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möchte dir helfen, Ruth.«

      »Was kannst du mir helfen in meiner Qual?«

      »Qual? Aber sage, Ruth, sind sie denn nicht freundlich gegen dich, die Patres?«

      »Nicht freundlich, Osann? O, sie sind freundlich, Osann, sie sind sogar sehr freundlich, ja, sie sind furchtbar freundlich, Osann!«

      »Nun also, Ruth! – Aber pfui doch, Mieze, garstiges Tier! Da schau, Ruth, wie sie mir die Hand zerkrallt hat. Pfui, Mieze, geh weiter!«

      Ruth zog ihr Taschentuch und trocknete die Blutstropfen: »Und sie ist doch immer so freundlich, Osann?«

      »Die Katze, Ruth? Ja, die Katze ist eben eine Katze,« lachte die Hegnerin.

      »Nun also,« murmelte Ruth.

      »Komm,« sagte die Hegnerin und zog das Mädchen an die Bank unter dem rundbogigen Fensterlein, »laß doch einmal recht vernünftig mit dir reden! – So, da säßen wir. Das ganze Haus ist leer, und kein Mensch wird uns stören. – Sieh, Ruth, endlich mußt du ja doch einen Entschluß fassen.«

      »Den habe ich längst gefaßt.«

      »Ach, Ruth, längst? Dann ist er gewiß nicht der rechte.«

      »Doch, Osann!«

      »Nein, Ruth!«

      »Doch, Osann!« Das Mädchen preßte die gefalteten Hände zusammen. »Ich halt's nimmer aus. Tag für Tag die Qual, Tag für Tag das Unterweisen – ach, Osann, wir beide verstehen uns ja doch nicht.«

      »Und habe ich nicht das alles auch durchgemacht, liebes Kind?«

      Ruth schwieg.

      »Freilich, so dunkel habe ich das Ding nicht geschaut. Im Gegenteil! Es waren ganz unterhaltliche Abende, wenn der Pater kam. Er ist so weit gereist und hat so viel gesehen. Und als ich dann glücklich informiert war, hatte ich ordentlich Zeitlang nach den Abendbesuchen des freundlichen Mannes.«

      »Und hast du keinen Augenblick in deinem Entschlusse geschwankt?« fragte Ruth.

      »Hätte ich vielleicht emigrieren und von meinem Hegner fort ins Elend gehen sollen, Ruth?« Die blonde Frau lachte unhörbar. »Aus dem alten, behaglichen Hause? Was war da übrig? Nein, Ruth, niemals. Ich bin eben anders als du. Ich lasse mich tragen vom Leben. Ach, liebe Ruth, laß dich auch tragen!«

      Das Mädchen rückte unmerklich von ihr ab.

      »Gelt, es graut dir vor meinem Leichtsinne?« lachte die Hegnerin und umschlang Ruth. »Ein Thor,« flüsterte sie mit heißem Atem, »wer das Leben gering achtet. Ist ja so kurz! Leben, sich lieben lassen, die Sorgen verscheuchen, die Augen verschließen vor dem Häßlichen, das Harte umwinden mit üppigem Laube, die Jugend genießen, leben! Oder nicht, Ruth? Also, geh morgen zu deinem freundlichen Lehrer und sag ihm mit lächelnden Lippen, es sei dir alles recht, und komm zurück, lebe und liebe. Na, brauchst nicht so zucken! Was haben denn die Deinen andres gethan?«

      Ruth schluchzte auf.

      »Heilige Jungfrau, so war's nicht gemeint, Ruth! Komm Ruth, nicht weinen, Ruth! Weinen macht die Augen trübe. Nicht weinen! – Die Augen brauchst du, Ruth. Ich sag's ja, du kennst dich gar nicht und deine Macht. Das Leben drängt sich heran zu dir, und du merkst es nicht. Ein Geschöpf wie du, zum Leben und zur Liebe geboren!«

      Ruth versuchte, sich frei zu machen.

      »Nein,« flüsterte die Hegnerin und schlang die Arme fester um sie; »du entkommst mir heute nicht, Ruth. Zum Leben und zur Liebe geboren, aber nicht zum Grübeln und Verwelken. – Hängt dein Herz immer noch an diesem Portner – sag?«

      Ruth schwieg.

      »Ich hasse ihn, diesen Portner,« grollte die junge Frau. »Will er denn besser sein als wir Konvertiten? Der Portner ist schuldig des ganzen Unglücks.«

      »Du irrst,« sagte Ruth.

