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um Vergebung, Euer Gnaden, hat er in einer Kriminalsache den Alibibeweis zu erbringen, weil mich der Herr Vizedom also examiniert?«

      »Es ist zuzeiten gut, wenn man eine Sache festnagelt, Herr Rittmeister,« sagte der Hochgebietende mit verbindlichem Lächeln. »Eure Herren Brüder werden sich ja sicher auch des Vorganges erinnern, wenn sie von Euch hören, daß der Sekretarius von Kriemhofen nach Empfang des Briefes auf meinen Befehl sofort zu Pferde gestiegen und für etliche Monate in wichtiger Kommission an den bischöflichen Hof nach Regensburg geritten ist!«

      Der Soldat lächelte spöttisch: »Ohne von Euer Gnaden Frist und Aufschub zu erbitten?«

      »Wozu denn Frist und Aufschub?« fragte der Hochgebietende kalt.

      »Ich meinte nur so, Euer Gnaden, man hat vor einer weitern Reise und längern Abwesenheit zuweilen noch Angelegenheiten besonderer Art zu ordnen.«

      »Kriemhofen ist ein Beamter, Herr Rittmeister, der alles andre dem Dienste hintanstellt,« sagte der Vizedom. »Alles andre,« wiederholte er mit Nachdruck.

      »O, es ist mir außer Zweifel, daß der Herr Sekretarius geritten ist, was das Rößlein laufen konnte,« sprach der Offizier und strich den Bart. »Nach Neujahr also müssen die halsstarrigen Landsassen das Fürstentum räumen, Euer Gnaden?« fragte er plötzlich und sah dem Vizedom mit seinen stechenden Augen steif ins Gesicht.

      »Nach Neujahr,« sagte der Hochgebietende, bekam einen Hustenanfall und wandte sich ab.

      Vertrieben.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Tage wurden kürzer und kürzer, die Nächte länger und länger, und die kurzen Tage und langen Nächte reihten sich aneinander, über das große römische Reich deutscher Nation und über das kleine, eroberte Land und seine Ritterschaft schritt unbarmherzig die harte Zeit. Das dürre Laub raschelte in den Wäldern, auf den Steigen und Wegen, der Schnee fiel und bedeckte die Erde, Weihnachten kam, und die Glocken erklangen allüberall, dann schrieb man sechzehnhundertneunundzwanzig. Und was noch vor Monaten als ein Schatten in der Ferne gestanden war, das ragte nun in drohender Nähe, war unentrinnbar und konnte nicht umgangen werden: die Entscheidung.

      Und sie rüsteten sich zur Reise. Sie rüsteten sich in den uralten Bergnestern und in den finstern Steinhäusern der Thäler, in den kleinen, sumpfumgürteten Moosburgen und in den offenen Herrensitzen, sie ließen die Pferde satteln und ritten nach Amberg: Männer, in der Kraft ihrer Jugend, und Greise, gebückt von der Last ihrer Jahre; Väter unmündiger Kinder und Großväter, die auf Kindeskinder herabsahen; Reiche, in kostbare Pelze gehüllt, Arme, die das Geld zur Wegzehrung hatten borgen müssen; Trotzige und Verzagte, Fromme und Gottlose, Leichtsinnige und Schwermütige, Entschlossene und Unentschlossene. Wer das Haupt einer Familie darstellte, der hatte nach Amberg zu reiten. Und so zogen sie alle auf den verschneiten Straßen, herab von den Hängen des Böhmerwaldes, herüber aus den Thälern der Vils und Naab, herauf aus dem Stiftlande, weither von den Grenzen des Markgrafentums, dem kurfürstlichen Befehle zu gehorchen und sich strikte zu erklären.

