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gut!« sagte die Greisin und nickte behaglich, während die Herren beifällig lachten.

      Ruth aber sah mit ernsthaftem Gesichte auf den Kemnater.

      »Hat Euch mein Schwank etwa nicht gefallen?« fragte dieser und machte ärgerliche Augen.

      »Nein,« sagte das junge Mädchen sehr bestimmt.

      »Na, ich hab's ihm aber doch ordentlich heimgezahlt?« rief der Kemnater sehr ärgerlich.

      »Mag sein,« sagte Ruth.

      »Na, also, was gefällt Euch nicht an meinem Schwanke?«

      »Es war nicht recht, daß er seinen Hund Luther nannte, und es war auch nicht recht, daß Ihr ihm den Pferdefuß bringen ließet.«

      »Recht! Was, recht? Kampf ist – wer fragt da nach Recht und Unrecht?«

      »Und wie kann der Kampf endigen, wenn das keiner thut?«

      »Ganz richtig, Ruth,« sagte der Zantner; »wenn mir auch der Schwank mit dem Pfaffen ausnehmend gut gefallen hat.«

      »Wie kann dann wieder das, was ich gesagt habe, ganz richtig sein?« fragte Ruth.

      »O, du lieber Himmel!« seufzte die Ahnfrau mit kläglichem Gesichte. »Das duldet Ihr, daß Eure Tochter eine so ganz andre Meinung hat als Ihr?«

      »Bin ich denn ein Jesuit oder ein lutherischer Hofpfaff?« lachte der Zantner. »Dazu habe ich sie doch erzogen!«

      »O, du lieber Himmel,« sagte die Greisin, während sie heimlich ein Lächeln unterdrückte, »wenn das eine Jungfer gewagt hätte in meiner Jugend!«

      »Ich hätte gewiß mein Staatskleid anlegen sollen,« begann nun der Junker von Kemnat, ganz rot vor Aerger, »und hätt' an seiner Thüre klopfen sollen und hätt' ihn bitten sollen? – Diese Pfaffen, diese, diese – Pfaffen, die uns alle am liebsten verjagen möchten ins Elend, mit dem Bettelstab in der Hand von Land zu Land zu ziehen, den Hut aufheben zu müssen – bitt' gar schön, ein armer Emigrant, um des Glaubens willen vertrieben. Aber so weit soll's nicht kommen, und deshalb müssen wir ihnen das Leben heiß machen, heiß machen –!« Er schöpfte Atem, nahm den Becher und that einen tiefen Zug.

      »Ist ja schon so weit,« sagte der Zantner, und seine Nasenflügel zitterten, während die Rechte ins Wams griff.

      »Vertreiben?« fragte die Greisin zornig. »Wer kann uns vertreiben? Warum könnte man uns vertreiben? Uns? Uns vom Adel? Wer?«

      »Hast du's noch nicht bekommen?« fragte der Zantner den Kemnater.

      »Was?«

      »Das Schreiben vom kurfürstlichen Regiment?«

      »Ist mir vorhin, ehe ich abritt, so 'n Wisch ins Haus getragen worden. Hab' ihn auf den Tisch geworfen. Soll ablagern, der Wisch, hab' ich mir gedacht. Nu, was soll denn drinstehen in dem Wisch, Zantner?«

      »Konvertieren oder emigrieren,« sagte der Zantner finster und hielt ein großes Schreiben in die Höhe.

      »Bis wann?« fuhr der Kemnater empor, kirschrot im feisten Gesichte, mit funkelnden Augen.

      »Also doch!« murmelte die bleiche Zantnerin und faltete die Hände im Schoße.

      »Ruth, was heißt emegieren?« fragte der achtjährige Jörg, der mit erhitztem Gesichte herzugesprungen war.

      »Horch auf den Vater!« flüsterte Ruth.

      Die Ahnfrau zerbröselte mit zitternden Händen ihr Backwerk im Schoße und bewegte die Lippen.

      Hansjörg Portner wandte keinen Blick von Ruth und sagte: »Ich weiß es seit gestern.«

      »Du weißt es?« schrie nun der Kemnater. »Und redest nicht und deutest nicht? Reitest mit mir von Hohenkemnat auf den Zant und schweigst? Duckmäuser! – Her mit dem Wisch, Zantner!«

      »Vetter!« fuhr Hansjörg Portner auf.

