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seinem toten Rosse und von dem Volke, das ›Vivat‹ geschrieen hat,« sagte Hansjörg Portner und bedeckte das Haupt.

      Hans Andre aber meinte mürrisch: »Und wenn du's wissen willst, Hansjörg, für uns Landsassen giebt's jetzt kein andres Mittel – wir müssen dem Vizedom schmeicheln, schmeicheln um jeden Preis, wenn es uns auch nicht also ums Herz ist.«

      »Ich schmeichle niemand,« sagte Hansjörg kurz, ging zur Kammerthüre und pochte: »Georg, komm, es ist Zeit!«

      »Du verstehst das wieder ganz konträr, Hansjörg,« verteidigte sich der edle Burghüter. »Hohe Staatskunst im kleinen, das meine ich, das müssen wir treiben. Meint Ihr nicht auch, Mühmchen?«

      »Von Staatskunst verstehe doch ich nichts,« lachte Frau Anna Felicitas hell auf. »Aber ich denke mir's ganz hübsch, einmal beim Vizedom zu tanzen – das heißt, ich dächt' mir's hübsch, wenn ich nicht was Hübscheres hätte. Gelt, Dorel?«

      »Ewig schade, schönes Mühmchen, daß Ihr nicht mit nach Amberg reitet,« murmelte der edle Burghüter und verneigte sich.

      »Schmeicheln um jeden Preis, wenn es uns auch nicht also ums Herz ist,« sagte die kleine Frau und warf einen lachenden Blick auf Hans Andre.

      »Aber, Frau Muhme!«

      »Nein, nein, Herr Vetter, nur keine Staatskunst zwischen unsern einfachen Wänden! Spart's Euch auf heute abend! Schön hat mich noch keiner gefunden.«

      »Aber Anna Feli!« rief Georg Portner und schloß die Kammerthüre.

      »Ich bin sprachlos,« murmelte der edle Burghüter.

      »Ja, du, Jörg, bei dir ist's was andres; für dich muß ich die Schönste, die Liebste, die Beste sein,« rief die Portnerin noch immer lachend und erhob sich.

      »Bist du auch,« sagte Georg Portner einfach. »Aber beliebt's den Freunden, so können wir reiten.«

      Eilig trabten die Herren und Knechte durch das winterliche Thal. Die Wolken hingen tief herab, über die Schneedecke krochen die letzten Lichter des Tages, und allgemach legte sich die Dämmerung auf die Landschaft. Nur die Türme und Giebel fern am Horizonte starrten noch empor in einen breiten, blutroten Wolkenstreifen. Leise und friedlich sangen die Abendglocken.

      »Hat sich einer von euern Unterthanen geweigert?« fragte der Burghüter.

      »Soviel ich weiß, keiner,« antwortete Georg.

      »Ich glaub's!« lachte Hans Andre. »Bei mir zu Hause haben sich auch alle accommodiert. Und ist kein Wunder. Was bleibt dem armen Gesindel übrig? Wo sollen sie denn Käufer bekommen, und gesetzt den Fall, es glückte einem, wohin soll er denn emigrieren? In den Krieg? – Und kurfürstliche Regierung hat Mittel bei der Hand, die Halsstarrigen zu beugen. Da giebt's Einquartierungen, da giebt's Eisen und Stock, wenn einer beim Richter den Paß verlangt. Ist auch, meiner Treu, so ziemlich ein Ding, was der gemeine Mann glaubt.«

      »Da bin ich denn doch andrer Ansicht!« rief Georg Portner heftig. »Und zudem – beim armen Manne fangen sie an und beschweren sein Gewissen, und bei uns hören sie auf.«

      Hansjörg schwieg und ritt mit gesenktem Haupte hinter den beiden.

      »Sie werden sich hüten!« rief Hans Andre. »Den gesamten Adel eines ganzen Landes wendet man nicht um wie einen schlappigen Handschuh. Das aber ist's ja, was ich sage: Wir dürfen uns nicht in unsern Häusern vergraben, wir müssen heraus und müssen uns zeigen, wo Gelegenheit ist, und dem Vizedom müssen wir schmeicheln.«

      Hansjörg Portner spuckte vernehmlich aus und schwieg. Georg aber rief: »Hat sich der Kurfürst etwa vor den Landsassen in der Grafschaft Cham gescheut?« –

      In der Dämmerung fuhr langsam ein Gespann heran. Das Weib neben den Kühen griff hastig an die Deichsel, lenkte den Wagen von der Straße in den Graben, hielt das Vieh an und bot demütigen Gruß.

