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fragte er vertraulich und wies mit dem Daumen über die Schulter zurück. – »No, halt mei' Alte, Euer Gnaden –?«

      »Merke dir von vornherein, hier ist nicht Mann und nicht Weib, nicht Vater und nicht Sohn,« sagte der Landrichter mit Würde.

      »Kinder haben wir keine,« warf der Hufschmied ein.

      »– sondern jeder giebt die Erklärung ab für seine Person,« schloß der Landrichter. »Und übrigens werdet ihr euch wohl vorher miteinander besprochen haben, du und dein Weib?« setzte er lauernd bei.

      »O ja, so, so, Euer Gnaden. Jetzt ich denk' mir halt, mit der – na, Herr Landrichter, die wenn ihren Kopf aufsetzt, ich denk' mir, der Kurfürst selber –«

      »Seine Kurfürstliche Durchlaucht!« unterbrach ihn der Vorsitzende.

      »No ja, Herr Landrichter, wenn der selber käm' und saget: ›Sabine‹, wenn der saget, ›Sabine, da gleich auf der Stell' mußt jetzt katholisch werden‹ – Herr Landrichter, habt Ihr's positiv von ihr verlangt?«

      »Freilich!« kam die Antwort vom Tische.

      Es war schon sehr dämmerig im Saale, doch der Hufschmied stand so, daß ein verirrter Lichtschein vom Fenster auf sein pfiffiges Gesicht fiel, und der zweite Schreiber stieß den ersten an.

      »Die Kerzen!« befahl der Landrichter, und der Diener ging hinaus.

      »Der Herr Landrichter entschuldigt schon,« begann der Hufschmied und drehte den Hut bedächtig zwischen den Fäusten, »gesetzt nun den Fall, wenn mein Weib halsstarrig ist –?«

      »Dann kann sie ehestens durchs Stadtthor hinaus direkt zum Teufel fahren,« erklärte der Landrichter.

      »Und da hebt dann, entschuldigt schon, die Obrigkeit selber den Ehestand auf?« erkundigte sich der Schmied.

      »Ja, wenn der andre Teil in seiner Halsstarrigkeit verharrt.«

      »Und was ihr zugehört, muß ich hinauszahlen? Entschuldigt schon!«

      »Das wird sich zeigen.«

      »O, Herr Landrichter, ich zahl's gern.«

      »Nun also!« drängte der Landrichter.

      Und im unsicheren Lichte der Kerzen schrieben die Schreiber: ›Hufschmied Scharf hält's dafür, es sei dies eine Schickung Gottes, sein Gemüt führe ihn selbst dazu; will gern katholisch werden.‹

      »An Ostern?« fragte der Landrichter.

      »O, morgen, Euer Gnaden!« seufzte der Schmied.

      »Und reinen Mund gehalten bis nach der Beichte, Scharf!« drohte der Landrichter mit gnädiger Miene. »Das Weib erfährt nichts davon!«

      »Ha,« lachte der Schmied, »beileib!«

      Die Thüre hatte sich geschlossen, und der Herr Landrichter lächelte hörbar, und der Regierungskommissarius lachte ziemlich laut, und zuletzt lächelten und lachten alle am ganzen Tische, je nach Unterschied des Ranges und der Würde.

      Und der Regierungskommissarius neigte sich gegen den Landrichter und wisperte vernehmlich: »Herr Kollega, ich schätze, die beiden sind einander dennoch wert.«

      Draußen war es ganz dunkel, und im Saale war es nicht sehr hell. Aber das Geschäft war bald vollendet für diesen Tag. Es kamen nur noch etliche wenige, leise klangen die gedrückten, angstvollen Antworten, und flüchtig raschelten die Federn: ›Wie's Gott will; kann's in meinem Gewissen nicht befinden.‹ – ›Will der erste nicht sein und nicht der letzte, will mich bedenken.‹ – ›Wie einem andern geschieht, so geschehe mir auch.‹ –

      Zuletzt kam der Turmwächter von Sankt Martin vor den grünen Tisch.

      Ob er sich accommodieren wolle oder den Wanderstab ergreifen?

