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Portner, Ihr haltet doch auch den für einen Tropfen und lausigen Gartknecht, der seinen Glauben abschwört, als wär' dieser Glaube ein schwer Unrecht gewesen?« fragte der Alte.

      »Das muß jeder mit seinem Gewissen abmachen,« meinte Hansjörg unsicher.

      »Der eine thut sich schwer mit seinem Gewissen, weil das Gewissen sein Herr ist; der andre thut sich leicht mit ihm als mit einem unterthänigen Knechte,« sagte der Alte. »Aber wohin denn? Fort, ja, fort! Das ist leicht gesagt. Fort mit Weib und Kindern – und ist doch überall Krieg!«

      Der Alte stemmte die Fäuste auf den Ladentisch und sagte grimmig: »Unsre Väter hätten sich das Unrecht nimmermehr lassen anthun. Wie war's denn Anno 1592 im Winter? Hat uns der Kurfürst calvinisch machen können? Nichts hat er ausgerichtet. Es ward ihm abgetrutzt. – Wir haben keine Waffen, heißt's allerorten, und wir können nichts gegen die Soldateska. Ja, wo sind denn unsre Waffen? Im Zeughaus, dächt' ich! Giebt's keine Brechstangen mehr in der Stadt Amberg? O, genug! Aber keine Mannsbilder giebt's mehr in der traurigen Zeit. – Da – hört Ihr's, Herr Portner?«

      Die Thüre ging auf, und ein dicker Mann trat ein. »Hört ihr's? Nun kommen sie vom Marktplatz herauf! Guten Abend, Herr Portner, guten Abend auch, Gevatter!«

      »Guten Abend,« sagte der Goldschmied mürrisch, und Portner nickte.

      »Is das ein Getrommel!« flüsterte der andre.

      »Und was braucht's das Getrommel?« brummte der Goldschmied. »Weiß ja doch jeder, was ihm bevorsteht – nicht, Gevatter Scharf?«

      Viele hundert Kinderfüßlein patschten die Gasse herauf hinter den rasselnden Trommeln; aber man hörte nichts von dem Patschen, die Trommeln gingen allzulaut.

      Vor der Werkstätte hielt der Haufe, die Fenster zitterten unter dem Gerassel, mit offenen Mäulern standen die Kinder dichtgedrängt und horchten und gafften.

      Die Trommeln schwiegen.

      »Martinsviertel – alle Bürger – Inwohner – im Feiertagsgewand – morgen früh sieben Uhr – Rathaus!«

      Die Trommeln ertönten aufs neue, und der Haufe wälzte sich weiter. –

      Langsam ritt Hansjörg Portner mit seinem Knecht aus der Stadt.

      »Und was soll denn einer da morgen sagen?« begann Scharf, der Hufschmied, in der Werkstätte des Goldschmieds.

      »Gar nix, zuschlagen!« rief der verkrüppelte Mann.

      »Ei, Gevatter, nit so laut, wenn uns jemand hörte!«

      »Jawohl, so heißt's immer und überall!« schrie der andre noch lauter. »Mannsbilder giebt's nimmer in Amberg. Das sag' ich jedem, der's hören will. Das hab' ich auch dem Junker gesagt vorhin.«

      »So ein Junker!« meinte Scharf und strich durch seinen Bart. »Die haben's doch in allen Stücken leichter als unsereins, auch in der Religion. An die geht keiner zu nahe.«

      Der Alte zuckte die Achseln: »Weil der Kurfürst vielleicht die Junker im Chamischen mit seidenen Handschuhen angepackt hat? Sorg dich nit, Gevatter, an die kommt's auch noch!«

      »Wenn einer nur wüßt', was er morgen sagen soll,« wiederholte der Hufschmied.

      Der Alte lachte verächtlich. »Das kann ich mir an den zehn Fingern abzählen, und ich seh' auch jedes einzelne Gesicht, ich sag' dir, jeden Mann und jedes Weib seh' ich leibhaftig vor mir! – Paß auf, Scharf, kannst dir eine Antwort heraussuchen!« fuhr er spöttisch fort. »In einer mächtig langen Reihe stehen wir alle auf dem Marktplatze drunten, und ringsum steht die Soldateska mit brennenden Lunten, und einzeln werden wir hinaufgeführt in den großen Saal, weißt, wo die Kurfürsten hängen und der Kaiser Karl. Und da kannst du sagen: will mich unterweisen lassen; berichtet man mich eines Besseren, so ist mir nit zuwider, katholisch zu werden. Kannst auch sagen: will der erste nit sein und will der letzte nit sein; wie andern geschieht, so geschehe auch mir. Oder: diese Religion gefällt mir gar wohl; wenn andre sich dazu begeben, will ich's desgleichen thun. Oder: ich begehre beim gemeinen Haufen zu bleiben. Oder: was die Obrigkeit haben will, das muß der Unterthan thun; Durchlaucht wird schon wissen, was recht ist. Oder –« nun trat der alte Mann ganz nahe vor den Dicken – »sag doch gleich mit aufgehobenen Händen: ich halte dafür, es ist eine Schickung Gottes; mein Gemüt führt mich selbst dazu; will gern katholisch werden. – Und wahrlich, wahrlich, ich sage dir, dann wirst du genug Rösser zu beschlagen kriegen bis an dein Ende!«

