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heiße Suppe geben, und dann aber marsch!«

      »Ahnfrau, das ist ja der Dechant, der hochwürdige Herr Dechant!« schrie die Magd.

      Heftig surrte das Rädchen, in sich zusammengesunken saß die Ahnfrau und murmelte vor sich hin:

      »Da versteh' ich schon rein gar nichts, rein gar nichts!«

      Noch einen Blick warf der Dechant auf seine uralte Schülerin, dann wandte er sich und ging aus der Stube. Die Magd folgte ihm.

      Auf der Stiege blieb er stehen, blickte die Magd fragend an, schüttelte den Kopf und fuhr mit dem Zeigefinger auf seiner Stirne herum.

      »O je,« sagte Rettl und lachte, »ist halt ein uralt's Leut und versteht einen alle Tag' schlechter.«

      »Drum, ich hab's gemerkt,« meinte der Dechant und ging die Stiege hinunter, schwang sich auf sein Tier und ritt aus der Burg ins Thal. Und zuweilen schüttelte er nachdenklich den Kopf und murmelte etwas vor sich hin.

      Die alte Frau aber war längst von ihrem Stuhle aufgestanden und ans Fenster gegangen. Und hastig öffnete sie die kleinen Flügel, trippelte an das Wandbrett und nahm das Büchslein mit der wohlriechenden Essenz und besprengte den Fußboden. ›Kein heuriger Has mehr‹, hat er gesagt? Ei, das weiß ich selber auch! Aber was muß er mir das ins Gesicht sagen, der Grobian, der Seelenfänger, der?« rief sie zornig, schnüffelte in die Luft, schloß das Fenster und setzte sich fröstelnd an ihr Spinnrad.

      Und das Rädlein surrte, die Scheiter im Ofen krachten, und die Vögel flogen wieder vors Fenster und pickten im Takte wie ehedem.

      *

      Der Dechant ritt auf seinem Esel zu Thale. Als er den Zant weit im Rücken hatte, zog er aus seinem Mantel ein Schreibbüchlein und schrieb mit Blei hinein:

      »Der Zantner ist mir höchst seltsamb fürkommen, hab' nicht recht sehen können, ob er im Ernst redet oder spöttlich. Aber auf Ostern will er sich accommodieren. Sonst niemand zu Hause angetroffen als die Frau Schwieger, mit der ich nichts anfangen können, als mit einem uralten, stocktauben und, wie mir's hat scheinen wollen, boshaftigen Weibsbild, das nimmer recht beisammen ist. Ich glaube, bei ihr läßt man die Unterweisung am besten auf sich beruhen.«

      Vertraulich.

       Inhaltsverzeichnis

      Im Glanze der sinkenden Sonne dehnte sich der langgestreckte Berg mit seinen zierlichen Gartenhäuschen, und der Blütenschnee seiner zahllosen Obstbäume schimmerte friedlich herab ins Thal. Ambergs rote Dächer waren noch feucht von einem linden Maienregen, goldgeränderte Wölklein schwammen im Aether, die Luft war erfüllt mit Wohlgerüchen, und in allen Hainen und Hecken und Büschen sangen die Vögel. Es war ein herzbewegend schöner Frühlingsabend.

      »Nicht so geschwinde, Kriemhofen!« sagte ein kleiner, dicker Herr und keuchte mit kurzen Schritten auf dem breiten Wallwege heran.

      Jählings wandte sich der kurfürstliche Sekretarius, zog den Hut und verneigte sich tief:

      »Um Vergebung, hätte ich eine Ahnung gehabt, daß der Herr Regimentsrat hinter mir kommt – um Vergebung!«

      »So aber rennt dieser Kriemhofen wie Achilleus auf dem kahlen Walle um das finstere Nest – und ich keuche in seinen Fußspuren sozusagen gegen jegliche Kleiderordnung!«

      »Gegen jegliche Kleiderordnung,« wiederholte der Sekretarius, und würdevoll schritt der Rat an seiner Seite dahin.

