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muß nicht sein?«

      »Daß man sich vertreiben läßt,« sagte Portner.

      »Aber wie –?«

      »Es ist jedem freigegeben, sich zu beugen,« kam die Antwort zurück.

      »Sich zu beugen?« fragte Ruth entsetzt. »Aber sagt, lieber Herr Portner, kennt Ihr einen einzigen vom Adel, der so schlecht wäre?«

      »Ruth! Ruth!«

      Die Kinderschar stürmte aus dem Walde, umringte die Schwester und das Kind an ihrer Seite und zog die beiden jubelnd über die Wiese.

      Schweigend folgte Portner und wandte keinen Blick von der lichten Gestalt des Mädchens, das mit schweren Gedanken im Haupte zu lachen und zu scherzen vermochte unter den unwissenden Kindern.

      »Hierher, Ruth!« rief der Elfjährige und zerrte sie zu einem Baumstrunke. »Das ist dein Thron. Her mit dem Kranz!«

      Die Neunjährige kam von hinten heran und setzte der Schwester einen Kranz von weißen Anemonen ins schwarze Haar.

      Ruth lachte, die Kinder aber faßten sich an den Händen und begannen im Ring zu tanzen, und der duftende, sonnenblinkende Hain hallte von dem Freudengeschrei:

      »Ri, ro raa,

       Der Sommer, der ist nah,

       Der Winter ist gewichen,

       Der Sommer kommt geschlichen –

       Ri, ra, raus,

       Stecht 'm Winter die Augen aus!«

      Hansjörg lehnte an einer Buche und sah auf das Gewimmel und träumte – vom Winter und von gefrorenen Straßen, von knarrenden Wagen, dampfenden Rossen und frierenden Kindern.

      Die Sänger hielten inne und schnappten nach Luft.

      »Du bist die Königin, Ruth!« schrie der Achtjährige..

      »Ach was, die Sommerin ist sie,« sagte die neunjährige Else.

      »Die Braut ist sie!« schrie der Elfjährige.

      »Die Braut, die Braut, die Braut!« klang es im Chore.

      »Aber wo ist denn der Bräutigam?« fragte Else.

      Einen Augenblick war alles stille. Dann aber rief der Achtjährige jubelnd und wies mit der kleinen Hand auf Portner: »Am Baume steht er!«

      Ruth sprang jählings von ihrem Throne. »Fangt mich!« rief sie und stürmte in die Tiefe des Haines.

      »Fangen! Fangen!« jubelte die Schar und rannte ihr nach.

      »Angen! Angen!« lallte das kleine Mägdlein und versuchte mit den andern zu laufen. Dann blieb es stehen und begann zu weinen.

      Portner kam heran, liebkoste das Kind und hob es auf den Arm.

      »Sie kann nichts dafür,« sagte er, als wollte er die große Schwester entschuldigen vor dem lallenden Kinde, und dabei schüttelte er den Kopf.

      Das Kind sah ihn ernsthaft an, schüttelte auch den Kopf und legte ein Aermchen um den Hals des Mannes. Dann bewegte es die Lippen, hob und senkte die kleine Brust, streckte die Hand aus und stieß hervor: »Du – auch – angen!«

      Und über den beiden begann ein Fink zu schmettern, daß es hallte im Haine.

      Und wenn –?

