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ich nicht im Lande verbleiben will, was wollen sie mich nötigen dazu?

      Bitt' Euch, Ihr wollet doch sehen, daß Ihr meinetwegen keine Strafe dürfet geben.

      Kann ich vor großem Leid nicht mehr schreiben.

      Dann seid alle von mir zu hunderttausendmal freundlich gegrüßt und Gott befohlen. Es grüßen Euch der Herr Vatersbruder und alle seine Kinderlein. Datum Hilpoltstein, den 8. Juni 1629. Eure gehorsame willige Tochter, weil ich lebe

      Ruth von Zant.

      Die Köchin läßt Euch, Frau Mutter, auch fleißig grüßen.

      *

      Lieber Hansjörg! In großer Eile. Krieg' ich soeben ein Schreiben von meinem Herrn Vater, woraus ich zu meinem unsäglichen Schrecken vernehme, wie daß Dir bei tausend Thalern Strafe befohlen ist, mich zur Unterweisung nach Amberg in die Stadt zu bringen, und daß Dir und dem Schwager alle Einkünfte von Theuern gesperrt sind um meinetwillen. Lieber Gott, was für ein Unglück, und ich habe nichts gewußt davon! Aber warum hast Du mir's verborgen, Hansjörg? Ach, kann mir's wohl denken, weil Du ein so guter Mensch bist. Nein, Hansjörg, da sei Gott vor, daß ihr durch mich ins Verderben geratet. Ich will mich aufmachen und nach Amberg reiten, will's denen sagen, wie daß sie stark im Irrtum sind. Dann müssen sie's einsehen, daß Du ganz unschuldig bist, müssen Dir das Deinige verabfolgen. Bitte nur den lieben Hansjörg, daß Er mir seine Pferde schicke hierher und einen verläßlichen Knecht, daß ich nach Amberg reiten könne. Will mich der Herr Schwager bis vor Amberg begleiten, soll's mir recht sein von wegen des argen streifenden Gesindels. Weiter jedoch darf er nicht, auf daß man ihn nicht sehe bei mir. Schicke mir die Pferde gleich, kann's kaum erwarten! Datum Hilpoltstein, den 26. Juni 1629.

      Ruth von Zant.

      Der Herr Vater hat mir geschrieben, wie daß ich in Amberg bei der Hegnerin absteigen und in der Kost sein könne, bei der Hegnerin, die vor kurzem erst vom lutherischen Glauben abgetreten ist.

      *

      Herzliebste! Freilich ergeht es uns übel, uns Portnern zu Happurg. Schmalhans ist Küchenmeister, und Hunger ist nur dann der beste Koch, wenn er überhaupt noch etwas zum Kochen hat, das erfahren wir täglich, seit uns die Zufuhr aus Theuern gesperrt ist. Sieht ohnehin erbärmlich aus in unserm Theuern. Bin vor etlichen Wochen mit Regimentserlaubnis dort gewesen, hat mir fast wollen mein Herz abstoßen: Das Hammerwerk steht still, die ledigen Knechte haben sich verlaufen – was die Verheirateten sind, die leiden große Not, sind uns aufsässig, verwüsten unsre Wälder, stoßen bedrohliche Reden aus in ihrer Verzweiflung. Es ist ein Jammer. Mit Mühe sind die Felder bestellt worden im Frühjahr, doch trau' ich dem Verwalter nicht über den Weg. Aber was hilft's? Wir haben keinen andern, und in etwas hält er die Armleute doch noch im Zaume. Besser schon als der Mathes, der für seine Person ein ehrlicher Geselle ist, aber keine Schneid hat, wenn er fremdem Unrecht entgegentreten soll – der oberpfälzische Bauer, wie er leibt und lebt. Will nimmer klagen. Gott wend's zum Guten!

      Der Ueberbringer dieses Briefleins führt Dir das Pferd vors Haus, und mein Bruder will Dir morgen früh entgegenreiten bis hinter Schnaittach.

      Geschrieben hätt' ich Dir nichts von unsrer Not. Nun Du jedoch alles erfahren hast, sage ich auch: Reite zu den Patres nach Amberg und sprich es laut aus, daß ich nicht schuldig bin Deiner Standhaftigkeit. Nur so kann Ruhe werden.

      Gott schütze Dich, und seine Engel sollen Dich umgeben.

      Immer Dein Hansjörg Portner.

