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Zeit sind wir,« murmelt der Kurfürst und starrt in den Saal.

      Auf dem Zant.

       Inhaltsverzeichnis

      Weitmächtig und unergründlich, tiefblau und wolkenlos wölbte sich der Himmel über dem hügeligen Lande.

      Die dunkelgrünen Fichten und Tannen hatten helle Spitzen angesteckt, und am Saume der schwarzen Wälder leuchteten die schlanken Birken. Auf allem Dorngesträuche lag der Blütenschnee, Bienen summten über den blumigen Wiesen. Die Vögel sangen in den Büschen, tirilierten in den flimmernden Lüften, lockten sehnsuchtsvoll in den Thälern und Schluchten. Unter weißschimmernden Bäumen verschwanden die grauen, geflickten Strohdächer des Dörfleins, und wie das märchenhafte Schloß im unbekannten Sagenlande thronte die Zantburg auf dem grünen Hügel und guckte mit ihren kleinen Bleifenstern hinaus in all die Frühlingspracht, als wollte sie sagen: Ich hab's vielhundertmal gesehen, und doch ist's immer wieder schön.

      Ja, es war schön! Wer glücklich war, dem schlug das Herz, dem glänzten seine Augen – wer traurig war, der mußte sich verkriechen an diesem wonnevollen, wundersamen Frühlingsnachmittag.

      Unter der grünen Linde im Burghofe saßen die Zantnerischen und ihre Gäste, der Kemnater und Hansjörg Portner von Theuern.

      »Dein Wein ist gut, Herr Nachbar,« sagte Wolf von Kemnat und hob das Glas; »ich bring's dir und den Deinen, von der Ahnfrau bis zum Kleinsten da!«

      Der Zantner nahm seinen Becher und trank Bescheid. »Das ist ein großer Mund voll,« lachte er, stellte den Becher auf den Steintisch und zählte an den Fingern.

      »Aber, Herr Vater,« sagte Ruth und hob das Kleinste auf den Schoß, »müßt Ihr da erst zählen? Das können unsre Hennen besser, die wissen's auswendig, wie viele Küchlein sie haben – sieben habt Ihr, Herr Vater, und die haben eine liebe Mutter und eine vielliebe Ahnfrau.«

      »Ist ja nicht wahr, Ruth,« lachte der Zantner; »sechse sind's, und die haben zwei Mütter und eine Ahnfrau.« Und dabei streichelte er die schwarzen Haare seiner Tochter.

      »Eine brave Frau und eine emsige Tochter,« sagte die Ahnfrau, die in ihrem Lederstuhle am Stamme der Linde saß, »und ein altes, verhutzeltes Weib, das unnütz ist zu jeder Arbeit, Herr Sohn.«

      »Frau Mutter!« rief der Zantner.

      »Ahnfrau!« rief Ruth.

      Die bleiche Zantnerin aber streichelte der Mutter Hände.

      »Jawohl,« sagte diese und lächelte behaglich; »da sind die Zigeuner gescheitere Leute.«

      »Was thun denn die Zigeuner?« fragte Ruth.

      »Die Zigeuner graben ihre alten, gebrechlichen, unnützen Eltern lebendig ein, Kind,« sagte die Ahnfrau.

      »Aber das ist ja entsetzlich!« murmelte Ruth.

      »Ich finde das sehr vernünftig,« beharrte die alte Frau. »Habe auch anfangs immer gewartet: jetzt wird der Herr Sohn kommen und fragen – ist's gefällig, einsteigen, Frau Mutter –?«

      Der Zantner lächelte vor sich hin, lächelnd streichelte die Zantnerin die Hände ihrer Mutter, Ruth aber rief mit bebender Stimme: »Ahnfrau, das kann ich ganz und gar nicht verstehen!«

      »Dumm's Mädela!« sagte die Greisin und machte ein ganz grimmiges Gesicht, derweil ihr zwei dicke Thränen über die runzeligen Wangen liefen und in den Schoß träufelten. »Seit wann versteht man denn auf dem Zant kein Späßlein mehr? Aber vielleicht haben's die fremden Herren auch nicht verstanden!«

      »I, das wissen wir doch, wie der Zantner mit seiner Schwieger haust,« lachte der von Kemnat und nahm einen starken Schluck; »das weiß man im Umkreis von zwölf Stunden!«

      »Bitte, nichts Besonderes,« sagte der Zantner. »Alter Aberglaube vom Segen der Eltern, der den Kindern – na, die Geschichte vom Häuserbauen kennt ihr wohl alle.«

      Ruth steckte das rote Köpflein in die Locken des Schwesterleins, die alte Frau aber lachte leise: »Wenn's auf meinen Segen ankäme, Herr Sohn, dann stände da auf dem Berg ein Schloß wie die Nürnberger Burg. – – Nein,« besann sie sich, »überall, wo Ihr wolltet, aber den Zant ließen wir stehen! Der Zant, Herr Sohn, um den wär's doch sehr schade, der Zant –«

      »Der Zant ist eben der Zant,« lachte der Burgherr.

