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bitt' Euch, redet heute nimmer mit dem Bastian. Der alte Loißl hat sicher etwas gehört, ich kenn' ihn, Vetter; der Loißl hat Euch warnen wollen.«

      »Das hat er,« bekräftigte Wolfheinz und that einen tiefen Zug aus seinem Becher.

      Da ward die Thüre aufgestoßen, und im Halbdunkel stand die große Gestalt Sebastian Wolfs auf der Schwelle.

      Mit raschen Schritten ging Hansjörg dem Bruder entgegen und hielt ihm die Hand hin. Der aber schob sie weg, schlug die Thüre ins Schloß und trat mitten in die Stube.

      Der Burghüter war aufgesprungen und aus Fenster getreten. Wolfheinz hatte sich in seinen Stuhl zurückgelehnt, streckte die Füße weit ab und sah gleichgültig vor sich hin.

      »Na, da seid Ihr ja, seid Ihr ja, seid Ihr ja,« begann Sebastian Wolf und stand regungslos mit geballten Fäusten da. »Und wo ist der Scharffenberger, wo ist er, frag' ich?«

      »Er hat eine Verhinderung gehabt, guter Freund,« kam die Antwort vom Fenster.

      »Guter Freund, guter Freund! Hat sich was, guter Freund!« Er lachte höhnisch. »Ist schade, daß nur der eine da ist; denn heut muß es 'raus, 'raus muß es, sag' ich!«

      »Bastian,« rief jetzt Wolfheinz und schob dem Bruder nachlässig den Becher hin, »trink und setz dich her zu uns!«

      Sebastian Wolf stampfte. »Du bist ruhig, wenn ich Abrechnung halte!«

      Nun erhob sich Wolfheinz, stellte sich mit gespreizten Beinen neben den Tisch und senkte die Hände in die Hosentaschen. Hansjörg stand am Ofen.

      Sebastian Wolf hob drohend die Rechte gegen den Burghüter, und es kam wie ein Sturzbach aus seinem Munde: »Abrechnung halt' ich, Hans Endres Portner. Weiß wohl, wer im Lande hin und wieder reitet und den Bastian Wolf schlecht macht als einen gotteslästerlichen Kollerer und verunglimpft und in das Salz haut, daß er nunmehr bei jedermann als ein Prodigus und Unmensch gehalten wird –«

      Der edle Burghüter trat einen Schritt vor und sagte: »Guter Freund, beschlafe deinen Zorn, das führt zu bösen Häusern.«

      »Beschlafe deinen Zorn!« schrie Portner. »Höhnen wollt Ihr auch noch? Tag und Nacht wach' und schlaf' ich über meinem Zorn, und Ihr sagt, ich soll ihn beschlafen! 'raus muß alles, alles, alles, das sag' ich! Ist's nicht das pure Gegenteil? Aber ich will ihn zahlen, den Tausendhöllenschelm, den Schelm, den Schelm, und sollt' mein Kopf draufgehen, den losen Mann; ich will ihm Theuern verleiden, dem, und sollt' mir mein Kopf weggenommen werden wie ein Krautskopf, wie ein Krautskopf, sag' ich. Wer ist hier ein Prodigus und Verschwender, ich oder die Vormünder? Was brauchen die Vormünder hier zu Theuern liegen mit Rossen und Knechten immer wieder zwei, drei Wochen und zehren vom Waisengut? Und ihnen müssen dann die Ehalten gehorchen, mir aber, dem Portner, dürfen sie nicht gehorchen! Die Schelme, die Tausendhöllenschelme!«

      Und er hob einen Stuhl, der vor ihm stand, und stieß ihn auf den Boden, daß er in allen Fugen krachte. »Abrechnen, abrechnen, abrechnen, Hans Andre! Man geb' mir, was mein ist! Die Vormünder sollen sehen, jetzt lass' ich nimmer luck, lass' nimmer luck, und sollt' ich gleich auf dem Platze bleiben. Was sagt Ihr dazu, Vetter?«

      »Vom Fenster kam's kleinlaut: »Ich dächte, morgen wär' auch noch ein Tag. Aber wenn du drauf bestehst – gedenk doch, was für eine große Schuldenlast vorhanden ist. Und ihr könnt's ja auch beim kurfürstlichen Regiment ausrichten!«

      Sebastian Wolf rührte sich nicht, und kühner fuhr der edle Burghüter fort: »O, könnt's ja beim kurfürstlichen Regiment erwirken, daß man dir, Bastian, etwa die Güter einräumt gegen Kaution; damit sind wir Vormünder recht zufrieden, gönnen's dir auch gerne. Aber wenn du vermeinst, mit Schmähen etwas Gutes auszurichten, so laß dich das nicht gelüsten. Der Burghüter von Rieden ist nicht der Mann danach.«

      Sebastian Wolfs Hand fuhr unters Wams und kam zurück, und es funkelte etwas im unsicheren Lichte der Kerze.

