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Er ist dir ja doch so wohlgewogen? Darf ich den Arzt bestellen, Ignaz?«

      »Mir hilft kein Arzt, Mutter.«

      »Wenn du aber doch Fieber hast?«

      »Ja, Fieber, Mutter, heiße, heiße Glut, nimmer zu löschen als nur von einer einzigen – ja, wenn die da herein käme und die Arme um mich schlänge, ja, Mutter, dann –«

      Der junge Mann war aufgesprungen.

      Ueber das Antlitz der Mutter glitt ein froher Schimmer: »O das ist's, Ignaz? Ein Weib? Dann wird ja alles gut!«

      »Nichts wird gut, Mutter.«

      »Ei, warum denn nicht? Ist sie deines Standes nicht wert?«

      Kriemhofen trat vor die alte Frau, sank auf seine Kniee und barg das Haupt in ihrem Schoße. Liebkosend streichelten die runzeligen Hände das Haar, und stoßweise kam's von seinen Lippen: »Sie ist gewachsen wie eine Königin, und schwarz ist ihr Haar und hoch die weiße Stirne, und blaue Augen, denke nur, blaue Augen, große, blaue Augen hat sie dazu, und diese Lippen, diese purpurroten Lippen – und, Mutter, wenn sie käme und schlänge die Arme um mich, und ich könnte diese Lippen küssen – Mutter, es ist mir, als wäre verzehrendes Feuer in meiner Brust –«

      »Du hast Fieber, mein armes Kind. Aber laß gut sein! Du darfst ja doch nur hingehen und die Thüre öffnen –?«

      Der Sohn hob das bleiche Haupt und lachte bitter.

      »Sie wird ja doch eine solche Liebe nicht verschmähen? Alles wird gut. Ist sie von Adel? Ja? Nun also, was grämst du dich? Und wenn sie arm wäre – sag, sie ist wohl arm?«

      Er lachte abermals bitter auf: »Arm? Und könnte mich reich machen durch einen einzigen Blick.«

      »Also, also! Geh hin, mein Sohn, und sag ihr's und nimm sie an dein Herz. Und wenn sie arm ist an irdischem Gute, was braucht's uns zu kümmern? Sei gesegnet und geh hin. Mir ist, als könne ich wieder einmal sorglos atmen seit langen Wochen.«

      Der Mann stöhnte: »Und wenn sie mich nicht wollte, Mutter?«

      »Nicht möglich!« rief diese zornig.

      »Wenn mir ein andrer zuvorgekommen wäre, Mutter?«

      »Dann geh hin und schlag den andern aus dem Felde!«

      »Und wenn sie mich schon zurückgestoßen hätte, Mutter?«

      »Dann spotte ihrer! Ein Mann wie du! Strecke die Hand aus – allerorten giebt's Weiber, die sich segneten!«

      »Aber eine solche giebt's nicht zum zweiten Male, Mutter!«

      »Ach was!«

      »Nein, Mutter!«

      »Ignaz – sag – ist sie unsers Glaubens?«

      Er schwieg.

      »Heilige Muttergottes, Ignaz, so sprich doch!«

      Er schwieg, stand auf und trat ans Fenster.

      Auch sie erhob sich, faltete die Hände unter der Brust und blickte angstvoll hinüber zu ihm.

      »Es kommt jemand die Stiege herauf,« sagte sie tonlos und schlich in die Nebenstube. –

      ›Und wenn sie erst wüßte, daß ich mich den Teufel schere um ihre Religion,‹ murmelte der Mann am Fenster. ›Was bedeutet das noch, wenn einer vom Feuer gefressen wird wie ich? – Herein!‹

      Der Kerkermeister vom Fuchssteiner trat in die Stube. »Einen Brief hätt' ich vom Portner, Euer Gnaden.«

      »Gieb her! – Was sonst?«

      »Alleweil gleich, Euer Gnaden. Halsstarrig bis dort 'naus. Im Anfang, Euer Gnaden, ist's ihm schon zu Herzen 'gangen. Da hab' ich ihn oft stöhnen hören und mit ihm selber reden. Seit vierzehn Tagen, drei Wochen aber ist er wie ausgewechselt. Sagt, es gefall' ihm justament im Fuchssteiner, wenn er anders noch länger gefangen sein müßt', am besten.«

      »Hast ihm Bücher hineingeschafft?« fragte der Sekretär drohend.

