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der Tausend, wie finster ist's bei euch – oder seid ihr nimmer in der Stube da?« fragte Anna Felicitas mit dem Kinde auf dem Arme unter der Thüre.

      »Hat uns niemand Licht gebracht, Anna Feli,« sagte Georg, während es gedrückt vom Fenster kam: »Guten Abend, Schwägerin!«

      »Ei der Tausend,« rief sie mit heller Stimme, »ich glaub' alleweil, ihr sitzet gerne im Dunkeln, lasset die Köpfe hängen und machet lange Gesichter?«

      »Kann wohl sein, Schwägerin.«

      »So – und ist das auch recht gethan, ihr Mannsleute, sagt, ist das recht? Kann da was Gutes wachsen? Mir scheint, ich muß ein bissel poltern, ihr Mannsleute!«

      »So poltere nur!« sagte Georg Portner. »Ist uns kurzweiliger, als wenn es gar so stille ist.«

      »O ja, kommt mir nicht an drauf! Und warum sitzt ihr denn im Finstern und brütet auf den alten Eiern?«

      »Die hat uns ein Kuckuck ins Nest gelegt, und nun, da liegen sie, mögen wir wollen oder nicht,« sagte Hansjörg.

      »I was, werft die Kuckuckseier hinaus, Mannsleute!«

      »Alles ist vergeblich gewesen, Anna Feli, und wir können nicht verkaufen,« murmelte Georg.

      »Und es ist nur eines gewiß: daß wir in kurzem bettelarm sein werden!« murrte der am Fenster. »Und wozu muß man denn weiterleben?«

      »So, so,« sprach die Portnerin, »darauf geht's also hinaus? – Ei, ei!« Dann aber that sie ein paar lange Schritte gegen den Tisch hin. »Streck deine Arme aus, Jörg! So – da – da hast du dein Mädel – da hast du's! Hast du's fest auf dem Schoße, ja? Nu, so sag's du auch, das von der Bettelarmut und das andre, das vom Ungrund oder Unwert des Lebens! Na, Jörg? Gelt, du schweigst! – So, und nun kommst du an die Reihe, Schwager! Also, verkaufen können wir nicht?«

      »Wir sind mit unsrer letzten Hoffnung zu Schanden geworden, Schwägerin. Da liegt der Brief! Die Zwerglein haben recht: wenn sie kleine Kinder kriegen, dann werden sie traurig, weinen und behängen sich mit Spinnweben – sie haben recht, nun weiß ich's auf einmal.«

      »Ach, wie kann man nur so was Gottloses sagen, Hansjörg!«

      »Nun, es ist eben so!«

      »Nun, es ist eben nicht so!« rief die kleine Frau mit ihrer hellen Stimme. »Mannsleute, Mannsleute! Da stehen und gehen sie voll hohen Mutes vor den Menschen draußen – hätt' euch sehen mögen, wie trotzig ihr gestern das Nein abgegeben habt in Amberg! – und hernach, wenn's finster ist und ist kein Fremder dabei, dann knacken sie zusammen. Ist's nicht so? – Und sagt, was ist's doch für ein Segen, für ein Herrgottsegen, daß wir ein gutes Gewissen haben in all dem Durcheinander! Ich möcht' nicht stecken in dieser oder jener Haut – oder habe ich unrecht?«

      Hansjörg Portner antwortete ein wenig kleinlaut: »Du könntest wohl fast recht haben, Schwägerin.«

      »Also, Herr Schwager! Und sag, hast du schon einmal seit gestern unserm Herrgott gedankt für alles Gute, was dir geblieben ist, und du, Jörg?«

      »Mir geblieben ist!« brach Hansjörg in erneuter Bitterkeit los.

      »Ja, geblieben ist, Schwager!« rief sie mit Nachdruck. »Du weißt ja gar nicht, was du alles hast!«

      Hansjörg murmelte Unverständliches, während das Kind auf dem Schoße des Vaters zu dahlen begann.

      »Sind wir nicht alle gesund?« fragte die Portnerin. »Und muß man nicht danken für die Gesundheit?«

      Die Brüder schwiegen.

      »Und haben wir nicht Frieden untereinander und Eintracht?« fragte die Portnerin unbeirrt. »Und können wir nicht etliche hundert Gulden bar mitnehmen von Theuern? Und haben wir nicht kräftige Arme?«

      Die Brüder schwiegen.

