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denkt und hofft.«

      »Was bleibt ihm andres übrig, als zu hoffen?« fragte Ruth.

      »Hoffen und Harren macht manchen zum Narren,« antwortete der Zantner und ging auf und ab. »Er weiß ja selbst nicht, was er will!«

      »Herr Vater, Ihr sprecht, als wäre der Portner Euer ärgster Feind!«

      »Ist er ja doch!« rief der Zantner und blieb vor seinem Kinde stehen. »Hat der Fant vor etlichen Monaten einen Brief geschrieben – gieb mir deine Tochter, ich will sie, damit basta. Und der sollte nicht mein ärgster Feind sein?«

      »Aber, Herr Vater, Ihr habt ja doch eingewilligt?«

      »Und was hätt' ich machen wollen dagegen?«

      »Aber, Herr Vater, er hat es doch nicht böse gemeint!« sagte Ruth und versuchte zu lächeln.

      »Nicht böse?« fragte der Zantner. »Und weißt du denn, was das alles in sich begreift, du? – Das heißt: Zantner, du hast sie auferzogen – weg damit aus den Augen, aus dem Sinn! Zantner, du hast in deinem Kinde eine Freundin gehabt – was stehst du und murmelst? Beiß die Zähne aufeinander und gieb sie dem Räuber – dem – dem –«

      »Das ist so hergebracht,« meinte Ruth und sah den Vater zärtlich an.

      »Jawohl, so hergebracht, der Lauf der Welt,« murrte dieser; »jawohl, ich weiß. Und sind auch hundert und hundert Väter froh, wenn's glückt, und reiben ihre Hände. Aber ich nicht, ich nicht!« Und wieder begann er auf und ab zu gehen.

      »Ach, der Herr Vater darf sich darüber wohl nicht sonderlich grämen,« sagte Ruth; »ich glaub' halt immer, zuletzt wird nichts daraus.«

      »Nichts daraus, Ruth? Mach mir nichts weis, Ruth!«

      »Ach, Herr Vater, ich habe Euch doch noch niemals etwas weisgemacht!«

      »Na, das wäre auch schön, Ruth! – Mach dir nichts weis, hätt' ich sagen sollen. Ich kenne das Ende vom Liede. Genau kenn' ich's, genau.«

      »Herr Vater, ich denke, es ist wohl schon längst aus zwischen mir und dem Portner,« sagte Ruth mit bebenden Lippen.

      »Aus?« grollte der Zantner und schritt auf und ab. »Hätt's beinah auch gehofft, weil er nimmer auf den Zant geritten kam seit dem Frühling. Aber nun weiß ich's anders und ganz genau.«

      »Aber, Herr Vater, was denn?«

      »Ich habe dir eine Botschaft zu bestellen,« sagte der Zantner.

      Ruth kam näher. Es war so dunkel geworden, daß sie die Züge des Vaters nicht mehr zu erkennen vermochte von der Thüre her.

      »Wir saßen ganz allein im Schlüssel,« begann der Zantner und ging dabei auf und ab. »Herr,« fragte mich auf einmal der Portner, »werdet Ihr emigrieren oder konvertieren?«

      »Und was habt Ihr geantwortet, Herr Vater?« stieß Ruth hervor.

      »Ich?« Der Zantner blieb stehen. »Nichts!« sagte er und begann aufs neue seine Wanderung.

      »Nichts?« fragte Ruth mit bebender Stimme.

      »Nichts!« wiederholte der Zantner mit Nachdruck.

      Ruth wartete, bis der Vater an ihr vorüberkam. Dann trat sie neben ihn und begann ihm zur Seite auf und ab zu gehen und horchte begierig auf jedes Wort.

      »Der Portner nun stierte vor sich hin und hatte sein Weinglas umklammert, und als ich lange schwieg, sprach er zu mir: ›Ich weiß es schon, Eure Tochter denkt schlecht von mir –‹«

      »Das ist ein Irrtum,« sagte Ruth und ging mit angehaltenem Atem neben dem Vater auf und ab.

