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hinunter. Hansjörg schwieg; nur zuweilen sagte er ja und nein. Fast unablässig aber ging das Maulwerk des edeln Burghüters. Er sprach vom jungen Fürsten und von der alten böhmischen Krone, er lachte über den Kaiser und über den bayrischen Maximilian und über die Jesuiten samt der katholischen Liga, er lobte Herrn Friedrich den Fünften und seinen Schwiegervater, König Jakob von England, und pries das englische Geld und die Kraft der protestantischen Union mit gewaltigen Worten.

      Die Sonne versank, und in dem stillfließenden Gewässer der Vils spiegelte sich der Mond. Klagende Vogelstimmen tönten aus den weiten Schilffeldern, Fledermäuse schwirrten über den Weg, aus den Tümpeln kam das langgezogene hohe Gurren der Wasserschlangen. Hell klangen die zwölf klappernden Hufe durch die Nacht. –

      Vom Silberlichte des Mondes übergossen lag das Dorf, und stückweise glitzerte zwischen den Schatten der hohen Erlen die Fläche des Flusses. Auf den Bänken vor den Hütten saßen die Leute und spielten mit den Allerkleinsten und feierten nach der Arbeit des Tages. Weit hinaus, thalauf, thalab glänzte der weiße Kirchturm mit seinen rundbogigen Schallfenstern. Im hellen Mondscheine stand das Herrenhaus, und die uralten Linden auf dem weiten Platze hinter der Steinbrücke waren anzusehen, als trügen sie silberne Blätter zwischen dem dunkelgrünen Laube.

      Ueber die lange Holzbrücke des Flusses polterten die Rosse, Hunde schlugen an, und vor der Steinbrücke des Schloßgrabens hielten die Portner, sprangen aus den Sätteln und warfen dem Knechte die Zügel zu.

      Schweigend schritten sie zwischen den plump gemeißelten Hirschen hindurch und blieben stehen.

      Ueber dem runden Steintische inmitten der Linden zur Rechten hing eine große Laterne. Auf der Tischplatte lagen Waffen und Werkzeuge, und, halb mit dem Rücken gegen die Brücke gewendet, stand ein großer Mann im funkelnden Harnisch, angethan mit Arm- und Beinschienen, barhäuptig; der scheuerte hörbar an einem Schwerte und pfiff dazu.

      »Wolfheinz!« rief Hansjörg Portner und rannte auf den Bruder zu. »Wolfheinz!«

      Der andre hielt inne und richtete sich auf. Dann lachte er und streckte dem Bruder die Hand entgegen. »Da bist du ja, Hänsel! Stecke mitten in der Arbeit. Aber, sieh nur, er sitzt mir vortrefflich. Und ich trage den Harnisch leicht wie ein Federkleid – sieh nur!«

      Und er nahm auch den Eisenhut von der Bank, stülpte ihn auf seine blonden Locken und begann lachend um den Tisch zu tanzen, daß die langen, blauweißen Wollfedern wehten.

      »Ach, Ihr auch, Herr Vetter?« sagte er plötzlich, hielt inne, stellte sich steif hin, legte die Hände auf den Rücken und murrte: »Guten Abend!«

      »Bist wohl verrückt geworden, Wolfheinz?« fragte Hans Andre und versuchte zu scherzen: »Wer wird denn tanzen im Mondschein, wo doch die Erde so dünn ist wie eine Spinnwebe im Mondschein? Eia!«

      »War nie besser bei Sinnen als gerade heut,« antwortete der Gewappnete stolz und reckte die hohe Gestalt. »Aber wenn Ihr heute mit Bastian verhandeln wollt, werdet Ihr wenig ausrichten, schätz' ich. Die Münsterischen und die Loefenischen und die Kemnaterischen und wer weiß noch sind nachmittags zum Entenschießen zugeritten, und nun trinken sie, seit die Sonne gesunken ist.«

      »Und du nicht, Bruder?« fragte Hansjörg und hob das Schwert vom Steintische. »Und sag nur, was treibst du denn?«

      »Zum Trinken habe ich jetzt keine Zeit,« meinte der andre verächtlich. »Wißt ihr's denn nicht, und kommt doch eben von der Stadt? Die Trommeln gehen ja durchs Land. Heute mittag ist der Einspännig angeritten – der Portnerische solle sich alsobald mit einem wohlausstaffierten Diener und zwei tüchtigen Rossen zu seinem Fähnlein verfügen. Heisa, Bruder, das ist mir in die Glieder gefahren, und bin in die Waffenkammer gerannt! Und, Bruder, mir paßt das Zeug, als wär' ich drinnen geboren.«

      »Aber der älteste ist doch immer der Bastian. Und was sagt denn der?« fragte Hansjörg und half dem Bruder den Harnisch lösen.

      Wolfheinz lachte leise und pfiff ein wenig vor sich hin. Dann schielte er nach dem edeln Burghüter, der langsam aus dem Schatten der Bäume auf den mondscheinblinkenden Platz hinaus ging.