      Der Zantner lächelte kühl und steckte das Schreiben in die Tasche: »Es ist doch merkwürdig, wie ungerecht ein Schrecken die Menschen macht. Was hat dir denn der Portner gethan, Kemnater? Niemand ist gerne der Briefbote des Unglücks. Nimm dein Wort zurück!«

      »War nicht so gemeint, beim Teufel, war nicht so gemeint,« schrie der Kemnater. »Aber gieb den Wisch heraus!«

      »Nein, hier im Hofe nicht,« sagte der Zantner; »schauen ja die Leute schon aus allen Thüren. – Stine, Hannes,« rief er mit scharfer Stimme über den Platz, »was ist, habt ihr keine Arbeit, heda?«

      Die Köpfe verschwanden, der von Kemnat aber stemmte die Fäuste auf den Steintisch und schrie: »Jeder soll's hören, da steht einer vom oberpfälzischen Adel, der sagt – ein Wisch ist ein Wisch! Und ehe ich mich ducke, roll' ich ein Faß mit Pulver in meinen Keller und spreng' mich und die Meinen in die Luft. Und wann soll's denn sein, Zantner, wann?«

      »Auf den ersten Jänner 1629 ist der Termin gesteckt,« sagte der Zantner widerwillig.

      »Satanshunde!« kreischte der Kemnater, während sich die Ahnfrau beide Ohren zuhielt. »Mitten im Winter, wenn der Schnee kracht und die Bäume bersten vor Frost?« Er schöpfte Atem und wischte mit der Hand über den geifernden Mund.

      »Ich bitte dich,« mahnte der Burgherr, »kann man denn nicht ruhig reden, Wolf? Ich denk', es geht uns alle an.«

      »Ich will meine Ruhe, meine Ruhe will ich haben!« sagte die Greisin mit erregter Stimme. »Führe mich hinein, Kind!«

      Und sie stützte sich schwer auf den Arm ihrer Tochter und ging mit schleppenden Schritten dem Hause zu.

      »Was ist denn, Ruth? Warum schreit denn der Mann so?« flüsterte der Achtjährige. »Ruth, komm doch mit in den Wald, die andern spielen im Wald!«

      Ruth liebkoste das Mägdlein und flüsterte dem Achtjährigen zu: »Gleich, Jörg.«

      »Nun gebt den gottverdammten Wisch« drängte der von Kemnat.

      »In meiner Stube,« sagte der Zantner und erhob sich. »Komm!«

      »Geh doch, Ruth, hier ist's ekelhaft!« drängte Jörg.

      »Kommt Ihr ein wenig mit in den Wald, Herr Portner?« fragte Ruth.

      »Sie kommen alle!« jauchzte Jörg und jagte über den Hof und hinaus durchs offene Thor. »Alle, alle,« jauchzte er, als könnten die im Walde hinter dem Zant sein Stimmlein hören; »sie kommen alle!«

      *

      Der frischgrüne Buchenhain auf dem Berggrate hinter dem Zant hallte vom Jauchzen der spielenden Kinder.

      Schweigend gingen Hansjörg und Ruth über die alte, moosgraue Zugbrücke, und zwischen ihnen trippelte das kleine Kind.

      Am Ende der Brücke blieb das Mädchen stehen und sagte: »Ich kann's nicht ausdenken!«

      Portner bückte sich und streichelte das Haupt des Kindes und schwieg.

      »Fort?« sagte Ruth. »Ist denn das wirklich Ernst?«

      »Das ist Ernst,« antwortete Hansjörg und richtete sich auf.

      »Aber die kleinen Kinder und die gebrechlichen Alten?« fragte Ruth.

      Hansjörg schwieg.

      »Nein,« sagte Ruth und warf das Köpflein zurück, »das ist nicht möglich, das geht wider das Erbarmen.«

      Hansjörg lachte hart auf: »In maiorem dei gloriam.«

      »Was heißt das?«

      »Zur höheren Ehre Gottes.«

      »Ruth, Ruth!« kam's von den Buchen herüber.

      »Herr Portner,« sagte sie hastig und blickte angstvoll zu ihm empor, »Ihr müßt mir's erklären, es ist mir so dunkel. Ueber alles kann ich mit dem Herrn Vater sprechen; wenn ich auf diese Dinge komme, so schweigt er ganz. Er spricht niemals vom Heiligen mit uns Kindern, ich weiß nicht, warum.

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