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Das muß ein guter Landsaß glauben. – Aber daß diese Vormundschaft in Theuern in solchen Zeitläuften erst recht kein Zuckeressen ist, könnt Ihr Euch denken, Frau Muhme,« fuhr er fort und nippte von dem Weine, der in köstlichem Krystallglase vor ihm auf dem Tische funkelte. »Alles geht den Krebsgang da draußen – und wem wird die Schuld zuerst und zuletzt in die Schuhe geschoben? Mir und dem Scharffenberger! Wem denn sonst? Ihr wißt ja, wie die Verwaltung bestellt ist in Theuern!«

      »Woher sollte ich Dinge wissen, die ich nicht zu wissen begehre, weil sie mich nichts angehen?« fragte die alte Dame kühl und regte sich nicht.

      »O,« fuhr Portner eifrig fort, »eingerichtet ist's ja vortrefflich, dafür haben wir gesorgt, der Scharffenberger und ich. Aber was hilft die Ordnung, wenn einer immer wieder alles in Unordnung bringt?«

      Frau Anna Elisabeth von Kemnat erhob sich und sagte: »Wo nur der Hansjörg heute bleibt? Ich will einmal bei den Sauerzapfischen nach ihm fragen lassen. Entschuldigt mich, Herr Vetter!« Und damit ging sie aus der Thüre.

      Vorsichtig spähte Portner zurück. Dann goß er das große Glas auf einen Zug hinunter, füllte es wieder aus dem Kruge, lehnte sich im Stuhle zurück und leckte seine Lippen.

      »Er wird gleich kommen,« sprach die alte Frau und schloß die Thüre, setzte sich würdevoll in ihren Stuhl und faltete die Hände im Schoße.

      »Das müßt Ihr doch auch noch hören,« sagte Hans Andre eifrig. »Warum haben sie denn so schnell hintereinander sterben müssen, der Quirin und seine Hausfrau? Ein Jammer! Ist mir oft, als hätt' ich gestern erst ihretwegen den Klagmantel umgehabt, und ist schon bald sechs Jahre her. Nicht wahr, sieben Jahre, seit das Sterben war in Amberg und am Flusse hinunter! Jawohl, sieben Jahre. Nun also, was ich sagen wollte, das Gut wird verwaltet und auch das Hammerwerk, und auf die Liesi Fischerin, den alten Drachen, kann man sich ja verlassen. Ihr wißt doch, daß die Liesi Fischerin die Obermagd ist?«

      Frau von Kemnat schwieg und blickte unbeweglich auf ihre Hände.

      »Obermagd,« fuhr Hans Andre fort. »Aber so viel ist außer allem Zweifel, tausend Gulden Interessen verschlingen alle Jahre die Schulden allein, unter sechshundert Gulden kann der Haushalt auch nicht bestellt werden, von den zweihundert Gulden zu schweigen, die auf das Kostgeld und die Kleidung der minderjährigen Kinder gehen. Der Aelteste ist ja wohl aus der Tutela der Vormünder, aber gerade das ist das größte Unglück. Er hat sich aus seines Vaters selig Wohnung begeben, wohnt im alten Bau hinterm Dorfe und hält sich als ein Edelmann, hat einen Diener, lebt in Verschwendung und verächtlichem Müßiggang, Unser Gutachten begehrt er niemals im geringsten, ja, läßt sich bedrohlich gegen uns Vormünder vernehmen.«

      Hans Andre Portner schöpfte Atem, und mit starrem Antlitze forderte ihn Frau Anna Elisabeth von Kemnat zum Trinken auf. Er nippte hastig, dann fuhr er fort:

      »Und Theuern kann's nicht ertragen, daß er seinen Edelmannstand also führt und nichts thut als essen, trinken, spazierenreiten. Er ist ein undankbarer Gast und ein unbändiger Mensch. Und jetzt, denkt Euch nur, verlangt er ohne weiteres das Seinige heraus. Frau Muhme, das Seinige verlangt er heraus! Und natürlich verlangt's auch der Wolfheinz. Das geht aber schnurstracks gegen das väterliche Testament: Die Güter dürfen nicht geteilt werden, ehe die Schulden bezahlt sind. Das alles muß heute abend in Theuern besprochen werden und beraten. Und deshalb hole ich den Hansjörg. – Ihr seid doch andauernd zufrieden mit ihm, Frau Muhme?«

      »Er ist ein junger Edelmann, wie er sein soll,« antwortete Frau von Kemnat mit eisiger Ruhe. »Verlässig, offenherzig gegen seine Freunde und schweigsam – über fremde Angelegenheiten, von denen er Wissenschaft hat, Herr Vetter.«

      »Das war sein Vater selig auch,« beeilte sich Hans Andre zu sagen, »gewiß, gewiß. Aber ein verrückter Kauz war er doch dabei; muß oft lachen, wenn ich an den guten Narren denke –«

      Hans Andre Portner that einen leisen Schrei und zog sein linkes Bein unter den Stuhl. »Um Vergebung,« sagte er und versuchte höflich zu lächeln, aber sein Lächeln ward zum schmerzlichen Grinsen – »um Vergebung, was haben Euch denn meine Leichdörner gethan?«

      Statt aller Antwort wies Frau von Kemnat auf die Thüre hinter dem Burghüter, und als er umsah, stand Hansjörg Portner im Rahmen und schaute totenbleich auf den Vetter.

