Скачать книгу

wollet mich doch nicht so stark verkennen,« bat Kriemhofen. »Mir geht ja die Sache so nahe, daß ich's nicht sagen kann. Euer Herr Vater fürchtet, Ihr möchtet als ein junges Blut in Melancholie geraten.«

      »Hat er das dem kurfürstlichen Regimente geschrieben?« fragte Ruth mit großen Augen.

      »Und es ist offenbar, daß dem alten Manne viel an Eurer Konversion gelegen ist.«

      »Mein Vater will mich zu nichts zwingen!«

      Kriemhofen zuckte die Achseln. »Zwingen? Im Gegenteil, er hat gebeten, man möge Euch vierzehn Tage Urlaub geben.«

      Ruth schwieg und sah ihn fest an.

      »Ich aber wollte Euch nun mitteilen, edle Jungfrau, daß –« Kriemhofen stockte – »daß sich vielleicht, nun, es könnte wohl sein, daß sich auch Seine Kurfürstliche Durchlaucht hätte referieren lassen über Euern Fall –«

      »Was könnte solch einem großen Potentaten an dem Schicksale einer unbekannten Landsassentochter liegen?«

      »O, glaubet das nicht, edle Jungfrau! Der Kurfürst kümmert sich um alles und jegliches in seinen Landen. Und nun, ehe ich meinen Auftrag vollziehe, sage ich Euch im Vertrauen, als – als Euer bester Freund, daß man Vorhabens ist, Euch nach München an die kurfürstliche Hofstatt zu schicken.«

      »Mich?« fragte Ruth entsetzt.

      »Ja, doch Ihr dürft mich unter keinen Umständen verraten.« Kriemhofen preßte die Hand aufs Herz und flüsterte: »Ich weiß nicht, wie ich das ertrüge, wenn der Plan des Herrn Vizedom zur Ausführung käme.«

      »Und zu welchem Ende will man mich nach München schicken?« rief die Zantnerin.

      »Zu demselben Ende, dem Ihr hier und nirgends entgehen könnt – nirgends, und am wenigsten in München!« antwortete Kriemhofen. »Und so ist mein Rat, edle Jungfrau, saget geschwinde Ja und Amen zu allem, was man von Euch will. Wer weiß, was man zuletzt mit Euch in München anfängt!«

      »Niemals!« sagte Ruth.

      »Ich meine es gut,« flüsterte Kriemhofen. »Und nun den Auftrag: Das kurfürstliche Regiment erlaubt Euch, auf vierzehn Tage nach dem Zant zu reisen.«

      »Das ist eine gute Nachricht, Herr von Kriemhofen!«

      »Auf vierzehn Tage,« betonte der Sekretarius, »dann müßt Ihr Euch hier persönlich entscheiden. Und wenn Euch zu wissen verlangte, wer Eure Angelegenheit unter der Hand vertreten hat, als wäre es seine eigne, wem Ihr diesen letzten Aufschub verdanket – ich könnte es Euch wohl sagen.«

      »So danke ich Euch, Herr,« murmelte Ruth und gab ihm die Hand.

      Kriemhofen ergriff die Hand und flüsterte:

      »Und ich, edle Jungfrau, darf ich noch einmal fragen –?«

      Das Mädchen suchte die Hand zu befreien, aber Kriemhofen hielt sie fest und bedeckte sie mit Küssen.

      »Herr!« rief die Zantnerin und riß ihre Hand mit einem Rucke los.

      »Vergebet!« stammelte Kriemhofen und trat einen Schritt näher.

      Ruth wich noch mehr zurück und stand nun ganz in der Ecke zwischen dem Ende der Bank und der Mauer: »Ich habe Euch wiederholt durch meine Base zu wissen gethan, wie es um mich steht, Herr von Kriemhofen,« sagte sie mit bebenden Lippen. »Und nun ersuche ich Euch, gebt die Bahn frei!«

      »Seht Ihr denn nicht, wie's um mich steht?« raunte Kriemhofen. »Als ein Bettler komme ich immer und immer wieder, wahnsinnig vor Liebe –«

      »Gebt die Bahn frei, Herr von Kriemhofen!« sagte Ruth und richtete sich hoch auf.

