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Hansjörg, freilich,« sagte der andre eifrig; »das ist je und je auch meine Meinung gewesen. Du bist ein vernünftiger Mensch, Hansjörg. Den Wolfheinz lass' ich mir auch noch gefallen – der will doch in Herrendienste ziehen, weißt du's schon? Ja, was ich sage, mit euch beiden ist zu reden; aber mit dem Bastian – das ist ein Widerborstiger. Hansjörg, ich denke, wir halten gut zusammen! Meinst du nicht auch?«

      Einen Augenblick wandte Hansjörg das schöne Antlitz herüber auf den Vetter, und seine feinen Nasenflügel zitterten. Dann sah er wieder hinaus über die Stadt, dem Schlangenlaufe des Flusses nach, bis dorthin, wo zwischen den Hügeln der Rauch vom Hammer Theuern aufstieg und am Horizonte im Dunste verschwamm. »Wer mir den Vater hinter meinem Rücken schmäht, wie kann ich dem vertrauen, Herr Vetter, auch wenn er mir schön thut ins Angesicht?« sagte er mit fester Stimme, während die Schlagader an seinem Halse klopfte.

      Der Burghüter kaute an der Lippe und hatte die Augen gesenkt.

      Da wandte sein Roß den Kopf zurück und begann lautauf zu wiehern. Auf der Kuppe zeigte sich der Reitknecht und winkte heftig mit dem Arme.

      »Was will denn der Esel, der Tausendhimmeldonnerwetteresel?« brach Hans Andre los.

      Hinter dem Knechte tauchte ein Reiter auf, dann noch einer, dann ein dritter.

      »Die haben's eilig,« murrte Hans Andre und drückte sein Roß zur Seite. Auch Hansjörg wich aus bis an den Straßenrand.

      In toller Eile kamen die Reiter. Warnend hob Hans Andre die Rechte und wies auf den steilen Niedergang der Straße. Doch achtlos rasten die drei heran auf ihren schnaubenden, schweißtriefenden Rossen, vorbei und zu Thale. –

      Mit entblößtem Haupte saß Hans Andre im Sattel und starrte dem Trüpplein mit offenem Munde nach. Dann stieß er hervor:

      »Hast ihn gesehen, Hansjörg, den Vordersten auf seinem Braunen, den jungen Herrn mit den großen Augen? Wach' oder träum' ich?«

      »Herr,« schrie der Knecht und rumpelte auf seinem Klepper herzu, »habt Ihr den Durchlauchtigen gesehen?«

      »Rindvieh,« rief Hans Andre, »warum bist du nicht eilig herangeritten, daß ich hätte meine Reverenz machen können zur rechten Zeit?«

      »Aber, Herr, die sind ja geritten wie's Nachtgeschrei!« sagte der Knecht. »Und aufs Wettreiten sind der ihre Haxen nimmer eingerichtet.«

      »Rindvieh!« brüllte Hans Andre.

      »Recht haben ist leicht, recht kriegen ist schwer,« murmelte der Knecht und machte ein beleidigtes Gesicht.

      »Vorwärts, Hansjörg,« rief Hans Andre und trabte voran, die Straße zu Thal; »der Kurfürst ist drunten in Amberg!«

      Am Jörgenthore parierte Hans Andre seinen Gaul und wartete auf den Neffen.

      »Neugierig bin ich nicht, aber wissen muß ich's! Warum ist der Durchlauchtige nach Amberg gekommen? Kannst du dir's zusammenreimen?«

      Hansjörg schüttelte das Haupt.

      »O, ich schon,« sagte der andre triumphierend. »Mach den Finger naß und reck ihn in die Luft! Was für ein Wind ist's? Der böhmische Wind, Hans Jörg. Und der Kurfürst wird König in Böhmen!« –

      Von allen Seiten strömte das Volk in die Regierungsgasse. Schritt vor Schritt gelangten die Reiter bis zum Eingange.

      »So geht's nicht,« rief Hans Andre; »absitzen und warten auf uns am Wingertshofer Thore!«

      Der Knecht führte die Rosse aus dem Gewühle.

      Ein Trupp Stadtknechte kam. »Platz für den regierenden Bürgermeister!«

      Und es bildete sich ein breiter Weg für den Regierenden, der, im Schmucke seiner goldenen Kette ehrwürdig anzuschauen, hinter den Knechten in die Gasse einbog, langsam und steif, als hätte er einen Bohnenstecken verschluckt.

