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Wochen bin ich so gelegen; es ist mir nit besser aber auch nit schlechter gangen.

      Eines Tages fragt mich der Pater wieder, ob ich mich jetzt nach so langer Unterweisung besonnen hätte.

      Sag ich: »Nein.«

      »Dann müßt Ihr wohl aus dem Land gehen und das Elend bauen.«

      »Will ich auch. Ich und mein Hans werden wohl gutthätige Leut finden draußen im Elend. Ich werd so nimmer lang leben.«

      »Ja, Herr Richter,« sagt der Pater, »aber vordem daß Ihr fortziehet, müsset Ihr drei Jahr im Gefängnus liegen. Die gelinde Strafe hat man Euch heut zuerkannt für Eure Rebellion und aufrührerischen Reden. Bis dahin ist dann Euer Hans katholisch geworden; ja, ja, der Pater Strobel und seine Lebzelten. Was schaut Ihr mich denn so an, Herr Richter? Es ist alles so, wie ich Euch sag. Eure Güter werden konfiszieret, wie es gegen Rebellen sich geziemt, der Hans wird geistlich, und Ihr könnt im Elend verderben. Weil Ihr's nit besser haben wollt. Schaut, wie schön könntet Ihr's haben, wenn Euer alter Kopf nit gar so hart wär. Gar oft fragt mich der Herr Herzog, ob Ihr Euch noch nit habt bekehren lassen. Ich glaub wohl, daß er in Eurer Rebellionssach Gnad für Recht thäte ergehen lassen, wenn Ihr Euern Ketzerglauben abschwören wolltet. Schaut, wenn's auch im Herzen nit auf einmal geht, das verlangt ja niemand von Euch. Mit der Zeit werdet Ihr dann schon auch im Herzen katholisch. Jetzt denket nur an Euern Hans, schwört ab und gebt ein öffentliches Zeugnis, und dann werden gar viele Euerm Exempel folgen. Gebt nach. Wider die Gwalt könnt Ihr nit. Gebt nach.«

      Da hab ich mich auf meinen Arm gestützt und hab ihm zugerufen: »Hebe Dich weg von mir, Satanas.«

      Er aber ist aufgestanden, hat leise gelacht und ist aus der Thür gangen.

      Den ganzen Tag hat's mir in den Ohren geklungen: der Hans wird ein katholischer Priester, ein Jesuit. Der Hans, mein Enkelkind, wird ein Jesuiter. Daß Gott erbarm! Immer wieder hab ich gesagt: ein Jesuiter!

      Am Abend kommt der Büttel, der stellt das Essen an mein Lager, ruckt die Bank, legt die Decken zurecht. Hernach macht er die Thür auf, schaut hinaus, kommt wieder und stellt sich vor mich hin. »Herr,« sagte er leise, »die Wänd haben Ohren, ich dürft kein Wort mit Euch reden, aber ich muß es Euch sagen, weil ich im Herzen auch lutherisch bin. Jetzt wird's bald anders werden bei Euch im Sulzbachischen. Der Kurfürst von Sachsen hat an den Kaiser geschrieben von wegen Euerm Reformationswesen. Ich hab's von meinem Bruder, der ist Schreiber in Sulzbach. Ich kann Euch nit mehr sagen und bitt Euch, verratet mich nit.« Damit ist er fortgangen.

      Jetzt war ich allein, und jetzt war die Anfechtung bei mir. Immer hab ich denken müssen: ich drei Jahr im Gefängnis, der Hans beim Pater Strobel. So ist's mir die ganze Nacht nit aus dem Kopf gangen, und am Morgen ist der Jesuiter zum erstenmal nit kommen, und den Tag über bin ich wieder allein gewest mit meinen Gedanken.

      »Was nutzt es dich,« hab ich mir dacht, »gegen die Gewalt kannst du nit, alter Mensch. Drei Jahr ist eine lange Zeit. Und wie hat der Jesuiter gesprochen? Wenn's auch nit auf einmal geht, hat er gesagt, das verlangt auch niemand von Euch. Und wie hat der Büttel gesagt? Lang kann's nimmer dauern, hat er gesagt. Jawohl, wenn ich aber halsstarrig bleib, dann lassen sie mich meine Straf absitzen, und dagegen kann mir auch der Kurfürst von Sachsen nit helfen. Derweilen ist aber mein Enkelkind schutzlos und verlassen, und es ist denen Jesuitern gar leicht, wenn etwa ihr Stündlein kommt, das Kind mit ihnen fortzunehmen. Und wenn ich aber mit dem Maul nachgeben thät, könnt ich's dann nit erretten?«

      Alles dieses hab ich bei mir beweget, und wenn ich's heut recht bedenke, so hab ich auch an meine sauer erworbenen Güter gedacht und daß ich die meinem Enkelkind zusammenhalten müßt.

      Am andern Morgen steht vor meiner Lagerstatt ein Junker in schönen Kleidern, der legt ein beschrieben Blatt auf die Bank, langt eine zugeschnittene Feder aus seinem Wams, stellt auch ein Tintenhorn daneben und geht wieder fort.

      Ich hab das Blatt genommen und gelesen:

      Ich Jörg von Kerdern bekenne und thue kund allen denen, die diesen Brief lesen, daß ich mit gesunden Sinnen meinen lutherischen Ketzerglauben abgeschworen habe und den rechten, alleinseligmachenden katholischen Glauben angenommen habe. Deß zur Urkund hab ich meine eigenhändige Namensunterschrift hierhergesetzet und mein eigen Insigul dazu gedrucket.

