Скачать книгу

voll von ihren geschwärzten Gerippen, dünkt mir, das ganze Thal. – Hört Ihr das Heulen nicht? – – Gieb mir, mein Sohn, dein Herz und laß deinen Augen meine Wege wohlgefallen!«

      Hansjörg Portner stöhnte auf seinem Lager, und hoch über der kleinen Burg und dem totenstillen Lande zog der Mond seine friedlichen Bahnen.

      Aus Welschland heim.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war im Spätherbste des Jahres 1627.

      Der Gardasee wogte unter dem frischen Wehen der Ora, eine blaue Welle nach der andern klatschte auf den Strand von Torbole.

      Westwärts ragten die hohen, blaudunstigen Berge, nordwärts lag inmitten der Landschaft, hereingeworfen als ein alter, gefurchter, ungeheurer Steinklotz, der langgestreckte Monte Brione. Zu Füßen des hochgebauten Kastells von Nago glänzten und blinkten Torboles weißgetünchte, flachgedeckte Häuser und starrten mit ihren schwarzen Fensterhöhlen auf die dunkelblaue Flut. Ueber die Ufermauern herab wallte teppichgleich der wilde, rotglühende Wein. Wälder von graugrünsilbernen Oliven dehnten sich gegen Morgen längs den schroffansteigenden Felsen.

      Im kleinen Hafen schaukelten sich schwere Barken, und leise schwankten ihre hohen Masten hin und her. Auf dem Ufersande knieten Weiber und Mädchen und schlugen schwatzend und lachend ihre Wäsche. Schräg über die Piazza griffen die Aeste eines uralten Maulbeerbaumes, und in ihrem spärlichen Schatten wogen sie mit ernsthaften Gesichtern das harte Olivenholz.

      Eine große Barke, vollbeladen mit Kaufmannsgütern, Rossen und Menschen, kam unter der Ora aus dem duftigen Süden, leise rauschend brachen sich die Wellen an ihrem Buge, golden glänzte ihr gelbes Segel in den Strahlen der Nachmittagssonne, und ganz vorn an ihrer Spitze stand ein gebräunter, hochgewachsener Mann. Der betrachtete unverwandt das gewaltige Bild.

      »Ist's wohl da draußen wieder deutsch, Herr?« fragte ein Kriegsknecht hinter dem Gebräunten.

      »Noch nicht, Mathes, aber bald,« kam die Antwort zurück.

      »Und wie weit ist's dann noch auf Theuern, Herr?«

      »Hast Heimweh, Mathes?« fragte Hansjörg Portner und wandte sich um nach seinem Knechte.

      »Dicksatt bis an den Hals herauf hab' ich das welsche Wesen, Herr! Und jetzt um die Zeit giebt's zu Haus wohl auch wieder frisch Kraut in Theuern, und nach solchem, Herr, und nach einem saftigen Stück Schweinernem, Herr, hab' ich mächtig Hunger.« Dabei schnalzte er leise mit der Zunge, und Hansjörg Portner lächelte.

      »Und ob deine alte Mutter noch lebt, möchtest halt auch wissen, gelt Mathes?«

      »Schon auch, schon auch, Herr.«

      Langsam fuhr die große Barke in den Hafen von Torbole, die Schiffsleute schrieen, das Segel fiel.

      »Besorge alles, Mathes! Wir reiten ohne Aufenthalt. Ich denke, droben in Nago liegt ein Brief an mich.«

      Portner sprang ans Land.

      »Je geschwinder, desto besser!« murmelte der Knecht. »Da drüben blühen Rosenbüsche, und schreiben heut ja doch den fünfzehnten November. Je geschwinder aus dem welschen Wesen, desto besser, Herr.«

      Hart am Ufer draußen, abseits vom Lärm des Volkes, stand Hansjörg Portner. Rauschend brach sich Welle auf Welle zu seinen Füßen, und in tiefem Sinnen sah er hinaus, zurück über die wallende, glitzernde Fläche des herrlichen Sees bis zu dem Berge, dessen Felswand so schroff abfällt in die Flut, ein duftigblauer Schattenriß.

