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grollte der Rittmeister und stieß die Waffe auf die Diele. »Ich sage dir, Herr Bruder, lieber gegen ein Heer von Satanassen als gegen ein Heer von Bauern – das sage ich!«

      »Es wird zuletzt nicht so gefährlich gewesen sein im Landl ob der Enns,« meinte der andre. »Was können Bauern ausrichten gegen ein gerüstetes Heer?«

      »Wenn einer dabei war, kann er reden davon, Herr Bruder,« sagte der Rittmeister finster. »Ich bin bekannt als einer, der sich vor nichts fürchtet auf Erden und an andern Oertern. Oder nicht?«

      Ein beifälliges Gemurmel erhob sich in der Runde.

      »Aber das einzige Mal, wo ich mich fast gefürchtet hätte, fast, ihr Herren Brüder, und wo ich zwanzig dicke Kerzen nach Altötting versprochen und gelobt, wo ich die Zähne aufeinander gebissen und Reu' und Leid gemacht habe, das war bei Gmunden im Angesichte der Bauern,« vollendete der Rittmeister, stieß die Waffe abermals auf den Boden und trank seinen Becher aus.

      »Heda, Wirtschaft!«

      Geräuschlos brachte der Wirt den frischen Krug und zog sich an die Thüre zurück.

      »Ich habe Respekt vor aller Kreatur, die sich ihrer Haut wehrt und den Feinden die Zähne zeigt, ob nun die Kreatur ein Bär ist, der mit Pranken und Zähnen losgeht, oder eine Wildsau, die den Jäger aufnimmt, oder ein Bauer, der mit Morgenstern und Sense den Kampf ausficht,« fuhr der Rittmeister fort und schenkte seinen Becher voll.

      »Nieder mit allen Rebellen!« sagte Kriemhofen.

      »Nieder mit ihnen, aber Respekt vor jeder kämpfenden Kreatur!« sagte der Rittmeister und machte ein finsteres Gesicht. »Und vor den Bauern im Landl ob der Enns habe ich Respekt bis an mein seliges Ende. Ja, ihr Herren Brüder, wer dabei gewesen ist, der kann erzählen davon. Heute noch hör' ich in meinen Ohren den Schlachtgesang der Bauern hinter Gmunden, einen grimmigen Gesang nach einer gewaltigen Weise. Wie lautet's doch, das Lied, daß Gott eine starke Festung sei? Einer in meiner Rotte hat's gekannt und hat mir damals die Worte gesagt –«

      »›Ein' feste Burg ist unser Gott‹ – das alte lutherische Ketzertrutzlied,« antwortete Kriemhofen höhnisch.

      »Mag's sein, was es will, es ist ein gewaltiger Sang, der einem durch Mark und Bein geht!« rief der Rittmeister. »Wer dabei gewesen ist, der kann erzählen davon. Und muß ein Sang sein, der das Herz fest macht und todverachtend; denn sie haben den Tod für nichts geachtet, die lutherischen Bauern hinter Gmunden am 14. November 1626, des bin ich Zeuge. Heilige Jungfrau! Das war das wunderbarste Fechten, das einer sehen kann: Siebenmal haben wir die rasenden Haufen zurückgeworfen, siebenmal sind sie wieder vorgedrungen in guter Ordnung – aber nicht wie Menschen, sondern wie wütige Bestien. Seine Waffen hat keiner weggeworfen von den mannhaften Bauern, und davongelaufen ist erst recht keiner. Haben sie weichen müssen, sind sie gewichen wie wilde Eber, Fuß um Fuß – und haben sich lassen niederschlagen ohne Ach und Wehgeschrei. So furchtbar war das Gemetzel, daß das Blut in den Fahrwegen geloffen ist, als hätt' es heftig geregnet. Ja, ihr Herren Brüder, wer dabei gewesen ist bei Gmunden oder bei Emling, bei Vöcklabruck oder endlich bei Wolfsegg, der kann erzählen davon, und grausiger als das Geschrei und Getöse und das Pumpern der Kanonen ist mir das Singen der Bauern gewesen, das furchtbare Singen, ihr Herren Brüder!«

      »Hat ihnen nichts geholfen, das Singen,« sagte der Kornett und verzog den Mund.

      »Wenn's aufs Singen ankäme, dann hätten uns die Oberpfälzer schon längst aus dem Lande gesungen,« meinte der Sekretarius. »Aber der Herr Rittmeister hat recht, es ist gefährlich, das lutherische Singen, und deshalb sind wir scharf drauf aus und stecken's ihnen auf dem platten Lande und in den Städten durch unsre Amtleute allerorten.«

      »Es hat ihnen freilich nichts geholfen,« sagte der Rittmeister; »wir haben sie trotz ihrem Singen in die Pfanne gehauen, und das Landl ist heute so still wie ein Kirchhof. Denn wer kann wider Gott? Aber wenn sie auch gottverdammte Ketzer gewesen sind, die man vertilgen muß wie reißende Tiere, als ein Soldat sage ich dennoch: Hut ab, sind Helden gewesen, die lutherischen Bauern im Landl!«

      »Es lebe die Bravour!« rief einer von den Offizieren, und wieder klangen die Becher zusammen.