      »Ihm nach!« raunte Hans Andre und zog den Neffen hinter sich her.

      »Platz für den Regierenden!« schrieen die Stadtknechte, und langsam schob sich das Trüpplein zum Schlosse hin.

      Es war ein erregtes Fragen und Raunen und Antworten ringsumher, aber mit unbewegtem Amtsgesichte schritt der Bürgermeister durch das Volk, als stolzierte er durch eine Hammelherde.

      »In achtzehn Stunden, Gevatter? Das ist nicht zu glauben!«

      »Hab's ja selber gehört. Der Reitknecht erzählt's jedem, der's wissen will.«

      »Und woher?«

      »Von Heidelberg, kann's aber nit beschwören.«

      »Waldstreu und Häcksel!«

      »Na,« meinte ein dritter, »ausgeschaut haben die Gäul' danach, und sonderlich der Bräunel! Patschnaß, und die Flanken auf und nieder, auf und nieder, nur so geflogen, und die Zunge heraußen auf halbe Armsläng'!«

      »Und verreckt ist er auch schon,« schnurrte eine Weibsperson, die vom Schlosse her kam und sich mit den Ellbogen den Weg bahnte.

      Vor der Zugbrücke hielten sie.

      »Der Regierende!« rief der vorderste Stadtknecht und betrat die Holzbohlen, auf denen ein toter gesattelter Gaul lag.

      Die Wache spreizte die Beine und ließ passieren.

      Die Knechte traten zur Seite, und würdevoll betrat der regierende Bürgermeister der kurfürstlichen Stadt Amberg die Brücke, schritt achtlos vorüber an dem kläglichen Kadaver und verschwand im Thore.

      Mitleidig besah Hansjörg Portner den Haufen Fleisch und Knochen im braunen, nassen, staubbedeckten Felle und das große gebrochene Auge, das vorwurfsvoll zu fragen schien: Warum?

      »Zweihundert Gulden ist er wert gewesen,« sagte Hans Andre mit Kennermiene. »Unter Brüdern,« setzte er mit Nachdruck hinzu.

      »Fallen ist keine Kunst, aber aufstehen, das ist wohl eine Kunst,« lachte einer von den Stadtknechten. Und ringsumher entstand ein beifälliges Gemurmel.

      »Komm, Hansjörg!« sagte der edle Burghüter und wandte sich. »Wir gehen gleich rechts hinüber zum Thore.«

      »Ich weiß genug,« setzte er bei, als sie aus dem Gedränge waren. »In achtzehn Stunden ist er irgendwoher nach Amberg geritten! Und warum das? Er hat die böhmische Krone genommen!«

      Dann aber legte der edle Burghüter den Finger an die Stirne, blieb stehen und besann sich. Und kurz entschlossen ging er wieder zurück, drängte sich durch die Menge und bestieg einen Prellstein.

      »Ihr Bürger von Amberg,« schrie er mit starker Stimme und schwenkte den großen Hut mit den blauweißen Federn; »unser gnädigster Landesherr, Kurfürst Friedericus der Fünfte, Pfalzgraf bei Rhein, et cetera, et cetera, vivat hoch!«

      »Vivat hoch!« schrieen die Stadtknechte und brüllten die Bürger und Weiber und Kinder in der Nähe. Die Menge in der Gasse aber stand ruhig wie zuvor und wußte nicht, worum es sich handelte.

      Mit befriedigtem Antlitze schob sich Hans Andre durch das Gedränge und ging seinem Neffen nach, der langsam vorausgeschritten war.

      »So gehört sich's, und das et cetera habe ich stark betont, und wie leicht kann's zu den Ohren des Durchlauchtigen kommen, daß der Burghüter von Rieden ihm ein Vivat dargebracht hat,« triumphierte er und bog breitspurig und sporenklirrend neben dem Jüngling um die Ecke.

      Hansjörg Portner sagte kein Wort.

      »Et cetera, et cetera« murmelte Hans Andre aufgeregt, »denk an mich, Hansjörg, es ist so, denk an mich!«

      Innerhalb des Thores hielt der Knecht mit den Rossen.

      »Ein Brief vom Scharffenberger seinem Reitknecht,« sagte er und reichte dem Herrn das Schreiben hin.

      Hans Andre riß es auf: »Potz hunderttausend Sack voll Wanzen über ihn! Kann nicht nach Theuern reiten, der Scharffenberger? Ist leicht zu erraten, warum! Blieb' ich doch auch lieber zu

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