      »Wie werd' ich, Euer Gnaden! Keinen Buchdeckel!«

      »Schreibt er viel?«

      »Wenn er ans kurfürstliche Regiment schreiben will, bekommt er Feder und Tinte und einen Bogen Papier. Ist er fertig, wird alles hinausgeschafft.«

      Kriemhofen öffnete den Brief. Es lag ein zweites Schreiben darinnen.

      »Wann ist dieses Schreiben gekommen?«

      »Vor dem Essen,« sagte der Kerkermeister.

      Der Sekretär griff in die Tasche und hielt dem Menschen ein großes Geldstück hin. »Es ist gut. Eng halten!«

      Das Gesicht des Kerkermeisters verzog sich, während er nach dem Geldstücke griff:

      »Könnt Euch verlassen, Euer Gnaden!«

      Mit schweren Schritten ging der Mensch die Stiege hinunter, am Fenster aber stand der Sekretär, hielt mit zitternden Händen das Schreiben und las mit gierigen Augen:

      »Dem wohledeln, gestrengen Hans Georg Portner von Theuern, meinem in Ehrengebühr freundlichen, vielgeliebten Herrn Bruder zu eignen Händen.«

      ›Bruder!‹ murmelte der Sekretär.

      »Demselben sind meine jederzeit willigen Dienste und Gruß zuvor, freundlicher, vielgeliebter Bruder, ich habe aus seinem Schreiben mit hocherschrecklichem und sehr betrübtem Herzen vernommen, daß ihm von kurfürstlicher Regierung zu Amberg die Ursache, daß ich nicht will katholisch werden, gegeben wird und er daher in so langwährendem Arreste verbleiben muß, da ich doch durch Gott bezeugen kann, daß er hieran keine Schuld habe. Sondern dieweil ich's in meinem Gewissen je und einmal nicht befinden kann, wie ich auch meinem Herrn Vater gesagt habe, als ich noch zu Zant war: so komme ich nimmermehr nach Amberg, werde auch nicht katholisch, man mach's mit mir, wie man will. Denn ich habe vorher lang müssen in Amberg verbleiben und bald von diesem, bald von einem andern höhnische und spöttische Worte genug müssen anhören. Käme ich wieder hinein, es würde mir wohl noch besser gemacht werden. Und wundert mich sehr von meinem Herrn Vater, daß er solches der kurfürstlichen Regierung nicht berichtet hat, also daß der Herr Bruder so lang und so gar unschuldigerweise in Arrest verbleiben muß, wo er doch gar keine Schuld an meiner Abwesenheit hat. Sondern, wie vorgemeldet, dieweil ich's in meinem Gewissen nicht befinde, kann ich mich zur katholischen Religion nicht bequemen, es geschehe gleich wie der liebe Gott will. Welches ich dem vielgeliebten Herrn Bruder nicht habe verhalten können, ihn daneben freundlich, ehrengebührlich grüßend und Gott treulich befehlend. Datum Hilpoltstein, den 29. Oktober 1629. Eure getreue Dienerin und Freundin, weil ich leb', Ruth von Zant. Pferd', mich nach Amberg zu bringen, wollt Ihr mir schicken? Ach, wollt Ihr denn wünschen, daß ich, da Gott gnädig vor sei, in Verzweiflung sollte geraten, dieweil ich's über mein Gewissen nicht bringen kann, von meiner Religion abzuweichen?«

      Kriemhofen stöhnte:

      ›Und da ist die Hand aufgelegen und hat Zeile für Zeile geschrieben! – Und was alles zwischen drinnen steht!‹ Und er preßte seine Lippen auf den Brief, andächtig, als wär's eine heilige Reliquie.

      *

      Es war spät am Abend. In seiner finsteren Zelle ging Hansjörg auf und nieder und zählte seine Schritte.

      ›Eins, zwei, drei –‹

      Er blieb stehen, ballte die Fäuste und flüsterte:

      ›Ach, wollt Ihr denn wünschen, daß ich, da Gott gnädig vorsei, in Verzweiflung sollte geraten?‹

      Er lachte leise auf und faltete die Hände, daß sich die Fingernägel ins Fleisch gruben:

      ›Wenn es überhaupt noch einen Gott da droben giebt.‹

      Stille stand er und grübelte.

      ›Nur einen Stumpen Licht, nur so lang wie mein Daumen! Aber leise, Hansjörg, leise! Zantner, es giebt noch andre Foltern als Daumenschrauben

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