Скачать книгу

Türkengefahr, und Quirin Portner saß mit frohem Antlitze unter seinen Vettern und Freunden, die geholfen hatten zu dem schweren Geschäfte. Auf der Ofenbank aber hockte die Portnerbrut und horchte still, wie sich's geziemte, auf die Reden der Alten.

      »Und jetzt ist es genug für heute, Schwager, jetzt müssen wir reiten,« rief ein riesig gebauter Mann mit rotglänzendem Angesicht und sprang auf. »Mein Weg führt über Stock und Stein durch den Wald, und im Wald sind nit alle Bäum' gleich, aber alle Wege sind krumm, und die Nacht ist keines Menschen Freund, und am Ende tritt mir der Hoimann vors Roß. Ja, Buben auf der Ofenbank, gelt, da schaut ihr! Will einer mitreiten?«

      »Mit Euch auf der Stelle!« murmelte der Aelteste, und seine Blicke hingen fast ehrfürchtig am Bruder seiner Mutter.

      »Bist ein Prachtkerl, Bastian,« lachte Herr Wolf von Kemnat wohlgefällig. »Warte nur, wir werden noch gar manchen Ritt selbander thun!«

      Und die Knaben liefen und brachten den Herren die Mäntel und Wehren. Und es gab ein Stuhlrücken und Lachen und Händeschütteln, als hätte man ein Fest gefeiert in der alten Stube.

      Im Schlafgemache nebenan aber stand Frau Katharina und las beim Scheine des Wachslichtes die letzte Seite des Testaments. Ihre Hand zitterte, es war ja so kalt, es war ja noch Winter.

      »Datum zu Theuern im neuen Schlosse, den 20. Januar 1612,« murmelte sie, und vor ihren schwimmenden Augen bewegte sich Herrn Quirin Portners sandbestreuter Namenszug und der Hirsch im aufgedrückten Siegel daneben, und der dicke Turm im Wappenschilde ihres Bruders Wolf von Kemnat schien zu wanken, und über die andern Siegel und Namen legte sich ein grauer Schleier.

      »Bist ein Prachtkerl, Bastian!« hörte sie die dröhnende Stimme nebenan und hörte das Klappen der leeren Krüge auf der Steinplatte des Tisches und das Rücken der Stühle. Da legte sie das Libell geschwind in eine Truhe, fuhr mit den Fingerspitzen in den Krug und netzte die Augen mit dem kalten Wasser. Dann trat sie hinaus in die Wohnstube und reichte den Männern die Hand zum Abschied.

      Als letzter kam Wolf von Kemnat zu seinem Schwager, schüttelte ihm derb die Rechte und rief: »Gute Nacht auch, Quirin! Ich schätze, wir werden noch viele Jahre zusammenkommen in dieser Stube und miteinander trinken. Schlag dir die Hornissen aus dem Kopf! Semper lustig, nunquam traurig! das ist mein Spruch und meine Devise, und ich fahr' gut dabei.«

      Da wandte sich auf der Schwelle unter der offenen Thüre Herr Mendel, der viel geschwiegen hatte an diesem Nachmittage, und sagte laut und fest:

      Menschen treffen das Rechte selten,

       Doch was Gott will, das muß gelten.

       Darum sorg du nicht zu viel,

       Gott führt alles an sein Ziel.

      Vor dem Herrenhause trappelten die Rosse. Rufe tönten herauf in die Wohnstube und Gelächter, und an der Decke fuhr der Schein der Fackeln hin und wieder.

      Zusammengesunken saß Quirin Portner im Lehnstuhle, und neben ihm stand sein Weib.

      »Du bist müde, Portner,« sagte sie, beugte sich herab und umschlang ihn. »Lege dich zur Ruhe!«

      »Die Sorgen lassen mich doch nicht ruhen,« seufzte der Edelmann.

      »Hast du's nicht eben gehört? Alle eure Sorge werfet auf ihn; denn er sorget für euch,« sprach Frau Katharina mit klarer, fester Stimme, richtete sich empor und stützte sich mit der Linken fest auf die Steinplatte des Tisches, als wollte sie sich stützen auf das trostvolle Wort.

      Quirin Portner nickte, dann aber sagte er: »Wer doch sorglos ins Leben schauen könnte wie dein Bruder Wolf! Unsereiner trägt seinen Pack jahraus jahrein, daß ihm die Kniee brechen möchten; ein solcher aber geht frank und frei dahin, und wenn ihm Sorgen kommen, dann giebt er ihnen einen Tritt. Schau ihn doch an – wie bekommt ihm Essen und Trinken und Schlafen, und wie steht er gesund in seinen Schuhen, stark und frei wie der Turm in seinem Wappenschilde – – ein stolzer Mann!«

      »Und ist dennoch eine Frage, ob ein solcher mehr vom Leben hat als einer, dem sich hier eine Tiefe öffnet und da eine Tiefe zwischen den blühenden Blumen. Ist denn das Leben nichts andres als Essen und Trinken und Schlafen?« fragte Frau Katharina.