       Inhaltsverzeichnis

      Wohledler, Gestrenger, demselben sind meine in Ehrengebühr jederzeit willige Dienst und Gruß zuvor, freundlicher, vielgeliebter Herr Bruder. Das ist ein großer Schrecken gewesen, als mich heute morgens der Herr Vater in sein Museum hat rufen lassen und hat mir des Herrn Bruders Schreiben vom neunten Juni übergeben, Schrecken und Freude zugleich. Aber was kann ich arm, unwissend Ding anders antworten als dieses: Freilich hab' ich schon lange an dem Herrn Bruder einen gar großen Gefallen, also daß ich ihm auf sein Anhalten nach eingeholter beiderseitiger elterlicher Zustimmung von Herzen gerne das Jawort gebe, hoffend, er werde an mir finden, was er sucht und braucht. Weil aber die Zeitläufte so gar gefährlich und geschwinde sich anlassen, so denk' ich mir, es wird noch viel Wasser die Vils hinab gen Theuern rinnen, bis mir die Frau Mutter die Brautkrone auf den Kopf setzt. Weiß ja insonderheit niemand vom Adel im Lande, wo er im nächstkünftigen Jahre sein Haupt hinbetten wird. Und daß ich's nur dem Herrn Bruder gleich anvertraue, weil er ja nunmehr mein bester Freund ist und sein wird: Es dünkt mir seltsam, aber der Herr Vater, der sonst alles mit seiner Ruth bespricht, der ist ganz stumm, wenn ich von dem schrecklichen Religionswesen zu reden anfangen will. Auch die Frau Mutter will mir gar nit Rede stehen; hat's ihr wohl der Herr Vater verboten. Zu geschweigen die gut alt Ahnfrau, die immer fortgeht, wenn sie nur von ferne so was hört. Ist alles ganz dunkel, wohin ich ausblicke. Weiß gar nit, was der Herr Vater zu thun vorhat. Er sollte doch, denk' ich, danach trachten, daß er einen Käufer finde für den Zant (dieses ist mir hart aus der Feder geflossen). Wird also wohl gut sein, wenn die Sache noch still verbleibt zwischen uns, bis daß wir wissen, wo aus und ein. Und schreibt mir fein ja, was der Herr Bruder zu thun gedenkt, und ob die Gebrüder Portner schon einen Käufer gefunden haben für Theuern. Es geschehe mit uns, wie der liebe Gott will. Welches ich dem vielgeliebten Herrn Bruder nit verhalten können. Dann sei der Herr Bruder neben dem wohledeln und gestrengen Herrn Georg Portner von Theuern und dessen Frau Eheliebsten viel tausendmal freundlich gegrüßt und Gott treulich befohlen. Datum Zant den 14. Juni 1628. Eure getreue Dienerin und Freundin, weil ich leb',

      Ruth von Zant.

      Kann's dem Herrn Bruder gar nit sagen, wie lieb er mir ist. Möchte jauchzen, wenn ich daran gedenke, daß er mir gut ist.

      *

      Auf Gras und Kraut lag der funkelnde, blitzende Tau, kein Wölklein war am lichtblauen Himmel, und im duftenden Buchenhaine hinter dem Zant schmetterten wieder die Finken.

      Ueber die moosgrüne Zugbrücke kam Ruth.

      ›Ob es wohl recht ist?‹ murmelte sie, deckte die Augen gegen die blendende Sonne und spähte hinüber zum Haine. Dann hob sie den Saum des Kleides und eilte den schmalen Pfad entlang durch die nasse Wiese.

      ›Wie hoch das Gras heuer steht! Das giebt eine gute Ernte. – Aber was er nur will?‹

      Sie hielt im Walde und spähte in seine grüne Nacht.

      ›Auf der Waldwiese – ob er wohl schon da ist?‹ Sie lauschte, und die Finken schmetterten.

      Sie ging in den Wald.

      ›Ob es wohl recht ist? Du hättest's doch der Mutter sagen sollen!‹

      ›So geh halt heim, Ruth!‹

      ›Heim? Nein, das kann ich nicht.‹

      ›Also vorwärts! Bist du nicht seine Braut?‹

      ›Ach ja!‹

      ›Darum vorwärts!‹

      Er stand am Rande der kleinen Waldwiese, hatte den Zaum des grasenden Pferdes um die Linke geschlungen, den Rücken an den Stamm einer großen Buche gelehnt und träumte vor sich hin.

      Da rauschte es hinter ihm, und dürre Zweige knackten.

      »Ruth –!«

      »Hat uns doch niemand gesehen?« flüsterte sie, trat einen Schritt zurück und glättete ihr Haar.

      »Ich werde meine Herzliebste wohl noch küssen dürfen im grünen Walde?« lachte Portner. »Oder habe ich die Jungfrau gebissen?«

      Sie lachte. »Aber es ist doch ganz gegen den Brauch – so allein?«

      »Brauch hin, Brauch her, – was fragt man viel nach Brauch im grünen Walde?«

      »Aber Ihr habt ja doch Ernsthaftes mit mir reden wollen, Herr Portner?«

      »Habe ich das? Vielleicht. Aber das hab' ich jetzt alles vergessen.«

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