      Der Hufschmied stand in tiefem Sinnen, der Alte wandte sich ab und kramte in seinem Handwerkszeug. Dann fuhr er mit gleichgültiger Stimme fort: »Kannst aber auch antworten – habe zurzeit noch keine Affektion zu dieser Religion. Oder: befinde solches zurzeit in meinem Herzen nit. Oder: kann so geschwind nit ja sagen, noch zurzeit von meiner evangelischen Religion abtreten. Oder: ist eine Gewissenssache; will mich beraten mit meinem Gewissen.«

      Der Hufschmied sagte noch immer nichts, der Alte aber kam wieder ganz nahe an ihn heran und schloß mit ausgestreckter Hand, laut und langsam: »Oder kannst auch sagen – Kurfürstliche Durchlaucht hat Macht über mich bis hierher und nit weiter. Kurfürstliche Durchlaucht ist ein hoher Potentat, und es zittern viele Hunderttausend vor ihm, aber meine Seele zittert mit nichten vor ihm. Denn es ist einer, der steht hoch über Seiner Durchlaucht, und mit diesem Herrn aller Herren habe ich eine Liga und Bündnis geschlossen, die will ich nicht brechen. Kurfürstliche Durchlaucht kann mir den Leib töten – wie Gott will. Ich habe mich resolviert und begehre, auf mein Bekenntnis zu leben und zu sterben. Amen.«

      Der andre schwieg und kaute an seinem Daumennagel. Dann sagte er nachdenklich, als hätte er den Urgrund aller menschlichen Dinge entdeckt: »'s ist halt eine neue, geschwinde Zeit, und mein Vater seliger hat's oft erzählt – damals hat sie angehoben, die neue Zeit, wie das Gebot ausgangen ist zu Amberg in der Stadt, daß keiner sich unterstehe, weder bei Tag noch bei Nacht ein Gefäß durchs Fenster auszuleeren. Und vordem war's doch erlaubt in der ganzen Stadt vom Hußausläuten bis an den Morgen. Und dann haben s' uns diese Freiheit beschnitten, und das ist der böse Anfang gewesen.«

      »Zu dumm!« knurrte der Goldschmied.

      »Das sag' ich auch,« bestätigte der Hufschmied.

      »Dein Geschwätz,« sagte der Alte.

      »Ja, 's ist aber doch so?« fragte der Hufschmied verwundert.

      »Die Sonne ist hinuntergegangen, Gevatter, ich muß die Werkstatt schließen,« mahnte der Goldschmied nach einer Weile.

      »Und was werdet Ihr dann morgen auf dem Rathaus antworten?« fragte der Dicke und schickte sich an, zu gehen.

      Der Alte lachte fast unhörbar.

      »Noch eins!« sagte der Hufschmied und wandte sich unter der offenen Thüre. »Gesetzt den Fall, wenn nun mein Weib sich akkemmediert und ich bleib' aber bei meinem Glauben?«

      »In Amberg sitzen vier lutherische Weiber aus dem Chamischen und essen das Brot der Armut mit Thränen, derweil ihre katholisch gewordenen Männer und Kinder dort im Lande geblieben sind. Giebt halt solch halsstarrig Volk, Gevatter.«

      »Aber da hebt ja die Obrigkeit gar selber den Ehestand auf?« sagte der Hufschmied und machte ein sehr verwundertes Gesicht.

      Der Alte nickte und lachte leise.

      »Die Obrigkeit – selber!« murmelte der Hufschmied und ging durch die Dämmerung nach seiner Behausung.

      Dann blieb er stehen und sann und fuhr fort: »Selber!« Es klang wie Zungenschnalzen. Dann hob er zu pfeifen an.

      »Lustig, Meister Scharf?« sagte einer im Vorbeigehen, griff an seinen Hut und bog um die Ecke.

      ›Immer lustig, der Meister Scharf, sogar heut noch lustig! Jetzt mir wär's Pfeifen, meiner Treu, längst vergangen, wenn ich zu allem andern in der bösen Zeit auch noch dem sein' Drachen hätt'.‹

      *

      Es war am nächsten Abend. Schrägher fielen die Strahlen der Sonne; in Gold getaucht erschien die uralte Stadt.

      Auf

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