      Vom alten Schlosse her kam wildes Lachen und wüstes Geschrei durch die stille Nacht. Dann klirrte ein Fenster, und eine Männerstimme rief: »All meinen Ahnen in der Gruft den Humpen hier auf einen Suff!«

      Hansjörg zuckte zusammen und griff nach dem Arme des Bruders.

      Der aber lachte: »Wenn er das thut, dann ist er hagelvoll, immer. Du, Hänsel, heute wär' mir's recht, wenn ihm der Vetter nimmer unter die Augen träte. Es muß ja einmal platzen – aber so? Ui!«

      *

      In der alten Wohnstube brannte eine Kerze.

      Das Essen war abgetragen, und die Obermagd stellte mürrisch die Kannen auf den Steintisch und rückte die Becher zurecht.

      Schweigend saß Wolfheinz auf seinem Stuhle, und ärgerlich trommelte der edle Burghüter auf der Tischplatte; Hansjörg lehnte am Ofen.

      »Was meint er denn eigentlich, der Dunnerbastian?« rief Hans Andre und trommelte stärker und stärker. »Wo bleibt er denn? Verhandelt muß doch einmal werden, ihr habt's ja selbst gewollt!«

      »Ganz recht, Vetter, verhandelt muß werden, und je eher, desto besser. Und ich kann Euch sagen, gefreut hab' ich mich auf diese Stunde,« sagte Wolfheinz mit finsterem Gesichte; »aber morgen ist auch noch ein Tag – und wer hat wissen können, daß heute die andern zusammenreiten?«

      »Er soll kommen!« keifte der edle Burghüter. »Er muß kommen, wenn er auch nimmer unter der Tutel ist.«

      Da ging die Thüre auf, und ein steinaltes Männlein trat in das trübe Licht.

      »Also ist's doch so, doch so! Grüß Gott auch, Junker Hansjörg, und ihr Herren beisammen,« sagte er und drehte sein Käpplein zwischen den Händen.

      Mit langen Schritten ging Hansjörg zur Thüre, packte beide Hände des Alten und drückte und schüttelte sie mitsamt dem schmierigen Käpplein.

      »Grüß Gott auch, Junker,« wiederholte der Greis, »und grüß Gott auch, ihr Herren beisammen! Also richtig ist's, richtig.«

      »Setzen, Loißl, daher auf die Bank!« bat Hansjörg, während der edle Burghüter nachlässig sagte: »Ah, das ist ja der Hüttenkapfer! Na, wie geht's mit dem Fußwerk, Loißl?«

      »Setzen, Junker? Wär' schon zu grob!« weigerte sich der Alte. »Was glaubt Ihr denn? Aber ganz der Herr Vater, leutselig und gemein! – Mit dem Fußwerk? Dank' der Nachfrag', Herr Portner. Wenn der Fuhrmann nimmer fahren kann, so freut ihn doch das Patschen, Herr. – Also richtig, richtig! Hat mir mein Weib gesagt, ›Loißl,‹ hat s' gesagt, ›just eben vor einer Stund' ist unser Junker Hansjörg eingeritten in Theuern.‹ Und meine Schwester hat's bekräftigt. ›Dummes Zeug,‹ hab' ich geantwortet, ›trinkt ja doch der Junker Bastian Wolf mit allen seinen Gefreundten, und der Junker Wolfheinz scheuert das Waffenzeug unter der Linden, weil ich's ja selber gesehen hab', und die zwei Jüngsten sind zu Sulzbach in der Stadt.‹ – ›Eingeritten ist er!‹ haben s' alle zwei bekräftigt. ›G'schmarr,‹ hab' ich ihnen gesagt und bin in meinen Kittel gefahren, ›zwei Weiber und eine Gans, das ist 'n Jahrmarkt.‹ Und haben doch recht gehabt, doch recht haben s' gehabt, die Weiberleut'.«

      Hansjörg suchte ihn auf die Ofenbank zu ziehen, aber der alte Hüttenkapfer machte sich los und trat einen Schritt näher an den Tisch: »Wer mir redet, ist mir lieber, als wer mir winkt – aber was mich nit beißt, kratz' ich nit.«

      »Was will er denn, der Alte?« fragte Hans Andre ungeduldig.

      Der kniff die Augen zusammen und räusperte sich: »Lehnt der Knüttel schräg, so fällt er um, und wenn der Krug voll ist, läuft er über,« sagte er leichthin. Dann aber legte er die Hand ans Ohr, lauschte gegen die Fenster hin und raunte schnell: »'m Rauschigen weicht sogar 'n Fuder Heu aus!«

      »Nix für ungut, geruhsame Nacht, ihr Herren beisammen,« setzte er bei, humpelte zur Thüre und ging hinaus. Aber noch einmal steckte er den weißen Kopf herein und bat voll Demut: »Nix für ungut,

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