      Nein, hab ich mir gedacht, hab das Blatt genommen, in ganz kleine Stuckeln zerrissen, das Fenster aufgemacht und in den Wind gestreuet.

      Jetzt ist's ruhiger worden in mir. Aber es hat nit lang gewähret, dann sind die alten Gedanken wieder kommen. Und sie sind stärker gewest als ehevor, und wie's Abend worden ist, hat's mich reuen wollen, daß ich nit unterschrieben hab, und wie am andern Morgen der Junker wieder kommen ist und wieder so ein Papier hingelegt hat, da hab ich die Feder tief eingetunkt und hab meinen guten Namen daruntergesetzt und mein Insiegel in spanisch Wachs daneben gedruckt.

      Hernach aber sind friedlose Tage kommen. Etzliche Wochen lang bin ich noch krank gelegen drunten im Jesuiterkloster. Und es war mir nach dem Unterschreiben viel ärger geworden. Und das Fieber hat mich gehabt Tag und Nacht, und böse Träum haben mich geängstiget, und wenn ich wach gewest bin, ist mir's noch viel schwerer im Herzen gewest, weil's dann kein Traum mehr war, sondern die Wahrheit.

      Wie ich wieder gesund bin worden, hat mich der durchlauchtige Herr Herzog in Gnaden entlassen, hat mir zu meinem Richteramt noch das Umgelderamt zugeleget, und ich bin heimgereiset.

      Es ist ein Samstag gewest, wo ich zur Nachtzeit im Städtl eingefahren bin, und war eine finstere Nacht. Die Lies hat mich mit Freudengeschreie empfangen, und der kleine Hans ist an mir hinaufgesprungen und hat gesagt: »Jetzt bleibst du aber auch ganz da, Großvater. Der Herr Pater hat's versprochen. Schau, was mir der Herr Pater geschenkt hat.« Und mit dem zieht er ein hölzern Muttergottesbildlein mit dem Kind aus seinem Wämslein, macht's Kreuz und küßt's dreimal.

      Ich hab nichts sagen können, hab ihn an der Hand genommen und bin in die Stuben hinein. Da hängt hinter der Thür, ganz tief drunten, ein Weihkessel, und der Hans tunkt sein Händlein hinein und macht wieder das Kreuz. »Großvater«, sagt er, »thust du dich nit auch besprengen, daß du in Himmel kommst? Die Lies thut's auch immer nit.« Jetzt hab ich eine Thränen verdruckt und bin mir gar elend und erbärmlich vorkommen. Die Lies aber hat zum reden angefangen und hat mir verzählt, wie daß der Kommissar seit vierzehn Tägen fort wäre, daß sie den Hans alle Tag zum Pater holen, ungeacht ihres Sträubens, und wie sie den Weihkessel mit harten Bedrohungen hereingehängt haben. »Ja, Herr, alle Wohlgesinnten warten mit Schmerzen auf Euch, zumalen der Superintendent Böheimb im Sterben liegt. Viele aber haben ihren Glauben abgeschworen, weil die Bedrängnis zu groß ist. Und auch von Euch, Herr, hat man ein Gered ausgesprengt, ich aber hab's gar nit geglaubt. Weil Ihr nur wieder da seid. Und der Wildauer ist auch nit lang Sekretarius gewest. Er hat dem Kommissarius viel Geld genommen und ist bei Nacht entwichen, und Euer Schwester ist hernach mit ihren Kindlein ins Elend gejagt worden, weiß niemand, wohin sie sich geflücht hat.« – –

      Ich hab an demselbigen Abend das Kind bald in sein Bettlein bringen heißen, und wie ich allein gewest bin, schau ich zum Fenster in die Nacht hinaus. Hör ich drunten zween Mannspersonen vorübergehen, von denen sagt der eine: »Ihm ist wohl, uns aber ist übel. Er ist ein frommer Priester gewest vor dem Herrn. Gottes Segen über ihn in der Ewigkeit.« – »Amen,« sagt der andere. »Und wohl thut's mir im Herzen, daß er das mit unserm Richter nimmer erlebt hat; das hätt ihm sein Sterbstündlein schwer gemacht. Da muß doch der Satan seine Händ mit im Spiel gehabt haben. Es kann nit anders sein. Auf den alten Jörg hätt ich Stein und Bein geschworen.« »Ja,« sagt der andere, »du weißt aber auch nit, wie sehr sie ihn etwan in Neuburg drangsalieret haben.« Damit sind sie um die Ecken gewest.

      Ich aber hab mich in meinen Stuhl gesetzt und lang darüber nachgedacht, wie das alles so kommen wär. Und da hab ich mir gewünscht, es möcht doch meine Hausfrauen selig noch leben. Hernach aber hab ich mir mein Bibelbuch hervorgeholt und hab das Lesen versucht. Hab lang gelesen, aber keinen Trost funden; es sind mir alle Wort wie Schwerter ins Herz gefahren.

      Am Sonntag in der Fruh ist der Pater Strobel in meine Stuben kommen, hat ein honigsüßes Gesicht gemacht und mir die Hand geben, hat gesagt, daß er und alle

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