      »Und ist es nicht dir, Hansjörg, gelungen, das kleine Bauerngütel da im Nürnbergischen, in – nu – hilf mir doch –«

      »Das Dreihundertguldengütel in Happurg? Ja, das habe ich gekauft, ist aber just kein großer Trost, Schwägerin. Könnt euch in Zukunft schreiben: Portner von Theuern aus Holzhäuselheim zu Happurg.«

      »So? Was du sagst! Mir aber ist's dennoch ein Trost, daß ich weiß, wohin wir das Haupt legen können, und ich danke Gott dafür, und wenn ihr's nicht thut, besorg' ich's für euch beide mit.«

      Hansjörg lachte.

      »Und hast du denn nicht deine Anna Feli, du Jörg da, du Barbar, und dein Mädel?«

      »Ja, die hab' ich, Anna Feli, und könnte kein besseres Weib haben,« lachte Georg Portner. »Und ich danke Gott für Weib und Kind,« fügte er ernsthaft bei.

      »Wenn sie den zwei Mannsleuten auch zuweilen die Köpfe zurechtrückt, die Anna Feli,« sagte die kleine Frau. »Aber das hat mir wohl gethan bis in den Magen hinunter, Liebster! Und was du erst für einen Schatz hast, Hansjörg, das weißt du ja gar nicht! Wenn man daran denkt, kann man gleich gar nimmer reden.«

      »Da weißt du mehr als ich, Schwägerin.«

      »So – glaubst mir's nicht? Na, warte, ich will dir ein Licht anzünden! – Könntest mir wohl das Kind in die Kammer tragen, 's ist Zeit, daß es schlafen geht, Jörg! – Komm nur, Jörg! Da, Dorel, sag dem Oheim gute Nacht – so!«

      Hansjörg stand allein im finsteren Gemache: »Was ich für einen Schatz habe? Du lieber Gott, den besten hab' ich doch verloren!« –

      Draußen ging eine Thüre, leichte Schritte kamen über den Vorplatz, vor der Stube erhob sich ein Flüstern und Wispern. Die Thüre ging auf, das Licht einer Kerze fiel herein, und Frau Anna Felicitas sagte: »Nur immer zu, steck ihm das Licht auf!« Und damit schob sie eine schlanke Gestalt in die Stube und zog sich eilig zurück.

      »Ruth!« rief Portner und rührte sich nicht vom Flecke.

      Ruth von Zant lehnte an der Thüre, und in ihren Händen zitterte das Licht.

      Sie standen in Mitte der Stube, und vom Tische herüber leuchtete das kleine Licht.

      »Aber du warst ja doch sehr schwankend geworden, Ruth?«

      »Verzeih mir, Portner, nie!«

      »Aber dein Brief, Ruth?«

      »Was habe ich dir geschrieben, Hansjörg? Der Herr Bruder solle sich nicht stützen auf eines schwachen Weibes Entschluß, der könnte schwankend werden!«

      »Ruth!«

      »Nun ja, Hansjörg, und so warst du auf dich selber gestellt, und da konntest du gar nicht anders – du konntest nicht anders, das hatte ich von Anfang an gewußt.«

      »Und es hätte doch alles ganz anders gehen können, Ruth!«

      »Nein!« sagte sie mit stolzem Lächeln. Dann setzte sie schüchtern hinzu: »Als du dich aber geweigert hattest vor dem kurfürstlichen Regimente, da litt es mich nimmer auf dem Zant, da ließ ich satteln –«

      »Ruth, ach, täusche dich nicht in mir!«

      »Aber, Hansjörg – wie denn?«

      »Warum willst du Eltern und Heimat verlassen, Ruth?«

      »Weil ich's nicht anders befinde in meinem Gewissen. Und warum willst du alles aufgeben, Hansjörg? Doch auch, doch auch –?«

      »Ich, Ruth? Du irrst dich sehr. Ich –?« Er biß die Zähne zusammen. »Aus Trotz, Ruth!«

      Sie ließ die Arme sinken.

      »Nicht wahr, das ist wenig, Ruth?« sagte er und griff nach ihrer Hand.

      »Es ist nicht wenig, Hansjörg, aber es ist – es ist noch lange nicht alles,« antwortete sie. Dann begannen ihre Lippen zu zittern, Thränen rollten aus ihren Augen: »Es ist ein heiliger Trotz, Hansjörg!« Und sie riß ihre Hand los, umschlang ihn mit den Armen, drückte ihr Haupt an seine Brust und murmelte unter Schluchzen

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