      Da füllten sich die Herbergen in der alten Fürstenstadt, und die Wirte rieben schmunzelnd die Hände und berechneten ihren Gewinn aus der Not und Drangsal der andern; da stampften in den warmen Ställen die Rosse; da war Leben, wimmelndes, drängendes Leben in den engen Gassen und Gäßlein von früh bis nacht. Da raschelten wieder die Federn auf dem Papier; da tönten wieder dumpf die Fragen und Antworten im Sitzungssaale; da rann wieder heimlicher Angstschweiß und dampfte aus den Ketzerleibern empor als wohlgefälliges Opfer. Da liefen die lockenden Verheißungen wie Schlangen in Heimlichkeit von Ohr zu Ohr; da schwirrten scharfe Drohungen wie Pfeile. Wenn der Abend kam, knarrten unter den Sohlen angstvoller Bittsteller die Treppen in den Häusern hochmögender Herren, und im kalten Lichte des Tages bedeckten sich große Bogen mit langen Namenregistern, mit geraden und gewundenen Antworten. Da berichtete einer treuherzig von seinem kranken Weibe und von der Schar seiner Kinder und seiner Armutei, die Stimme wollte ihm versagen, als er um Frist bat, und er konnte es nicht fassen, als es nichts half; da erkundigte sich einer bedächtig, welches der Lohn für die Kniebeuge wäre, und begann zu feilschen, als stünde er auf dem Roßmarkte; da sprach einer hocherhobenen Hauptes sein stolzes Nein und ging froh von dannen, wenn er auch nicht wußte, wovon er leben sollte im Elende; da rief einer trotzig, seit einem halben Jahrtausend bebaue sein Geschlecht die Scholle, viele seiner Ahnen hätten geblutet für die Fürsten und das Land, und fragte mit bebender Stimme, warum man ihn vertreibe? Da flüsterte einer, er sei's zufrieden, wolle thun, was man verlange von ihm. Wappen und adelige Gewänder sanken herab wie Plunder und Lumpen; Menschen, nackte Menschen entschieden und erklärten sich.

      Aber es ging alles ruhig von statten, und der Vizedom hatte nicht nötig, die Trommel rühren zu lassen. Die kurzen Tage und die langen Nächte reihten sich aneinander, die Schreiber schütteten das Pulver über den letzten nassen Namen; die Rosse wurden wieder aus den Ställen gezogen, die finsteren Thorgewölbe erklangen wieder vom dumpfen Hufschlage, und nach allen vier Winden zogen sie heimwärts, in Gruppen und allein, je nach Gelegenheit, auf den gefrorenen Straßen, über das verschneite Land, durch die schweigenden Wälder. Und es war kalt, es war grimmig kalt im Januar des Jahres sechzehnhundertneunundzwanzig.

      *

      Die hungrigen Raben flogen bis in die Gassen des Dorfes, ein blinkender Wintertag neigte sich seinem Ende zu, vernehmlich pochte der Hammer von Theuern im stillen Thale.

      »Nun sind wir mit der letzten Hoffnung zu Schanden worden,« sagte Hansjörg Portner auf der Schwelle der alten Wohnstube, warf einen erbrochenen Brief auf den Tisch, ging ans Fenster und starrte in das glühende Abendrot.

      »So will er nicht kaufen?« fragte Georg Portner und griff nach dem Schreiben.

      »Es hat sich ihm eine andre Gelegenheit geboten,« sagte Hansjörg und lachte hart auf.

      »Wie Gott will,« murmelte Georg, glättete den Brief, las ihn und legte ihn auf den Tisch, faltete die Hände und sah vor sich hin.

      »Nun möchte ich dreinschlagen, daß die Funken sprängen, das thäte wohl!« rief Hansjörg nach einer Weile mit bebenden Lippen.

      Georg schwieg und sah vor sich hin.

      »Aber stillesitzen und leiden müssen, das bringt mich um,« sagte Hansjörg. »O, daß doch Gott der Herr Wölfe und Jesuiten vertilgte mit Schwefel und Feuer – und mich helfen ließe bei solch heiligem Werke!«

      »Andern geht's auch nicht besser,« murmelte der Bruder.

      Hansjörg lachte: »Zum Exempel dem Vetter Hans Andre!«

      »Nun ja, wie gottergeben hat er gestern in Amberg gesprochen!«

      »Hat leicht so sprechen!« rief Hansjörg. »Ist ein reicher Mann –«

      »Und verläßt das Seine,« sagte Georg.

      »– und hat den größten Teil seines Vermögens auf Zins in Nürnberg stehen –«

      »In Nürnberg?«

      »– und hat gestern im Rausche zu einem Dritten gesagt, er pfeife auf sein lumpig Burggütel zu Rieden; das habe er einem verlässigen Pächter in Bestand gegeben, schlage mehr daraus, als wenn er selber drauf säße!«

      »So gut hat er das Seine versorgt, Bruder?«

      »So gut, Jörg, daß er sich schon vor drei Jahren in der Heimlichkeit ein ansehnliches Haus zu Nürnberg gekauft hat –«

      »Ist's möglich, Hansjörg?«

      »– und nun mitsamt den Seinigen unter viel frommen Reden – wenn er nicht gerade besoffen ist – und freudigen Herzens ins Elend fährt!« vollendete Hansjörg mit bitterem Lachen. »Wohl ihm, er ist ein kluger Mann gewesen, und ich neide ihm sein Glück nicht. Aber nur soll er mir nicht heucheln – das Heucheln hasse ich wie die Pest, Jörg! Du auch, Jörg, du auch!«

      »'s ist freilich ekelhaft,« meinte der andre.

      »Und

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