      »›– denkt schlecht von mir. Und so bitt' ich Euch, Herr, sagt Eurer Tochter, daß ich thue, was sie will. Wenn sie will, daß ich konvertiere, so konvertiere ich; will sie, daß ich emigriere, so emigriere ich, selbst wenn uns Theuern bleiben sollte.‹ – Und dabei umklammerte er das Weinglas so heftig, daß es zerbrach und der Wein auf das Tischtuch floß.«

      »Und was habt Ihr dem Portner geantwortet, Herr Vater?« fragte Ruth und seufzte tief auf.

      »Nichts,« kam die Rede zurück. »Aber da ich sah, daß ihn die Liebe toll macht, versprach ich ihm vorm Abreiten, ich wolle die Botschaft bestellen.«

      »Und was sagt Ihr mir noch, Herr Vater?«

      »Nichts.« –

      »Herr Vater,« begann Ruth, indem sie rastlos auf und nieder schritt an der Seite des kleinen Mannes; »wenn nun – erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme – wenn nun in etlichen Monaten ein andrer an Euch die Frage stellt –?«

      »Welche Frage?« rief der Zantner gereizt.

      »Wollt Ihr konvertieren oder emigrieren, Herr von Zant?« vollendete Ruth.

      Der Zantner schwieg, und man hörte nichts als das Geräusch der vier Sohlen auf den Dielen: der zwei schweren mit dem starken Sporengeklirre und der zwei leichten, die kaum den Boden berührten. Der Zantner schwieg.

      Nach einer Weile ging Ruth zur Thüre, wandte sich und fragte mit bebenden Lippen: »Es ist so dunkel bei Euch – darf ich das Licht schicken?«

      »Schicke das Licht!«

      Und Ruth schlich aus der Thüre.

      Ruth befahl der Magd, das Licht zu bringen; dann ging sie und suchte die Mutter.

      Und sie fand die Mutter in der Leinwandkammer.

      »Das ist recht, Ruth, kannst mir helfen!« rief die Zantnerin, und Ruth begann schweigend die Leinwandstücke vom Tische in die Truhe zu legen. Trübe brannte die Laterne.

      »Ruth – kennst du's?« sagte die Mutter und hob ein buntes, flitteriges Ding aus ihrer Truhe.

      »Ja, Frau Mutter,« antwortete Ruth leise.

      Die Zantnerin kam nahe heran und wog das bunte Ding auf den Fingerspitzen.

      »Nun, Ruth?«

      »Die Brautkrone, Frau Mutter,« murmelte Ruth, nahm ein neues Leinwandstück und bückte sich tief in die Truhe.

      Mit glücklichem Lächeln stand die Zantnerin und sah von der glitzernden Brautkrone auf den Scheitel ihrer Tochter.

      »Frau Mutter,« sagte Ruth und erhob sich, »erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme, Frau Mutter!«

      »Ei, was denn, Ruth? Und wie siehst du denn aus, Ruth? Erschreckst du mich, Kind!«

      »Gehen wir nicht seit dem Frühling herum, eines um das andre, Frau Mutter, und verbirgt eines die Gedanken vor dem andern, Frau Mutter –?«

      »Welche Gedanken?« fragte die Zantnerin ängstlich und legte die Brautkrone auf einen Stoß frischer Wäsche.

      »Erlaubet, daß ich mir ein Herz nehme, Frau Mutter! Wenn nun in etlichen Monaten die Frage an den Herrn Vater kommt, Zantner, willst du –?«

      »Ruth – geh – geh zum Vater – und – frag – den Vater –!« rief die Zantnerin angstvoll.

      »Ich habe mir das Herz genommen und den Herrn Vater gefragt,« antwortete Ruth; »aber Frau Mutter –«

      »Ruth, was der Herr Vater sagt, dem höre zu, mich – laß –!« Sie schlug die Hände vors Gesicht und brach in Weinen aus.

      »Aber Frau Mutter!« Das Mädchen umschlang die bebende, zitternde Gestalt und bedeckte die Hände vor dem Antlitze mit Küssen.

      »Geh, Ruth, geh! Liebe Ruth!« schluchzte die Zantnerin und wandte sich ab.

      Und Ruth schlich aus der zweiten Thüre.

      Es pochte an der Stube der Ahnfrau.

      »Nur herein – das ist die Ruth, die kenn' ich schon am Pochen!«

      Ruth kam herein. Die Ahnfrau saß in ihrem ledernen Lehnstuhle, auf dem Tische brannte eine dünne Unschlittkerze, und zu Füßen der Greisin

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