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mehr, Herr Regimentsrat!«

      »Aber sagt mal, Kollega, Ihr kommt mir seit langer Zeit so – Ihr habt solch eine facies melancholica, Kriemhofen, und das ist mir aufgefallen.«

      Der Sekretär seufzte.

      »Gelt, ich habe richtig gesehen?«

      »Dem Herrn Regimentsrat entgeht eben nichts.«

      Der alte Herr blieb stehen, blinzelte mit den kleinen Augen und spitzte den Mund:

      »Da habt Ihr recht, guter Freund.«

      Dann ging er ein paar Schritte weiter, blieb abermals stehen und lachte geheimnisvoll:

      »Ihr habt etwas auf dem Herzen, beziehungsweise, daß ich mich besser ausdrücke, im Herzen!«

      »Herr – Regimentsrat!« stotterte Kriemhofen und schlug die Augenlider zur Erde.

      »Daß ich Euch aber einen guten Rat gebe, Kriemhofen –«

      Die Glocken begannen zu läuten, und die beiden auf dem einsamen Walle entblößten die Häupter und murmelten im Weitergehen das Ave.

      »Einen guten Rat,« sagte der dicke Herr, schlug das Kreuz und bedeckte den kahlen Scheitel: »Ihr müßt Eure Geheimnisse nicht in die Akten legen oder, daß ich mich recht ausdrücke, zwischen die Aktenblätter als in ein Herbarium.«

      »Als in ein Herbarium, Herr Regimentsrat?« stotterte Kriemhofen. »Das verstehe ich nicht, halten zu Gnaden!«

      »I, das ist ja leicht zu verstehen, Kriemhofen. Kennt Ihr den Spruch ›Quod in actis, non est in mundo‹?«

      »Was nicht in den Akten steht, das existiert nicht,« sagte Kriemhofen. »Aber halten zu Gnaden –«

      »Nu, wenn ich da heute morgen in Euerm Referate über das Forellenwasser zu Lauterhofen – ist ein vortreffliches Referat, nebenbei gesagt – nu, wenn da zwischen den Blättern ein Zettel gelegen wäre, und auf dem Zettel wäre gestanden –«

      Der alte Herr machte Halt und zeichnete in den feuchten Sand des Weges ein großes Herz und begann zu malen: »R – U –. Na, soll ich weiterschreiben, Kollega?«

      »Eine Schreibübung, Herr Regimentsrat, weiter nichts!« stotterte Kriemhofen.

      »Dann kam ein T und dann ein H – und dann kam noch etwas, Kollega.«

      »Ein pures Nichts, Herr Regimentsrat; etwas, das – das –«

      »– das in den Akten steht und also existiert,« sagte der Rat und machte ein pfiffiges Gesicht. »Ist's nicht die schöne, schwarzhaarige, blauäugige, große Jungfrau, Kollega, die im Winter vor einem Jahre auf dem Tanz beim Vizedom gewesen ist?« fragte er geschwinde.

      »Dem Herrn Regimentsrat entgeht eben nichts,« murmelte Kriemhofen. Dann flüsterte er:

      »Ist mir aber auf einmal, als wär's eine Fügung! – Halten zu Gnaden, Herr Regimentsrat, Ihr seid mir gesinnt wie ein Vater, darf ich Euch, da Ihr nun doch schon so viel erraten habt, mein Herz ausschütten?«

      »Nichts lieber als das – soll mir immer angenehm sein, Kollega,« sagte der alte Herr eifrig.

      Und flüsternd ging der Sekretarius in der lauen Abendluft neben seinem Gönner auf dem öden Walle.

      »Ei der Tausend – seit jenem Tanze – ei, was Ihr sagt, der Portner, der starrköpfige Emigrant?«

      »O bitte, Herr Regimentsrat, wollet in Gnaden Eure Stimme dämpfen, die Stadtmauern haben Ohren!«

      Und so gingen sie weiter auf dem kahlen Walle, und der Sekretarius flüsterte, und der andre suchte seine Stimme zu dämpfen, aber es gelang ihm nicht so ganz. Und zwischen dem Flüstern Kriemhofens brach immer wieder die Stimme des alten Herrn hervor: »Und Ihr glaubt, er hält sie außer Lands? – Ei, da giebt's Mittel! – Kann Seiner Durchlaucht nicht einerlei sein, wenn Minderjährige vom Adel, deren Eltern sich accommodiert haben –. Ist nur heilsam, wenn Vermischungen zwischen dem bayrischen Adel und –. Habt Ihr eine Ahnung, wo sie sich aufhält? – So, in Hilpoltstein? – In welchem? – So, so, im Nürnbergischen hinter dem Rotenberge! Und Pfleger ist ihr Vatersbruder dortselbst? – Na, das ist aber doch einfach: man citiert sie herein zur Information bei den Herren Patres! – Und dann? Ha, dann ist mir nicht bange! – Wie? Na, handelt sich's denn nicht um einen Bettler dort und um einen kurfürstlichen Sekretarius hier? – Was, Ihr zweifelt? Na, lehret mich die Weiber kennen! – Wenn sie nicht kommen will? – Da giebt's Mittel: der Vater soll die Tochter herbeischaffen! Portner soll Zantnerin allen Ernstes herbeischaffen oder –! Na, warum geht's denn so? – Hört, Kollega, ich will Euch helfen!«