      Unterweisung.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein Julinachmittag. Vom wolkenlosen Himmel brannte die Sonne herab, sichelreif dehnten sich die weißen Felder, schläfrig standen die Wachen in den Holzgängen hinter den Ringmauern, menschenleer waren die dumpfigen Gassen Ambergs; träge floß die Vils aus dem Engpasse zwischen den finstern Bürgerhäusern und dem gewaltigen Turmbau von Sankt Martin hervor, und wie seit Hunderten von Jahren spiegelte sich das hochragende Freihaus der Hegner in dem schmutziggrünen Gewässer, und wie seit Hunderten von Jahren gurrten auf dem silbergrauen Schindeldache des Holzsteges flußabwärts die Tauben.

      Im kühlen Flure des Freihauses, an der Mauer unter einem rundbogigen Fensterlein saß Ruth und las. An der massigen Steinsäule, die das weite, niedere Gewölbe trug, stand die junge blonde Hegnerin und versuchte, die üppigen Ranken eines großen Epheustockes um den Schaft zu schlingen.

      »Es geht nicht,« rief sie ärgerlich und ließ die Ranken auf das Ziegelpflaster fallen. »Ruth, komm doch, bitte! Was hältst du davon, Ruth?«

      Das Mädchen legte das Buch auf die Bank und kam heran. »Laß doch eine Schnur um das Kapitäl schlingen, dann kannst du die Ranken um den Schaft legen und oben befestigen.«

      »Das leuchtet mir ein!« rief die Hegnerin.

      »Aber sag an, warum willst du denn die wunderschöne Säule durch den Epheu verdecken?« fragte Ruth.

      »Geh doch, laß mich aus, die garstige, kalte, uralte Säule, Ruth!«

      »Uralt, das glaube ich, kalt auch – aber garstig, garstig ist sie nicht, die Säule. Da sieh nur die herrlichen Linien am Schafte und am Fuße die kämpfenden Tiere und oben die feinen Blätter! Es ist doch schade, wenn das verdeckt wird.«

      »Ach was, Ruth! Du siehst eben alles mit andern Augen an als unsereiner! Unsereinem ist's ein hoher Steinschaft, ein klotziger, und du entdeckst die wundersamsten Dinge daran. – Wahrhaftig, du hast recht! Da sind zwei kämpfende Hähne, und da droben die Blättlein sind auch gar nicht übel – ich seh's heute alles zum erstenmal. – Aber es ist ja doch nur ein kalter, harter Stein, und ich schlinge dennoch den Epheu darum. Ich hasse das Kalte und Harte.«

      »In der Halle auf dem Zant ist auch solch eine Säule,« sagte Ruth nachdenklich.

      »Du bist wohl recht oft zu Hause mit deinen Gedanken, Ruth?«

      »Meine Gedanken haben viel Arbeit, gehen bald hinaus auf den Zant, bald –« Ruth brach den Satz ab.

      »Du trägst auch viel zu schwer an deinem Leben,« flüsterte die Hegnerin und legte den Arm um das Mädchen.

      »Was schwer ist, das ist schwer zu tragen.«

      »Ach was! Warum auch tragen? Laß dich tragen von ihm, und wetten, es wird dich schaukeln und wiegen!« sagte die Hegnerin und streichelte die Wangen der Zantnerin.

      Diese schüttelte den Kopf.

      Doch eifrig fuhr die junge Frau fort: »Du weißt ja gar nicht, Ruth, welche Macht wir in unsern Händen haben!«

      »In unsern Händen?« fragte das Mädchen verwundert. Dann murmelte es bitter: »Ich seh's tagtäglich! Lebe ich nicht fast als eine Gefangene in der Stadt nun seit vier Wochen?«

      »Und hast es in der Hand, von heute auf morgen frei zu sein,« flüsterte die Hegnerin. »Du weißt ja gar nicht, welche Macht dir gegeben ist. Ja, schau du nur mit deinen großen, blauen Augen und schüttle deinen Kopf, du!«

      »Mir?« fragte Ruth.

      »Ja, dir! Eifersüchtig könnte man werden, wäre man nicht die Hegnerin. Allen hast du's angethan, sogar meinem Mann, du schwarzblaue Hexe, du!«

      »Ich? Du irrst, Osann. Wer kümmert sich im Ernst um das arme, verlassene Ding?«

      »Wer?« Die blonde Hegnerin streichelte die schwarzen Haare und lächelte; aber sie sprach kein Wort.

      Eine große, weiße Katze kam aus dem Hofe in die dämmerige Halle, schlich schnurrend heran und rieb sich mit Schmeicheln am Kleide ihrer Herrin.

      »Du bist so verschlossen, Ruth,« sagte die Hegnerin, bückte sich und nahm die Katze auf den Arm.

      Ruth schwieg.

      »Und mir könntest du doch dein Herz ausschütten wie keiner andern mehr.«

      »Verzeih!«

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