      Da räusperte sich Wolfheinz kräftig und trat einen Schritt näher: »Ich sag's auch, Bastian, morgen im Tageslicht! Heute wollen wir schlafen gehen. Aber denkt Euch ja nicht, Vetter da drüben, daß Ihr mich auf Eurer Seite habt. O, da wäret Ihr auf dem Holzweg. Ein schlechter Vogel – na, Ihr kennt's ja doch?«

      »Ei da soll gleich,« rief nun der Burghüter, dem der Mut gewachsen war, »von zwei solchen Grünspechten –«

      Sebastian Wolf machte eine rasche Bewegung, aber da hatte Wolfheinz auch schon sein Handgelenk umklammert und sagte gebieterisch: »Den Dolch laß, Bastian!«

      Dem andern traten die Augen aus dem roten Gesicht, und keuchend rief er: »Gieb frei, Wolfheinz, ich muß sein Blut sehen!«

      »Den Dolch laß fallen, Bastian!« befahl der Bruder und zischelte dem Trunkenen etwas ins Ohr. Da stierte ihn dieser an, als könnte er's nicht fassen. Wolfheinz aber wiederholte: »Laß den Dolch!«

      Und der Dolch klirrte auf dem Boden.

      »Ich dank' dir, Bastian, daß du den Dolch hast freiwillig fallen lassen,« sagte Wolfheinz mit Nachdruck und gab des Bruders Handgelenk frei.

      »Du weißt wohl,« murrte dieser, »daß mich keiner mit Gewalt zwingen könnte!«

      Nun trat Wolfheinz an die Thüre, riß sie weit auf und donnerte, zum Burghüter gewandt: »Hinaus!«

      Der raffte seinen Hut von der Wand und entwich. Als er aber an Wolfheinz vorbeikam, war's, als ziehe er ein wenig den Rücken ein.

      »Und habt wohl acht, Vetter, was Euch der Grünspecht sagt,« rief ihm Wolfheinz über die Stiege nach: »Waisengut ist noch nicht vogelfrei in kurfürstlichen Landen. Und morgen laßt Ihr und der Scharffenberger Euch von der Vormundschaft entheben – sonst geh' ich zum Statthalter und ziehe mein oberpfälzisch Mundwerk auf!«

      »Hab' ich Euch nicht vor Euern Gläubigern gerettet und Euch die Fünfzehntausend vorgeschossen aus meinem Sacke?« zeterte Hans Andre von unten herauf.

      »Ja, mit schlechtem Gelde um schwere Zinsen, damit Ihr dereinst den Strick zuziehen und Euch auf unserm Erbgut festsetzen könnt!« donnerte der Jüngling und ging mit schweren Schritten zurück in die Wohnstube.

      *

      »Du hast eine Blutthat verhütet, Wolfheinz,« sagte Hansjörg, als sich auch hinter Sebastian Wolf die Thüre geschlossen hatte.

      »Kann sein,« antwortete Wolfheinz; »den Dolch wirft er wie kein andrer.«

      »Doch mich wundert, wie du das angefangen hast, Bruder!« sagte Hansjörg.

      Wolfheinz zuckte mit den Achseln und goß seinen Becher voll. »Fürs erste bin ich ihm weit überlegen, und dann – nu, Hansjörg, ich weiß halt auch was von ihm, was nicht gerade jeder wissen dürfte. – Laß gut sein, Hänsel! Was du nicht weißt, macht dir nicht heiß.«

      »Ich will's auch nicht wissen,« sagte Hansjörg, mit dem Weinen kämpfend. »Aber, Bruder, wie ist doch unsers Vaters Haus so sehr verwüstet!«

      Wolfheinz starrte in seinen Becher. »Mach mir mein Herz nicht schwer, Hansjörg,« rief er endlich, stand auf, trat ans Fenster und riß es auf. »So dumpf hier oben!«

      Vom alten Bau tönte wilder Gesang herüber.

      »Gute Nacht!« flüsterte Hansjörg und ging in die Kammer nebenan, wo ihm die alte Magd sein Lager bereitet hatte.

      *

      Alle Schläge vom Turme hörte der Knabe, er hörte das wilde Schreien und Singen aus dem alten Bau, er hörte den Bruder nebenan die andre Kammer öffnen, und die Stunden schlichen.

      Mitternacht war gekommen. Seine Augen brannten, seine Zunge klebte am Gaumen, und immer toller drehten sich die Gedanken in seinem Gehirne.

      Hansjörg erhob sich, griff nach dem Wasserkruge und trank.

      »Wie schal und abgestanden!« murmelte er, trat ans Fenster und öffnete einen Flügel.

      Herrlich klar stand der Mond über dem Thale, kein Hauch regte sich in den silbern glänzenden

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