      »Der Herr Regimentsrat handelt an mir als ein Vater!«

      »Laßt nur, Kriemhofen, es erregt mein Interesse, und ich will Euch helfen! – Aber, wohlgemerkt, in meiner Eigenschaft als kurfürstlicher Regimentsrat weiß ich von der ganzen Geschichte nichts! Habt Ihr verstanden?«

      »In seiner Eigenschaft als kurfürstlicher Regimentsrat weiß der Herr Regimentsrat von der ganzen Geschichte nichts.«

      »Und geht nun der Anschlag aus, wie er will, es geschieht seiner hernach zwischen uns beiden keine Erwähnung!«

      »Keine Erwähnung.« –

      Sie waren am Wingertshofer Thore angekommen.

      »Freilich,« meinte der Regimentsrat und blieb stehen, »wenn das Vogerl einmal im Käfig flattert, will sagen, wenn das Dirndl einmal in der Stadt Amberg ist – fensterln muß der Bub selber, dabei kann ich ihm leider in meiner Eigenschaft als Familienvater nicht helfen.«

      »Fensterln muß er selber, Herr Regimentsrat,« flüsterte Kriemhofen und tastete nach der Hand seines Gönners.

      »Na, laßt nur, Kollega! Schreiet lieber den Thorwartl heraus, daß er die Brücke herunterwinde! Wir haben uns ein wenig verschwatzt.«

      Die Ketten liefen rasselnd über die Rollen, und der kurfürstliche Regimentsrat sagte mit Würde: »Allem und jeglichem, was die Pacifikation dieses eroberten Landes zu fördern vermag, ist Vorschub zu leisten nach Kräften.«

      *

      Kurze Zeit verging. Dann mußte Ruth von Zant herzbewegende Briefe schreiben:

      Kindliche Lieb und Treu zuvor, freundliche, herzliebe Frau Mutter. Euer Schreiben habe ich mit großem Schrecken empfangen und daraus vernommen, wie daß der Herr Vater und Ihr haben wollt, ich solle heimkommen. So kann ich's aber nicht über mein Herz bringen, daß ich hinein nach Amberg oder heimkomme, dann ich ganz nicht begehre, katholisch zu werden. Ich will davongehen, daß niemand weiß, wo ich hinkomm'. Daß man aber vermeint, es hält mich der Hansjörg davon ab, so kann ich's mit Gott bezeugen, daß er ganz nicht Ursach' daran ist, daß ich nicht katholisch will werden; denn ich's seinethalben ganz nicht lassen wollt'. Man thut ihm, Gott weiß, unrecht, daß er mich davon abhalte.

      Ich bitt', mein herzlieber Herr Vater und Frau Mutter, sie möchten mir's doch vor keinen Ungehorsam ausrechnen, daß ich nicht heim will. Ich bin Euch willig, in allem zu folgen; allein was meiner Seelen Seligkeit anbelangt, bin ich nicht schuldig, zu folgen. Wenn Ihr mich dazu nötigen wollt, so könnt Ihr's nicht gegen Gott verantworten. Wenn Ihr's über Eure elterlichen Herzen bringen könnt, mich ganz zu verlassen, so sei es meinem Gott geklagt; derselbe wird mich doch nicht verlassen. Ach Gott, helf mir doch aus dieser meiner großen Not, dann ich mein Leben mit Weinen und Klagen zubringen muß, dann ich meine besten Tage schon gehabt habe. Aber ich hoffe zu Gott, er werde meine Traurigkeit einmal wiederum in Freuden versetzen. Ich muß gedenken, daß unser Herr Christus auch viel für mich gelitten hat – warum wollt' ich nicht auch mit ihm leiden? Ach, meine herzliebste, ja allerliebste Frau Mutter, bekümmert Euch um mich nicht, unser Herrgott wird mich doch nicht verlassen. Und was Ihr schreibet vom Hansjörg, daß sich kurfürstliche Regierung werde an ihn halten und daß alles an ihm ausgehen müsse, so verstehe ich das nicht. Was kann denn solch einem unschuldigen Menschen geschehen, was kann man ihm anhaben?

      Wenn es aber sein muß, daß ich heimkomme, so will ich alles leiden,

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