      Mit einem Sprunge stand dieser auf den Beinen: »Herrgott, Hansjörg, da bist du ja! Und hab' ich nicht gemeint, da stehe dein lieber, seliger Vater? Aus dem Gesicht bist du ihm geschnitten, guter Freund!« Und mit offenen Armen ging er auf den Knaben zu, bereit, ihn an seine Brust zu drücken.

      Hansjörg aber wich zur Seite und verbeugte sich kurz. Ein fast unmerkliches Lächeln huschte über das faltige Antlitz der Frau Anna Elisabeth von Kemnat. Dann aber saß sie wieder mit unbewegten Zügen da, starr und steif, und reichte ihrem Pflegesohne die Hand zum Kusse.

      Hans Andre stand zur Seite und wischte verlegen an seinem Wamse. Die alte Dame aber sagte: »Hansjörg, glaubst du heute mit dem Herrn Vetter nach Theuern reiten zu können?«

      »Und was soll ich dort?« fragte der Knabe mit bebenden Lippen.

      »Die Vormünder wollen sich mit euch beraten,« antwortete Frau von Kemnat, und es war, als hätte ihre Stimme einen weicheren Klang; »beraten in einer wichtigen Angelegenheit, Hansjörg.«

      Dieser besann sich kurz. Dann sagte er, zu seiner Pflegemutter gewandt: »Ich reite. Uebermorgen bin ich wieder hier.«

      »Ganz recht, Hansjörg, und ich werde dich beim Superintendenten entschuldigen. Und jetzt mache dich bereit!«

      Der junge Portner verneigte sich und verließ das Zimmer.

      Hans Andre aber spielte mit beiden Händen an der Rücklehne seines Stuhles, während sich Frau Anna Elisabeth von Kemnat an einem der Vogelkäfige zu schaffen machte.

      »Er wird's ja hoffentlich nicht gehört haben,« brummte der edle Burghüter und schielte vorsichtig nach der Thüre.

      Die alte Dame zuckte mit den Schultern und kehrte dem Vetter beharrlich ihren Rücken.

      »Wäre mir leid, er ist ja unter seinen Brüdern doch am besten geartet. Und ich kann ihn nicht auch noch zum Feinde brauchen, hab' mit dem Bastian genug zu thun. Doch er wird's ja nicht gehört haben.«

      Frau Anna Elisabeth von Kemnat wandte sich und sagte kalt: »Er hat's gehört, und er wird Euch noch zur Rede stellen; darauf kenn' ich ihn. Und ich möchte ihn sehen, wenn er Euch fragt, Herr Portner!«

      Damit ging sie aus der Thüre.

      *

      Im Abendsonnenscheine ritten die Portner auf der Amberger Hochstraße über die Berge; weit hinter ihnen folgte der Knecht.

      Nicht der Hauch einer Wolke war am tiefblauen Herbsthimmel zu sehen, und in unermeßliche Fernen dehnte sich das hügelige Waldland zu beiden Seiten des Berggrates.

      Aus den Hammerstätten links drunten am Rosenbache und an der Vils drüben stieg blauer Rauch empor, und auf den Feldern und Wiesen in der Tiefe erschienen die Menschen und Tiere klein wie Spielzeug aus einer Nürnberger Schachtel.

      Auf alle Weise versuchte Hans Andre, das Gespräch fortzuspinnen. Aber es ward ihm schwer; denn einsilbig saß Hansjörg auf seinem Fuchsen, schaute vor sich hin und sagte nur ja und nein. Die Hufe klapperten auf der trockenen Straße, kühle Luft strich über die Höhe.

      So kamen sie allgemach auf die Platte des Erzberges, und zu ihren Füßen breitete sich Altamberg, eingezwängt in seine vieltürmige Ringmauer.

      Wo die Hochstraße in die Tiefe führt, hielt Hans Andre sein Pferd an. Hansjörg ritt noch einige Schritte, dann blieb auch er stehen und blickte hinüber auf das Gewirre der roten Dächer.

      »Darum aber handelt sich's heute abend nicht minder,« sagte Hans Andre und trieb sein Roß an das des Jünglings, »ob der Ofen zu Theuern ausgelöscht werden soll oder nicht. Der Bastian will, daß man ihn nicht weiter führe, und beruft sich auf des Vaters Testament.«

      Zum ersten Male lachte Hansjörg kurz auf:

      »Wenn

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