen Euch verarretieren.«

      »Warum?«

      »Habt Ihr die Lizenz? Was wollt Ihr im Land herinnen?«

      »Ich habe ein Geschäft mit dem Oberforstmeister.«

      »Warum – darum!« sagte der andre. »Den Degen her – die Hände vor!«

      »Ich bin ein Edelmann!« rief Portner.

      »Edelmann – Bettelmann,« sagte eine Weibsperson hörbar auf halber Stiege und reckte ihr verschwollenes Gesicht aus der Tiefe.

      »Macht's kurz!« befahl der erste Einspännig mürrisch. »Wir zwei haben alleweil nit viel Zeit übrig.«

      »Wer hat's befohlen?« fragte Portner unschlüssig.

      »Geht Euch zwar nichts an, aber Ihr sollt's doch wissen: Befehl vom kurfürstlichen Regiment.«

      »Gut,« erklärte Portner, »dann wird sich's bald zeigen. Ich gehe voraus, ihr könnt hinter mir kommen – aber zwanzig Schritt vom Leibe, bitt' ich mir aus. Vorwärts!«

      »Glaub's Euch wohl,« sagte der andre und klapperte ungeduldig mit den Handschellen; »ist aber gemessener Befehl, daß wir Euch binden.«

      »Und ich soll am helllichten Tage zwischen euch durch die Gassen gehen?« fragte Portner mit zornbebenden Lippen.

      »Ist gemessener Befehl.«

      Portner sann einen Augenblick. Dann warf er den Degen auf die Dielen, daß es krachte, wandte den Kopf und streckte die Hände hin. »Was kann ich gegen die Gewalt?«

      »Vorwärts!« befahl der Einspännig und wies nach der Stiege.

      »Mit meinem Knechte muß ich noch reden,« sagte Portner und blieb stehen.

      »Geht stracks gegen den Befehl. Vorwärts!«

      Es klang wie verhaltenes, grimmiges Stöhnen, und schwerfällig schritt der Gefangene zur Stiege.

      »Platz da!« geboten die Schergen, und flüsternd und zischelnd drängten sich die Leute im dämmerigen Hausflur.

      *

      In den hallenden Korridoren der kurfürstlichen Regierung zu Amberg rannten die Regimentsboten mit ihren Aktenfascikeln wie alle Tage, und an den kahlen Wänden drückten sich fröstelnde Bittsteller und warteten mit bleichen Gesichtern und spähten sehnsüchtig nach den verschlossenen Thüren wie alle Tage. In den Amtsstuben raschelten

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