      »Wahnsinnig,« murmelte Kriemhofen. »Und wie einen Hund laßt Ihr mich immer wieder von der Thüre jagen.«

      »Zum letzten Male, die Bahn frei!« herrschte ihn das Mädchen an.

      »Und wer ist denn der Bettler und der Hund – ich oder er?« zischte Kriemhofen und tastete sinnlos nach ihrer Hand.

      Da hob Ruth blitzschnell diese Hand und gab ihm einen Schlag ins Gesicht.

      Der Sekretarius taumelte zurück, und hochaufgerichtet ging Ruth durch die Halle zur Stiege.

      *

      Um dieselbe Zeit aber las der Zantner diesen Befehl des kurfürstlichen Regiments: »Wiewohl sich Deine Tochter Ruth wegen ihrer Konversion noch etwas halsstarrig erweiset und von ihrer vermeinten Religion nicht weichen will, so haben wir sie doch dergestalt dimittiert, daß Du sie bei Dir behalten und, daß sie nicht allein die Gottesdienste fleißig besuche, sondern auch sich informieren lasse und in dem ihr von den patribus zugestellten Buche eifrig lese, daran sein, sodann inner vierzehn Tagen sie wiederum zur Kanzlei hereinschaffen sollest, damit ihre progressus vernommen werden mögen. Verlassen wir uns, zu geschehen. Amberg, den 28. Juli 1629.«

      Flucht.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war eine warme Nacht. Die Fenster in des Zantners Museum standen offen. Die Sterne flimmerten über der ruhenden Erde, und die Heimchen zirpten an allen Ecken und Enden.

      Der Zantner stand vor seinem Pulte, stützte die Arme auf die Pultplatte und sah vor sich hin. Das Licht eines Wachsstockes flackerte im Luftzuge und malte tiefe Schatten auf sein runzeliges Gesicht. An der Thüre lehnte Ruth.

      »Es wird nichts andres übrig bleiben, mein Kind.«

      »Ich gehe nicht mehr nach Amberg, Herr Vater.«

      »Es ist Regimentsbefehl, Ruth.«

      »Und was kann mir geschehen, wenn ich ihm nicht gehorche, Herr Vater?«

      »Dann lassen sie dich durch den Einspännig vorführen, Ruth.«

      Das Mädchen schwieg, und die Heimchen zirpten.

      »Gieb ihn auf, den Hansjörg!« sagte der Zantner plötzlich und kam langsam heran.

      »Niemals, Herr Vater.«

      »Du gehst uns allen ab, mein liebes Kind; es ist sehr einsam ohne dich auf dem Zant.«

      Der alte Mann legte die Hand auf ihre Schulter.

      Sie faltete die Hände unter der Brust, ihre Lippen bebten, ihre Augen füllten sich mit Thränen, sie starrte auf das geliebte Antlitz, sie stöhnte: »Ich kann nicht, Herr Vater.«

      »Ruth, liebe Ruth, was kannst du gegen die Gewalt? Komm Ruth, lache dieser Thoren, beuge dich und mache dich frei!«

      »Frei, Herr Vater? Und seid Ihr denn – frei?« kam es zögernd und angstvoll von ihren Lippen.

      Da nahm der Zantner sein Kind an der Hand und führte es zum Fenster: »Siehst du den glänzenden Stern da droben, meine Ruth?«

      »Ja, Herr Vater.«

      »Denkst du noch daran, mein Kind, wie oft wir miteinander zu den Sternen gesehen haben in stillen Nächten?«

      »Ja, Herr Vater.«

      »Und glaubst du, mein Kind, daß wir allein heute nacht emporblicken zu diesem strahlenden Sterne?«

      »Es mögen hier und dort Menschen in den Ländern hinaufsehen zu ihm, Herr Vater.«

      »Und sie alle werden ihn auf dem gleichen Punkte sehen, Ruth?«

      »Dem einen scheint er höher, dem andern tiefer zu stehen, Herr Vater, je nach dem Grade.«

      »Scheint, mein Kind – nicht?«

      »Scheint, Herr Vater.«

      »Und auf alle, Ruth, flimmert sein Licht ja doch hernieder aus der gleichen, unfaßbaren Ferne?«

      »Ich weiß nicht, was Ihr wollt, Herr Vater.«

      »Und unveränderlich

Скачать книгу