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welches ist diese Wurzel?

       Der ewige Uradel des Menschengeschlechts!

      Alles, was ich auf unserer Fahrt an bemerkenswerten Dingen gefunden hatte, das stammte nicht aus dieser armen irdischen Welt des Todes und der Vergänglichkeit, es entstammte jenem unvergänglichen, oft beschmutzten, oft verborgenen, immer und immer wieder emporblitzenden Uradel, der auf der ganzen Menschheit ruht.

      Und wie heißt dieser Uradel?

      Der todesmutige Paulus hat einst einem ahnenstolzen, verkommenen, überklugen, von buntschillernden Lehren hin und her getriebenen Volke auf dem Areopag zu Athen ein altes Dichterwort im Lichte der neuen Lehre entgegengeschleudert:

      »Gott hat gemacht, daß von einem Blut aller Menschen Geschlechter auf dem ganzen Erdboden wohnen, und hat Ziel gesetzt, zuvor versehen, wie lange und weit sie wohnen sollen;

      »daß sie den Herrn suchen sollten, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten; und er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns: –

      »Denn in ihm leben, weben und sind wir; als auch etliche Poeten bei euch gesagt haben:

      Wir sind seines Geschlechts

      Wollen wir mit Ernst unsere Wege weiter ziehen als Glieder jener unendlichen Ketten, die man Geschlechter nennt, und wollen wir für unser Teil sorgen, daß den Nachkommen nicht durch unsere Schuld der Uradel zu Verluste geht. Denn wir sind nicht für unsere vergängliche Person allein verantwortlich: wie du selbst das scheinbare Endglied einer langen, langen Reihe bildest, so werden auch von dir vielleicht wieder unabsehbare Geschlechter ausgehen, die deine Vorzüge und deine Fehler fortpflanzen bis in die fernsten Zeiten. Wenn es Krankheitsgifte gibt, die sich durch viele Generationen von Körper zu Körper vererben – warum sollte es nicht auch selbstverschuldete Seelenkrankheiten geben, die vielleicht für unsere Nachkommen gefährlicher zu werden vermögen als jene organischen Gifte?

      Darum müssen wir treu sein, nicht nur um unseres eigenen Heils willen, sondern auch im Hinblick auf unsere Geschlechter – und das ist das Wesen des wahren Adels.

       * * *

      Warum muß denn Geschlecht auf Geschlecht über die Erde ziehen? Wir wissen's nicht. Rätsel und Finsternisse sind um uns her und in uns.

      Sind die Rätsel und die Finsternisse in der That so groß und so undurchdringlich? Ich glaube nicht!

      Wohl ist alles dunkel – aber blicke doch hinaus! Gleich einem fernen Lichtschimmer schaut auf uns her die verheißene endliche Lösung.

      Und nicht bloß vor uns ist Licht, nein, auch hoch über unsern dunklen Erdenwegen steht ein klarer Stern und leuchtet dem, der ihn sehen will.

      Von diesem ewigen Stern lesen wir in der ehrwürdigsten aller alten Urkunden.

      Den flammenden Worten Bildads

      »Frage die vorigen Geschlechter, und nimm dir vor zu forschen ihre Väter; denn wir sind von gestern her und wissen nichts, unser Leben ist ein Schatten auf Erden; sie werden dich's lehren und dir sagen und ihre Rede aus ihrem Herzen hervorbringen: die Hoffnung der Heuchler wird verloren sein –«

      steht dort der frohlockende Ruf des königlichen Sängers gegenüber:

      »Die Gnade aber des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit über die, so ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind bei denen, die seinen Bund halten.«

      Hans Georg Portner

       Inhaltsverzeichnis

       Rauhreif.

       Verwaist.

       Hilf uns!

       Aus Welschland heim.

       Zum letzten Male.

       Beim Vizedom.

       Bekehret euch!

       Auf dem Zant.

       Und wenn –?

       Verlassen.

       Zwischen Lichten.

       Edel und vest.

       Vertrieben.

       Kniebeuge.

       Vertraulich.

       Unterweisung.

       Flucht.

       Rache.

       Zurück nach Hause.

       In der vertäfelten Stube.

       Heiligabend.

       Dein!

       Hunger.

       Gustavus Adolfus.

      Rauhreif.

       Inhaltsverzeichnis

      Rauhreif lag auf der Landschaft. Wald und Feld und Aue waren mit Silberstaub und Edelsteinen überstreut, an jedem Halm, an jedem Zweig, an jedem Dorne funkelten zahllose demantene Nadeln im Morgensonnenscheine, und das rotbraune, eingeschrumpfte Laub an den Steineichen der Hügelhänge war anzusehen, als hätten kunstfertige Hände seine krausen Ränder mit weißen Spitzen gesäumt. Rauhreif lag auf der schneelosen Landschaft, und wer die Heerstraße ritt an diesem Sonntagmorgen, dem zog es die staunenden Blicke flußauf und flußab über das gleißende, glitzernde Thal und zu den langgestreckten, froststarrenden Waldhöhen. Ja es war, als freuten sich sogar die Raben all der unsäglichen Pracht unter dem blauen Himmel: sie schritten einher über das blinkende Eis, sie flogen mit kurzem Flügelschlage auf die Weidenstrünke am gefrorenen Flusse, sie standen wieder auf und flogen kurze Strecken und ließen sich zu Boden zwischen den reifbeschlagenen, dunkeln Ackerschollen und nickten und krächzten. Rauhreif lag auf der Landschaft.

      Stille war's in den öden Gassen des Dorfes zu beiden Seiten des Flusses. Nur die Hühner gackerten auf den gefrorenen Dungstätten,

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