      »Nein, er ist's!« rief die Hegnerin. »Und wenn er heute konvertierte –?«

      »Ich habe dir und allen, die es hören wollen, gesagt, du irrst.«

      »Und was kann er dir bieten, Ruth?«

      »Sich selbst,« kam die Antwort zurück.

      »Sich selbst!« sagte die Hegnerin. »Das lautet so groß und gewichtig und ist am Ende doch nichts andres als eine staubige Landstraße und ein Stück schimmeligen Brotes. Nein, Ruth –!«

      »Laß mich!« bat das Mädchen.

      »Liebe Ruth, herzliebe Ruth!« schmeichelte die junge Frau. »Sich selbst – das ist zu wenig. Haus und Hof und Stellung und Ehrenämter, das alles ist's, was den ganzen Mann bedeutet, und bei der größten Hingabe lieben wir doch zuletzt und zuerst im geheimen auch alles dieses an ihm.«

      »Ich glaube, wir werden uns niemals verstehen, Osann.«

      »Und wenn nun einer vorhanden wäre, liebes Kind, ein schöner, stattlicher Mann, reich und angesehen,« flüsterte die Hegnerin, »wenn nun ein solcher vorhanden wäre und sagte: alles, was ich bin und habe und meine glutheiße Liebe –?«

      Die Hegnerin hielt inne, löste die Arme von dem Mädchen und stand auf: »Einen Augenblick, Ruth!«

      Sie ging hinter die Stiege und brachte einen Strauß roter Rosen: »– meine Liebe, glutrot wie diese Blumen, lege ich vor deine Füße,« vollendete sie und legte ihr den Strauß in den Schoß.

      Der Thürklopfer wurde gerührt, und die Hegnerin spähte durchs Guckloch auf die Gasse. »Wie in der Komödie!« sagte sie lachend und öffnete die Thüre. »Eure Rosen sind an ihr Ziel gekommen, Herr von Kriemhofen.«

      »Süßeres könnten mir Eure Lippen nicht verkünden,« sprach der kurfürstliche Sekretarius und verneigte sich tief. Dann legte er die Rechte aufs Herz und verneigte sich vor der Zantnerin.

      Diese erhob sich, und der Strauß fiel auf das Pflaster. Mit flüchtigem Nicken erwiderte sie den Gruß und wandte sich zum Gehen.

      Hastig bückte sich Kriemhofen und reichte ihr die Blumen. Doch Ruth sagte kühl: »Ich glaube, sie gehören meiner Base, Herr von Kriemhofen.«

      »Nein, nein, nein!« lachte die Hegnerin, glitt durch die Halle und huschte die Stiege hinaus. »Nein, nein!« kam's wie silbernes Schellengeklingel vom obern Stockwerke – das Rauschen eines Kleides – und dann waren die beiden allein.

      Unschlüssig stand Kriemhofen mit dem Strauße in der Hand. »So leget ihn auf die Bank, Herr!« sagte Ruth und ging zur Stiege.

      »Verzeiht!« rief der Sekretarius und vertrat ihr rasch den Weg. »Ich habe einen Auftrag.«

      «Vom kurfürstlichen Regimente?« fragte Ruth und wich einige Schritte aus seiner Nähe zurück in die Ecke vor die Bank.

      »Darf ich Euch nicht unter vier Augen sprechen?«

      »Sprechet, es ist sonst niemand im ganzen Hause als meine Base!«

      »Noch immer zu viele Ohren,« murmelte Kriemhofen.

      »Ich kann Euch nicht verstehen, Herr.«

      »Zuerst muß ich fragen, ob Ihr Euch noch nicht zur römischen Religion bekennen wollt.«

      »Sparet Euch die Mühe!« sagte Ruth.

      »Ich weiß,« flüsterte Kriemhofen. »Aber es handelt sich doch wohl nur um diesen oder jenen strittigen Punkt. Könntet Ihr Euch nicht dennoch anders resolvieren?«

      »Sparet Eure Worte, Herr!«

      »Vergebt, edle Jungfrau, ich habe die schwere Pflicht, Euch von Amts wegen zu fragen.«

      Ruth besann sich. »So saget dem kurfürstlichen Regimente zum zwanzigsten Male, es gezieme meiner Einfalt nicht, mit solchen Subtilitäten und schweren Verantwortungen umzugehen; ich bäte, man wolle mich wider mein Gewissen nicht zwingen und mir die Abreise gestatten.«

      »Ihr müßt bewegliche Briefe an Eure Eltern geschrieben

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