      Portner kreuzte die Arme und murmelte vor sich hin, derweil die blauweißen Federn auf seinem großen Hute in der luftigen Ora wehten: ›Als Knabe hineingeritten – als Mann heraus. Viel gewonnen – manches verloren. – Verloren? – – Es ist mir nicht mehr so kindlich zu Mute, wenn ich gen Himmel schaue –, er ist mir ein wenig höher gerückt, der Himmel.‹ – Portner lächelte. – ›Wenn das ein Verlust ist, dann habe ich verloren. – Heute kommen, morgen gehen – wie haben sie doch damals vor fünf Jahren gesungen da drüben in der Herberge? – Hört ihr, was die Wellen rauschen? –‹

      Er summte vor sich hin:

      ›Und als wär's zum letzten Male,

       Fass' ich noch den Glast und Schein

       In die wonnetrunknen Augen,

       In das heiße Herz hinein.

      Füllt mir einen letzten Becher,

       Füllt ihn hoch bis an den Rand –

       Hört ihr, was die Wellen rauschen

       Dort am schaumbedeckten Strand?

      Heute kommen, morgen gehen,

       Ist das harte Losungswort –

       Alles ist ein Spiel der Wellen,

       Und wir treiben eilig fort.

      Drum genieße, was die Stunde

       Dir an reinem Glück beschert!

       Weißt du denn, du Eintagsfliege,

       Ob es jemals wiederkehrt?‹

      »Eccelenza, io sono fertig,« rief der Knecht.

      Noch einen langen Blick that Portner nach Süden: ›O bella Italia, bella, bella Italia!‹

      Dann wandte er sich und ging zu dem uralten Maulbeerbaume, bei dem der Knecht mit den Rossen hielt.

      »Warum schreist du denn wieder so laut und lügst – Eccellenza?« fragte Portner und musterte den Sattelgurt.

      »Weil ich will, daß die welsche Bande heut wie allezeit einen höllischen Respekt hat vor meinem Herrn. – Heiliger Gott, wie sie das Holz wiegen, die Kerle – wiegen, Herr, schaut nur!«

      Die Hufe klangen auf dem steinigen Saumpfade, und zwischen knorrigen Oelbäumen und großblätterigen Feigenbäumen, vorüber an ragenden Felswänden ritt Hansjörg Portner mit seinem Knechte bergan.

      Noch einmal öffnete sich eine weite Fernsicht über graugrüne Haine und gelbschimmernde Weingärten hinaus auf den Spiegel des Sees.

      Portner hielt sein Roß an und sah noch ein letztes Mal auf das gewaltige Bild. Hinter ihm hielt sein Knecht, stellte sich in den Bügeln und riß ein Zweiglein mit dunkelblauen Früchten vom Oelbaume.

      Ein grünlicher Abendhimmel spannte sich flimmernd über der langgestreckten Fläche. Fern im Süden lagen rotbraune Dünste auf dem Gewässer. Und wie im Traume hielt Portner und blickte nach Süden: O bella, bella Italia!

      Da stand auf einmal vor seiner Seele die Heimat. Er sah das arme Flußthal mit seinen fichtenbewachsenen Hügeln, er sah das Herrenhaus mit den grünen Fensterläden, vor seinen Augen sprangen die plumpen Hirsche auf der kurzen Steinbrücke, ragte über den geflickten Strohdächern die graue Burg mit ihrem groben fünfeckigen Turme, dehnte sich unter dem niederen nordischen Himmel der große Garten; und es war ihm, als hörte er den Novembersturm, wie er die letzten Blätter von den kahlen Zweigen raufte, es war ihm, als hörte er die verrostete Wetterfahne knarren auf dem Sitze seiner Väter, es war ihm, als hörte er die Gewässer murmeln unter der Holzbrücke und als pochte aus weiter, weiter Ferne der Hammer von Theuern.

      Ein kühler Luftstrom kam von Norden herunter, das Roß des Knechtes wieherte hell auf, das Roß des Junkers gab Antwort.

      »Mathes, nimmer lang, dann sind wir daheim!« rief Portner, und es war wie leises Jauchzen, was er rief.

      »Und schmecken wieder einmal rechtschaffenes Schmalz!« murrte der Knecht und spuckte verächtlich eine bittere Oelbeere aus dem Munde.

      Die Dämmerung sank mit Macht hernieder, und auf dem Saumpfade erklangen die Steine.

      *

      Hansjörg Portner saß am Herdfeuer in der Herberge zu Nago und las beim Scheine der roten, flackernden Flammen:

      »Besonders

Скачать книгу