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ritt die Anhöhe hinter Theuern hinauf und ritt hinein in die Wälder.

      Tief ausgefahren war der Weg, und einsam ritt es sich im Schatten der Fichten und Tannen. Nur zuweilen klang das Pochen eines Spechtes aus weiter Ferne; dann stieß der Huf des Rosses an einen Stein; dann ertönte aus der Höhe der Schrei des kreisenden Falken; fort und fort aber summte der Morgenwind seinen eintönigen Sang in den leise knarrenden Wipfeln.

      Einsam ritt es sich, und etliche Stunden lang sah Hansjörg keinen Menschen auf seinem Wege. Aber je länger das Rößlein im duftenden Reviere dahinzog, desto heller wurden die Augen des Reiters, desto freier trug er sein Haupt. – Das ist der Morgen, das ist der Wald, und das ist die Jugend.

      Portner kam aus dichtem Unterholze hervor und wollte auf die Straße einbiegen, die durch den Hochwald gegen Mittag lief. Da sah er den ersten Menschen, aber es war ein seltsamer Anblick:

      In mancherlei Stellungen und Lagen des Leibes hatte Hansjörg schon die Leute beim Lesen beobachtet, einen lesenden Reiter hatte er noch niemals gesehen. Und da vorn zog einer Schritt um Schritt seinen Weg, hielt mit beiden Händen einen schweren Folianten vor sein Gesicht und las mit dem Kneifer auf der Nase eifrig in dem gewaltigen Buche, derweil die Zügel nachlässig auf dem Halse des stolpernden Rosses lagen.

      Der Junker spähte mit verwunderten Augen hinüber; dann aber trieb er den Braunen an, zog den Hut und rief laut: »Gott zum Gruße, Herr!«

      Der kleine Reiter nahm das Glas von der Nase, steckte es ein, klappte den Folianten zusammen und schob ihn unter den linken Arm, griff mit der Rechten nach den Zügeln und musterte den Jüngling, der nun seinen Gaul auf die Straße lenkte. Dann sagte er freundlich: »Ei, guten Morgen! Ist das nicht der Hansjörg Portner von Theuern? Und wohin denn des Weges, wenn ich fragen darf?«

      Mit entblößtem Haupte ritt der Junker neben dem Manne, sah ihn treuherzig an und antwortete: »Zu Euch, Herr von Zant, und zu keinem andern.«

      »Freut mich, guter Freund, freut mich!« kam die Rede zurück. »Und meine Hausfrau wird sich auch freuen, von meinen Kindlein zu geschweigen; denn die Kindlein freuen sich immer, wenn ein Gast kommt in das weltverlassene Bergnest. – Aber was du doch deinem seligen Vater, dem Biedermanne, gleichst, Hansjörg! Das hörst du wohl auch allenthalben?«

      »Die Leute sagen's, und ich bin stolz darauf, Herr,« antwortete Hansjörg.

      »Darfst du auch, guter Freund!« nickte der andre. »Aber jetzt biegen wir ab von der Straße, dahinein ins Buchenwäldlein, der Pfad bringt uns geschwinde hinter den Zant. – Wann bist du denn zum letztenmal dort gewesen, Hansjörg?«

      »Vor acht Jahren, mit meiner Mutter,« antwortete der Jüngling. »Doch erlaubt, Herr, daß ich Euch das große Buch abnehme!«

      »Danke, guter Freund,« sagte der Zantner und drückte den Folianten an sich. »Der Weg wird eng, ich will vorausreiten.«

      Schweigend ritten sie zwischen dem Buschwerk. Nach einer Weile wandte sich der Landsasse: »Und wie geht's deiner Pflegemutter in Sulzbach, Hansjörg?«

      »Sie ist immer gesund gewesen, Herr, seit Ihr das letzte Mal bei uns waret,« antwortete dieser. – »Und was sie an mir und meinem Brüderlein Jörg thut, es ist nicht auszusagen,« setzte er bei.

      Der Zantner nickte und murmelte etwas in seinen Bart. Dann fragte er: »Und hat sie mich nicht grüßen lassen?«

      »Sie weiß ja gar nicht, daß ich bei Euch bin,« kam die Antwort zurück. – Die Reiter gelangten aus dem Gehölze auf einen großen, öden Weideplatz, und der Zantner hielt seinen Gaul an. »Kennst du den Weg, Hansjörg?«

      »Den Weg nicht, aber die Richtung. Dort der Hochwald endet in einen kahlen Berggrat, eben hinaus läuft der Pfad, und auf einmal stehen wir hinter der Burg.«

      »Man kann sich leicht verirren in diesen unermeßlichen Wäldern,« meinte der Zantner.