      »Leichter zu hausen wäre wohl sicherlich mit einem solchen,« sagte der Edelmann und versuchte zu lächeln.

      »Glaubst du?« fragte Frau Katharina, und ihre Züge wurden finster, als gedächte sie schwerer Zeiten. »Gott behüte mich, daß ich vor einem andern als vor dir davon rede! Bierbanklacher – Hauskracher, heißt's im Sprichwort. Und der Wolf, der Wolf –? Meine Mutter selig könnte heute noch leben. – Und der Wolf ist seines Vaters Ebenbild. – Ich hause leichter mit dir als die Kordel mit ihrem Wolf,« lachte sie schon wieder und blickte liebreich auf ihren Gatten hinab.

      Der tastete nach ihrer Hand und drückte sie heftig.

      »Sie sehen mir's doch alle schon an der Stirn geschrieben,« begann er nach einer kurzen Zeit. »Und was soll dann aus euch werden?«

      »Sorget nicht!« sagte Frau Katharina nochmals mit Nachdruck.

      »Das Gut ist groß und klein, groß für einen und klein für so viele,« fuhr Herr Quirin fort. »Und der Bastian! – Frau,« sagte er plötzlich, »der Bastian ist doch auf und nieder dein Bruder.«

      Frau Katharina stand in der Ecke, begoß den Epheu und entgegnete kein Wort.

      »Und, Frau,« sagte Quirin nach einer Weile, »da fällt mir ein, der Bastian und dein Bruder waren heut im Altsitz drüben, in der Rüstkammer. Und sie haben sicher alles durcheinander geworfen und auch die Rattenfallen zugestoßen. Und hernach kommt das Ungeziefer und richtet Schaden an im Lederzeug. Ich kann mich ja doch nirgends auf den Bastian verlassen. Ach, wenn einer angebunden ist, wie ich!«

      »Laß gut sein,« tröstete Frau Katharina den Kranken, holte aus der Kammer ein Tuch und nahm den großen Schlüsselbund vom Haken. »Ich sehe nach.«

      »Des Hausvaters Augen und Fußtritte machen den Acker fett,« sagte der Edelmann trübsinnig, »so heißt's wohl im Sprichworte, und da sitze ich und kann mir nicht helfen.«

      »Sind nicht Mann und Frau eins?« scherzte Frau Katharina und ging aus der Thüre. –

      »Mutter, was weinet Ihr?« fragte der Knabe, der langsam und nachdenklich heraufkam und Frau Katharina an der Wand lehnen sah. »Mutter!« bat er leise und dringend und zog an der Hand, die das Antlitz bedeckte.

      »Still, Hansjörg, still, daß es keiner hört! Der Vater ist so krank und traurig, da hab' ich heimlich ein bissel weinen müssen. Aber jetzt ist's schon wieder vorbei. Komm, hole deinen Mantel, und in der Küche laß dir die Laterne geben und den Fallenspeck. Hansjörg, komm, ich muß in die Waffenkammer gehen.«

      Und Mutter und Sohn traten aus dem Schlosse unter den funkelnden Sternenhimmel.

      Das uralte Steinhaus hinter der Kirche stand finster da und schaute mit seinen engen Guckfenstern, dem hohen Ziegeldache und dem dicken, fünfeckigen Turme trotzig über die Strohdächer des Dorfes. Mutter und Sohn betraten die Zugbrücke, die über dem tiefen Graben lag, und ihre Schritte klangen dumpf und hohl.

      Da blieb der Knabe mitten auf der Brücke stehen und betrachtete sinnend das rundbogige Thor und die große Steinplatte, die hoch darüber zwischen zwei kleinen Fenstern in die dunkle Mauer eingelassen war.

      »Mutter, wie lange der Hirsch wohl in dem Schilde da droben springen mag?«

      »Lange, Hansjörg, das kann kein Mensch ausdenken.«

      »Und wie lange mag wohl das Steinhaus und der Turm stehen, Mutter?«

      »Viel, viel hundert Jahre, und es sind auch noch uralte Briefe vorhanden, die nur der Vater lesen kann. Aber komm, Hansjörg, nimm die Laterne und leuchte mir, daß ich den Schlüssel anstecke! Mich friert.«

      »Mutter, nur noch eines: Wie viele Portnerkindlein mögen sie wohl unter dem Bogen hervor zum Taufen getragen haben, und wie viele Portnersärge mögen wohl schon auf der Schwelle da gestanden sein?«

      Frau

Скачать книгу