      »Und auf dem Zant möchte ich wohl auch einmal sterben,« schloß die Greisin nachdenklich.

      »Aber noch recht lange nicht, Ahnfrau!« meinte Hansjörg Portner.

      »I da soll doch gleich – kommt der auch noch und thut einem schön!« sagte die Greisin. »Da könnte man ja ordentlich eitel werden.« Und sie sah den Junker mit einem wohlgefälligen Blicke an.

      »Kenne solche, die uns allesamt heute lieber als morgen von unsern Burgen und Sitzen vertreiben möchten. Lohn's ihnen Gott mit Schwefel und Feuer und Pest!« rief der Kemnater und nahm einen Schluck.

      »Vertreiben?« fragte die alte Frau und richtete ihre klugen Augen auf den feisten Junker.

      »Noch lieber foltern, köpfen, verbrennen,« rief der Kemnater, und sein Gesicht wurde rot, »verbrennen, dieses am liebsten, und vor dem Scheiterhaufen stehen, wehmütig die Augen verdrehen, die Hände aufheben und beten mit murmelnden Lippen für den armen Schächer. Pfui Teufel!« Er schöpfte Atem. »Aber foltern, köpfen und verbrennen geht halt heutzutage doch nicht mehr so leicht! – Ha –« Der Kemnater kniff die Augenlider zusammen, daß nur noch zwei schmale Striche vorhanden waren, und legte die schwere Faust auf den Steintisch – »habt ihr meinen Pfaffen schon einmal gesehen? Nicht? Ist schade! Du, Zantner? Ja? Das ist so der richtige. Wenn der heut' und dürft' einen Holzstoß aufschichten hinterm Pfarrhof und mich draufsetzen und schmoren in meinem leibeigenen Fett – ich kann's ihm aber auch nicht übel nehmen, ich hab' ihm böse mitgespielt!«

      »Erzählt!« sagte die Ahnfrau. »Einen guten Schwank hör' ich für mein Leben gern; das Lachen thut dem Magen wohl.«

      »Ich und er, er und ich, wir liegen im Kampfe, seit er in Hohenkemnat eingezogen ist, der hochwürdige Herr Blasius Lorenz,« begann der Kemnater. »Am ärgsten aber grimmt's ihn, daß ich meinem alten lutherischen Prädikanten zwischenhinein heimlichen Unterschlupf im Schloß gebe, dem armen Tropfen, und daß ich mit den Meinigen und dem ganzen Gesinde fleißig geistliche Lieder plärre. Hab' meiner Lebtag noch nicht so viel gesungen wie zu jetziger Zeit. Na, was thut also der Pfaffe vor etlichen Wochen? Geht nach Amberg, kauft ihm einen bissigen Köter, kommt wieder und schreit nu den ganzen Tag in seinem Hof und Garten, daß ich's und alle Leut' hören: Luther, da herein, Luther, such, kusch, Luther, kusch! – So hat er, müßt wissen, das Vieh benannt.«

      »Frechheit!« fuhr Portner auf.

      »Nu hab' ich mich lange besonnen, was ihm dagegen anzuthun wäre. Endlich ist mir's geschossen. Sein Köter ist nämlich also geeigenschaftet, daß er seinem Herrn alles zuträgt – was er übrigens gemein hat mit diesem und jenem zweibeinigen Hund in Rock und Hosen zu Hohenkemnat. Nu hab' ich am jüngstvergangenen katholischen Feiertag frühmorgens nahe bei der Kirche auf meinem Grund und Boden ein schwarz, alt, abgemergeltes Roß lassen abdecken, des Pfaffen Hund herangelockt, dem Kadaver einen Fuß abgeschlagen, und als man gerade das Zeichen gegeben mit den Glocken und der Hochwürdige aus dem Pfarrhof geschritten und alles Volk auf dem Kirchenplatz gestanden ist, hab' ich den Köter eifrig ermahnt: bring's dem Herrl, bring's ihm! Und ist der Hund mit dem schwarzen Roßfuß im Rachen gerannt wie verrückt, dem Hochwürdigen in Weg gelaufen, ihm aufgewartet und das Präsent hingehalten, coram publico. – So gelacht hab' ich, kann's wohl sagen, in meinem ganzen Leben nicht, wie nu der Hochwürdige dem Vieh einen Tritt giebt, daß es den Roßfuß fallen läßt, als hätt' ihn der Leibhaftige selber verloren auf dem Kirchenplatz in Hohenkemnat, und mit Geheul davonrennt, und wie dann der Hochwürdige die Faust ballt und auf mich herüberdroht und von weitem schimpft. – Also hab' ich ihm die Bosheit heimgezahlt, und jetzt

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