      »Wenn ich die Richtung habe, verirre ich mich nie,« sagte Portner.

      »Wenn die Sonne scheint oder die Sterne flimmern,« warf der Zantner ein.

      Portner schüttelte das Haupt: »Habe mich noch nie verirrt.«

      »Dann mußt du Soldat werden, guter Freund,« lachte der Landsasse.

      »Hab' keine Lust zu diesem Handwerk,« antwortete Hansjörg.

      »Das Schicksal fragt nicht, Knabe,« sagte der andre mit Nachdruck. »Was in den Sternen steht, wird dir zu teil. – Und es könnte wohl sein,« fügte er nach einer Weile bei, »daß jetzt ein Sturm anhebt, wie das heilige römische Reich noch keinen verspürt hat. – Aber sag an, siehst du nicht da drüben am Waldrande ein weißes Kleidlein leuchten?«

      Hansjörg spähte über die öde Fläche: »Ja, Herr, unter den Bäumen steht ein Mägdlein, hält seine Hand über die Augen und sieht auf uns her.«

      »Komm, guter Freund,« sprach der Zantner und trieb seinen Gaul an; »das ist mein Töchterlein, die Ruth, die wartet auf den Vater.«

      Klein Ruth kam in Sprüngen über das Weideland. –

      »Absitzen,« sagte der Zantner, »sonst wird sie mir am Gaul hinaufklettern!«

      Die beiden stiegen ab, und das Kind hing, heftig atmend, am Halse des Vaters.

      Hansjörg stand zur Seite und sah, wie der Zantner seinem schlanken Mägdlein die schwarzen Haare liebkoste, und ihm ward wehmütig ums Herz.

      Dann gab ihm das Kind die Hand und blickte ihn mit den blauen Augen ernsthaft an. Und noch immer hob und senkte sich die kleine Brust heftig, und zwischen den halbgeöffneten, tiefroten Lippen blitzten die blauweißen Zähnlein.

      »Meine Ruth,« sagte der Landsasse von Zant und strich dem Kinde die schwarzen Locken aus der hohen Stirne, und seine Stimme hatte einen zärtlichen Klang. »Meine Aelteste – nicht, Ruth?«

      Das Mägdlein nickte. »Und, Vater, da drüben am Waldrande liegt auch eine dicke, schwarze Schlange. Sie ist ganz langsam unter einem Baumstrunk hervorgekrochen, jetzt liegt sie ausgestreckt in der Sonne. Ich habe ihr lange zugesehen.«

      »Und hast sie berührt?« fragte der Zantner ängstlich.

      »Wie werd' ich?« sagte Ruth und schüttelte sich. »Es ist ja ein giftiger Wurm; weißt du, Vaterlein, er hat ja den schwarzen Zickzackstreifen auf dem Rücken.«

      »Bist mein braves, kluges Töchterlein, mein folgsames,« lobte der Zantner. »Hansjörg, thu mir den Gefallen und halte die Gäule, und du, Kind, zeigst mir die Schlange!« –

      Hansjörg stand zwischen den grasenden Pferden und blickte sinnend dem untersetzten Manne nach und dem zierlichen Kinde, das an seiner Linken dahintänzelte. Dann sah er, wie das Kind mit dem großen Buche zurückblieb und der Mann langsam an den Waldrand ging, sich bückte, aufsprang und winkte.

      Das Mägdlein lief hinzu, dann kam auch Hansjörg langsam nach mit den Pferden.

      Der Zantner hatte seinen Kneifer auf der Nase und besah sich den Schlangenkopf, der in ohnmächtiger Wut aus der festgeschlossenen Faust emporzischte und züngelte, während der gedrungene Leib hin und her schlug und sich krümmte und bäumte. Mit offenem Mündlein stand Ruth vor dem Vater.

      »Da, Ruth, schau!« sagte dieser. »Und du, Hansjörg, glaubst vielleicht das Märlein auch noch, daß die Schlangen stechen mit ihren Zungen? Da –!« Und der Landsasse fuhr langsam mit dem Zeigefinger der Linken an den eingezwängten Kopf.

      »Nicht!« bat Ruth flehend.

      »Still sein und zuschauen!« befahl der Zantner und strich mit dem Finger über das ruhelose Zünglein. »Wie sollte denn das Tier stechen mit solch weichem Ding? Nein, das kann nur der Mensch. Denkfaule Leute, das harmlose Zünglein sehen sie und halten's für des Uebels Ursache. Die fürchterlichen Zähne aber, da schaut nur, Hansjörg, Ruth, die giftigen Zähne hinten im Rachen, die sehen sie nicht.«

      »Das böse Tier!« stieß Klein-Ruth hervor.

      »Böse?«

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