      »Ihr sucht die Einsamkeit, Kollega?«

      »Die Einsamkeit, der Herr Regimentsrat hat recht; es ist mir nicht gedient mit lärmenden Zusammenkünften, wie sie jetzt in Amberg Mode sind, Herr Regimentsrat.«

      »Ja, ich weiß, Kriemhofen, Ihr führt einen ehrbaren, eingezogenen Wandel. Aber da kann's auch nicht fehlen an wohlverdienter Beförderung zu seiner Zeit.«

      »Zu viel Gnade, Herr Regimentsrat, bin deren nicht wert,« murmelte Kriemhofen und zog den Hut. »Was ich bin und was ich etwa kann und was ich denke, das Beste schulde ich ja doch nur den freundlichen Patres von der Gesellschaft Jesu, die mich erzogen haben von langher.«

      »Ist schon recht, Ihr seid ein bescheidener Mann, ich weiß, was ich weiß, laßt nur! – Aber sagt, was mir vorhin aufgefallen ist, warum begrüßt Ihr Euch denn nicht mit den kurfürstlichen Offizieren?«

      »Ich – Herr – Regimentsrat? Ach ja, der Herr Regimentsrat wird den Trupp vorhin gesehen haben, an dem ich bedeckten Hauptes vorübergegangen bin, nahe beim Nabburger Thore?«

      »Versteht mich recht, Kollega, ich meine nicht, daß Ihr den gehorsamen Diener machen sollt vor der – der –« hier dämpfte der Regimentsrat seine Stimme – »der Soldateska –!«

      »Soldateska,« sagte der Sekretarius mit Nachdruck.

      »Könnte ja ohnedies einmal sich von ungefähr ereignen, daß einer von den Herren platzte vor Hochmut und seine Eingeweide verschüttete auf offener Straße, und hätte dann, ach und weh, Seine Kurfürstliche Durchlaucht einen Leutnant oder Rittmeister weniger.«

      »Weniger,« murmelte Kriemhofen.

      »Aber,« fuhr der Regimentsrat würdevoll weiter, »gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehung müssen ja doch aufrecht erhalten, Galle und Ueberbein vermieden werden, und da hättet Ihr denn vorhin wohl mit einem Ruck an den Hut fahren können, dann hätt's die andern zugleich gerissen, sie hätten ihre Hüte gelupft, Ihr hättet Euern Hut gelupft, und soweit dann die andern die Hüte gezogen hätten, hätte man ihn zuletzt auch gezogen.«

      »Gezogen, Herr Regimentsrat,« sagte Kriemhofen. »Aber halten zu Gnaden, der Herr Regimentsrat hat ja wohl den Rittmeister –«

      »Jawohl, der Rittmeister – na, fällt mir der Name nicht ein –, der war dabei, Kriemhofen.«

      »Der war dabei, und, Herr Regimentsrat, den grüß' ich nicht.«

      »Aber warum denn nicht, Kriemhofen?«

      »Halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, aber ich möchte ihm nicht schaden, dem Rittmeister. Von dem Rittmeister weiß ich etwas, halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, aber da schweig' ich lieber.«

      »So, so, so!« meinte der alte Herr und machte ein schrecklich neugieriges Gesicht. »Liegt mir ferne, in Euch zu dringen, Kollega. So, so, so – was Gesetzwidriges?«

      »Was Gesetzwidriges, Herr Regimentsrat,« bekräftigte der andre.

      »Was – Malefizisches, Kollega?«

      »Lieber beiß' ich mir die Zunge ab, Herr Regimentsrat, als daß ich einen Menschen ins Unglück brächte. Ich gehe meinen geraden Weg, schlecht und recht, schaue nicht links und nicht rechts. Aber sagt, was ist heutzutage der Soldateska heilig? Etwa das Leben eines Unschuldigen, oder die – die –« Kriemhofen machte ein sehr geheimnisvolles Gesicht, »die Ehre eines Beamten – oder –«

      »Also was – ganz Malefizisches?« murmelte der Regimentsrat.

      »Die Anreizung zu was ganz Malefizischem, Herr Regimentsrat. Kommt einer oft von ungefähr dazu, wird Zeuge eines vorhabenden Verbrechens und –«

      »Da muß ich aber doch fragen, Kollega, ist's zur Ausführung gekommen?«

      »Es ist in Gnaden verhindert worden, Herr Regimentsrat.«

      »Und deshalb haßt er Euch? Kriemhofen, Ihr seid ein edler Mensch!«

      »Kann wohl sein, Herr Regimentsrat, daß er seinen Haß auf mich geworfen hat.«

      »Na, das alles müßt Ihr mir aber doch zur gelegenen Zeit noch erzählen!«

      »Wenn der Herr Vizedom nichts dagegen einzuwenden hat, Herr Regimentsrat.«

      »Seine Gnaden der Herr Vizedom weiß um die Sache?«

      »Ja,« flüsterte der Sekretarius,

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