      »Das ist ja die Lankhardtin!« sagte Georg Portner freundlich und lenkte sein Roß herzu. »In der Stadt gewesen, Lankhardtin?« Neben dem Bruder hielt Hansjörg; der edle Burghüter ritt fürbaß.

      »Ach, Herr Jesus, Euer Gnaden, das Unglück!« schluchzte das Weib.

      »Was ist denn, Lankhardtin, was jammerst du denn?« fragte nun Hansjörg, während auch die Knechte herankamen.

      »Da liegt er, Euer Gnaden! Sieht's Euer Gnaden nit?« schluchzte das Weib.

      »Ja, wen hast du denn da im Stroh? Das ist doch ein Mannsbild, nicht?«

      »Der Meinige ist's, wer denn?«

      Der Mann auf dem Wagen ächzte.

      »'raus mit der Rede! Was ist geschehen?« fragte Hansjörg, derweil sich Georg von seinem Rosse herab über den Wagen beugte.

      »Er hat ja doch beim gnädigen Herrn Landrichter – ach, der Herr Portner weiß ja nit – katholisch werden thun wir einmal nit, hat er immer gesagt, und da hat er ja doch den Schein –«

      »Meinen Paß hab' ich holen wollen,« unterbrach der Mann auf dem Stroh sein Weib, versuchte sich aufzurichten und sank stöhnend zurück.

      »Auswandern habt ihr wollen? Warum wissen denn davon die Junker nichts?« fragte Georg.

      »In Religionssachen – dürfen – die Unterthanen nichts reden mit den Junkern, ist – strikter Befehl – bei schwerer Straf',« kam's stoßweise vom Wagen herüber.

      »Immer schöner!« fuhr Hansjörg auf. »Aber das Wort hättet ihr uns doch gönnen dürfen!«

      »Ach, der Herr Portner verzeiht schon,« antwortete das Weib; »er hat immer seinen Spruch gehabt und hat gesagt, es ist keinem zu trauen in dieser Zeit. Muß Euer Gnaden schon verzeihen.«

      »Und was ist denn hernach geschehen?«

      »Ganz genau, wie's zugangen ist, weiß ich auch nit. Wir hätten unser Gütel dem Schwager abgegeben, wenn wir den Schein – den Schein müssen wir haben, hat er immer gesagt, der Mann. Also, da ist er dreimal, viermal zum Herrn Landrichter aus Amberg 'nein und hat halt nicht nachg'lassen. Zuerst haben s' ihn fortgejagt, und doch ist er wiederkommen. Und zuletzt, vor drei oder vier Täg', hat Gnaden der Herr Landrichter g'sagt – Hans, wie hat er gleich g'sagt, der Herr Landrichter?«

      »Geflucht hat er und hat g'sagt: Luder, halsstarriges, komm morgen um die Zeit, und da soll dir der Paß geschrieben werden –,« stöhnte der Mensch auf dem Stroh.

      »Und da ist er denn gestern in die Stadt, und da haben s' ihn packt und – Hans, wieviel –?«

      »O je, laß mir mein' Ruh'! Fufzig werden s' mir wohl aufg'messen haben, daß ich liegen blieben bin –«

      »Auf des Landrichters Befehl?« fragte Hansjörg Portner.

      »Den hab' – ich mit – keinem Aug' nit – gesehen. Haben mich halt – Soldaten – packt und – in Keller zogen.«

      Das Weib fuhr fort: »Und da hat mir's hernach einer aus Theuern verraten, er dürft' jetzt heim, ich könnt' ihn holen. Und da hab' ich ihn halt geholt, ihr Herren.«

      Hansjörg murmelte etwas.

      Georg aber fragte: »Und was ist jetzt mit dem Paß?«

      Da richtete sich der Geschlagene mit Anstrengung auf und sagte: »Paß hin und Paß her. Jetzt erst recht, sobald ich wieder laufen kann. Ich hab' mein' Spruch, ich hab' mein' Spruch. Gelt Weib, wir haben unsern Spruch? Ich lieg' auf Rosen gebettet –« Er lachte und sank zurück. »Und die Engel steigen auf und nieder an einer goldigen Leiter – seht ihr's denn nit?«

      »Ach, Herr Jesus, jetzt ist er wieder weg!« jammerte das Weib.

      »Den Spruch, den Spruch haben wir fest, gelt Alte?« sagte der Mißhandelte.

      »Wenn er mir nur nit unter 'n Händen stirbt,« flüsterte das Weib. »Is ja der ganze Buckel 'nunter und 'nunter ein geronnenes Blut!«

      »Den Spruch, den Spruch!« murmelte der Mann auf dem Stroh.

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