      »Da muß Euch das oberpfälzische Volk freilich wie eine Hammelherde und das ganze Fürstentum vorkommen wie ein Schafstall,« sagte Kriemhofen.

      »Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht kann's ja recht sein,« rief der Rittmeister; »einem alten Soldaten wär's lieber, wenn's etwas zu raufen gäbe. Aber sagt, Herr, wie hält sich denn der Adel hierzulande?«

      »Pah, der Adel!« lachte Kriemhofen und wischte mit der Hand durch die Luft.

      Hansjörg Portner erhob sich in seiner dunkeln Nische, zog die Stulphandschuhe an und setzte den Federhut auf den Kopf.

      »Ihr seid ja morgen abend beim Herrn Vizedom zu Gaste, Herr Rittmeister,« fuhr Kriemhofen fort und lachte; »da fragt nur einmal die Gnädige, wie bei ihr die oberpfälzischen Landsassen heißen!«

      »Na, wie?«

      »Gewappelte Mistbauern und feiges Hasenvolk.«

      Hansjörg Portner schob seinen Tisch zur Seite und ging sporenklirrend an den Tisch der Offiziere, blieb stehen hinter Kriemhofens Stuhle, lüftete den Hut, spreizte die Beine und rief mit schneidender Stimme: »Hansjörg Portner von und zu Theuern, oberpfälzischer lutherischer Landsasse, Doktor beider Rechte und reformierter venetianischer Kornett, ihr Herren!«

      Die Offiziere hatten sich erhoben und nannten ihre Namen. Der Sekretarius von Kriemhofen aber saß fest auf seinem Stuhle und wandte sich nicht.

      »Herr von Kriemhofen,« sagte Portner und stülpte den Hut über den Schädel, während sich die Herren setzten, »Ihr habt soeben Verächtliches verlautbart über die Ritterschaft der Oberpfalz. Steht mir Rede!«

      »Feder und Schwert kontra Feder!« flüsterte der Leutnant seinem Nachbar ins Ohr und verzog das Gesicht.

      Kriemhofen wandte sich nicht und sagte mürrisch: »Ich hatte Euch nicht wahrgenommen, und ich habe das Wort nicht als meine eigne Meinung gesprochen.«

      »Herr von Kriemhofen, wollt Ihr Euch nunmehr hinter einen Weiberrock verkriechen?«

      Der Sekretarius zuckte zusammen. Dann fuhr er auf und wandte sich gegen den Landsassen: »Ihr kennt die kurfürstlichen Mandate, Raufhändel betreffend – schert Euch, sonst lass' ich Euch Mores lehren!«

      Die Offiziere flüsterten untereinander. Hansjörg Portner kreuzte die Arme und sagte: »Herr von Kriemhofen, Ihr wißt das vielleicht selber nicht, aber es kann's jeder wahrnehmen ohne Brille – hinter Euern Löffeln ist's noch ganz tropfig naß.«

      »Herr –« murmelte der Sekretarius.

      »Das langt zum Knallen,« sagte der Rittmeister laut und blickte verwundert an Kriemhofen hinauf.

      »Ich bin während der nächsten Stunde in meiner Stube droben,« sprach Portner und verneigte sich gegen die andern: »Um Vergebung, ihr Herren!« – Und sporenklirrend schritt er hinaus.

      Totenbleich saß der Sekretarius auf seinem Stuhle. »Der Hund!« zischte er.

      »Je nun, Herr,« sagte der Rittmeister und wandte seine stechenden Augen nicht vom Angesichte des andern, »er hat sich seiner Haut gewehrt, sonst nichts. Respekt vor einer solchen Kreatur! – Aber sagt an, sind Eure oberpfälzischen gewappelten Mistbauern allesamt aus diesem Holze?«

      Kriemhofen schwieg. Der Verwachsene aber in der dunkeln Fensternische legte sein Geld neben den Krug, nahm sein Mäntelein und seinen Hut vom Nagel und schlich aus der Stube.

      »Wollt Ihr mir den Gefallen thun?« wandte sich der Sekretarius zum Leutnant.

      »Wenn's weiter nichts ist, von Herzen gern!« sagte dieser und erhob sich.

      »Eine verteufelte Geschichte für einen kurfürstlichen Beamten!« murmelte Kriemhofen.

      »Wenn die Ehre spricht, schweigt alle andre Musik,« sprach der Rittmeister und streckte die langen

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