      Der Turmwächter besann sich, indessen sein Magen vernehmlich knurrte. Er sei schon alt, und die Beine thäten ihm elend wehe, den ganzen Tag hab' er auf dem Pflaster drunten stehen und warten müssen, sagte er mürrisch. Ihm sei's im übrigen gleich, er sei ein gereifter Mann, kenne alle Religionen bis hinein ins Türkische. Zudem sitz' er auf einem erhabenen Orte, schaue herunter, komme ihm oft vor, als sähe er Ameisen krabbeln unter ihm in den Gassen und auf den Plätzen; höre auch die Glocken unter seinem Sitze, was nicht jeder von sich behaupten könne.

      Solle sich kurz fassen!

      Wolle sich kurz fassen, sei bereit zu parieren. Aber eines möcht' er noch fragen: ob er's wohl frei herausreden dürfe?

      Soll's nur geschwind sagen!

      Ob's wahr sei, was er gehört, daß nämlich jeder, der sich accommodiere, etwas hinten hinaufgebrannt bekomme, etwa ein Handzeichen oder sonst etwas, wie die kurfürstlichen Rösser? Wär' das der Fall, dann müßt' er sich's doch noch überlegen; denn solches fiele ihm beschwerlich.

      Solle sich keine derartigen Gedanken machen, sei nicht wahr.

      Dann wollt' er sich bis Ostern accommodieren.

      Alle menschliche Erbärmlichkeit, aber auch alles, was groß ist im gottentstammten Menschen, war durch den Saal geflutet wie ein Strom.

      Im weißen Mondlichte schliefen Stadt und Land, und im Dämmerscheine lag der öde Saal.

      Was ist denn das? Es bewegt sich. Ohne Zweifel, es bewegt sich! Aber nein, das kann ja nicht sein. Da drüben steht ein Fenster offen, weil die Luft hinaus muß, die dumpfe Luft, und am offenen Fenster bewegt sich der schwere Vorhang, und sein Schatten gleitet über das Antlitz des großen Karl schräg gegenüber. Siehe, da wieder! – Und doch nicht, nein, es regt sich leibhaftig, sieh nur, die großen Augen suchen unter den Bildern an den Wänden und heften sich auf das düstere Bild des Kurfürsten über dem grünen Tische. Und jetzt, aber sieh nur, jetzt öffnet der Kaiser den Mund. – – Hast du's gehört? Ach, ganz laut und vernehmlich:

      »Kurfürst, da hast du ein halsstarriges Volk.«

      »Leider Gottes, Herr Kaiser.«

      »Aber mich dünkt, du machst allzuviel Umstände, mein Sohn.«

      Sieh nur, wie hart die blauen Augen des Kaisers aus seinem ehrwürdigen Gesichte schauen!

      »Umstände, Herr Kaiser? Ich denke, meine Amtleute verfahren summarisch!«

      Sieh nur, jetzt verzieht der große Karl den Mund zu einem Lächeln, sieh nur, wie grausig –!

      »Summarisch? Mein Sohn, summarisch bin ich mit meinen Sachsen verfahren. Du kennst doch die Geschichte?«

      Horch nur, jetzt ist es, als ob der Kurfürst seufzte in seiner Dunkelheit –

      »Wer kennete diese Geschichte nicht, Herr Kaiser? Einer von den Strahlen im Strahlenglanze Eures Ruhmes sind die Sachsen.«

      »Nun also! Hast du nicht auch Hartnäckige genug?«

      »Die Zeiten haben sich geändert, Herr Kaiser, seitdem die viertausend Köpfe auf die Erde gekollert sind zu Verden.«

      »Viertausendfünfhundert, mein Sohn!«

      »Vergebt, Herr Kaiser, viertausendfünfhundert.«

      »Fehlt es dir an Schwertern?«

      »Wir haben mehr als genug.«

      »An Blöcken?«

      »Auch Blöcke, Herr Kaiser.

      »Und da drunten dehnt sich doch ein großer Marktplatz mit guten Abflußrinnen?«

      »Die Zeiten haben sich geändert, Herr Kaiser.«

      »Ach was, die Zeit sind wir, mein Sohn.«

      »Doch nicht so ganz, Herr Kaiser.«

      »Mein Sohn, ihr Leute von heutzutage habt einen schwächlichen Willen.«

      Horch, was hat nun der Kurfürst gemurmelt, fast als schämte er sich, es laut zu sagen vor den Ohren des großen Karl?

      »Wahrhaftig,

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