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und Johann Friedrich Regierung gekommen. Aber im Neuburgischen hat's bald mit schweren Bedrückungen angehebt, und allenthalben sind die lutherischen Prädikanten abgesetzt, Meßpriester aufgestellt worden, und die, so sich nit haben fügen wollen, die hat man außer Lands getrieben zu ihrem großen Schaden.

      Auch hier sind viele durchkommen und haben hernach im Bayreuthischen und im Sächsischen eine Zuflucht gesucht, und haben wir gar oft einen Jammer gesehen, daß einem das Herz hätt brechen mögen.

      Mit der Zeit haben wir nichts mehr gefürchtet, weil alles beim alten geblieben ist. Unsere Prädikanten haben uns Gottes Wort verkündigt, haben uns das heilige Abendmahl gespendet, haben unsere Kindlein getauft, und so haben wir zuletzt geglaubt, daß es jetzt gar nimmer anders kommen könnt.

      Jetzt ist's bald ein Jahr her. Anno 1627 im Sommer. Da bin ich in meiner Amtsstuben ans Fenster gangen und hab auf den Schloßhof hinausgeschaut. Es ist ein schöner Tag gewest, so gegen Abend zu. Ich hab mich damalen an allem gefreuet, am schönen Wetter, am Lindenbaum im Schloßhof, so über und über geblühet hat, und an meinem Enkelkind, das auf der Bank unter der Linden gesessen ist und eingeschlafen ist.

      Da klopft's an meiner Thür, und auf mein Geheiß kommt ein Reitersmann in staubigem Wams mit glutrotem Angesicht, der gibt mir einen Brief. Ich schau die Handschrift an und das Insiegel und seh, daß er vom Landschreiber in Weiden selber geschrieben ist. War keine gute Botschaft; denn es stund darinnen, daß nunmehr morgen in besagtem Städtlein und im ganzen Amt Weiden die Prädikanten sollten abgeschafft werden und daß dem Pfalzgrafen von Neuburg sein Vizekanzler Labricque mit Jesuiten und Soldaten selbsten am Platz wär. Jetzt, hab ich mir gedacht, ist also das böse Wetter da, und drüben beim Nachbar schlägt's ein, und es war nit schwer, weiter zu denken.

      Ich leg den Brief zusammen. Hernach hab ich den Mann ausgefragt, ob er was wüßt, und der hat mir gar viel erzählt von Zwietracht unter der Bürgerschaft und papistischen heimlichen Umtrieben, und hat sich immerfort die Augen gewischt.

      Wie der Mann fort war und ich da sitz in meinem Stuhl und das Herz voll von schweren Gedanken hab, da klopft's wieder, und es kommt einer herein, den ich niemals gern bei mir gesehen hab. Der Hans Wildauer war's, meiner leiblichen Schwester Sohn.

      Der war ein ungeratener Sohn von jeher. Schon als Bub war er gegen jedermann und jedermann gegen ihn, und nur die starke Hand von seinem Vater hat ihn bändigen können. Da hat man gehofft, wenn er erst zu seinen Jahren kommen thäte, dann thäte sich's ändern; denn es sind schon oft aus bösen Buben brave Männer geworden und auch umgekehrt. Aber wie er in seine Jahre kommen ist, ist es immer ärger mit ihm worden, und er hat geglaubt, es gäb ihm die Edelmannsfreiheit seines Vaters Freiheit zu allem Bösen. Er war ein gescheuter Mensch, und da haben sie ihn auf die hohe Schule nacher Altdorf geschickt, haben ihn die Rechte studieren lassen. Dort ist er dann noch ganz und gar verdorben, ist zuletzt in den Krieg gegangen und vor etlichen Jahren wieder als Lump heimgekehrt. Sein Vater ist damalen mit Herzleid in die Gruben gefahren, und der Hans hat ihm die meisten Nägel in seinen Sarg zurecht gemacht gehabt. Jetzt hat er dann das Regiment auf dem Gut und im Schloß übernommen, und obschon die böse Kriegszeit war und ein jeder seine Sach hat zusammenhalten müssen, hat er mit der Verschwendung angefangen.

      Oft, oft hab ich ihn verwarnt und hab ihn auf seine Pflicht verwiesen, auf seine Mutter und auf seine kleinen Geschwisterte hingedeutet, aber es hat nichts geholfen, und nach wie vor ist der Hans den ganzen Tag im Wirtshaus gelegen und hat sein Gut verkommen lassen; den Berg herunter geht's aber geschwinder als hinauf, und es hat nit lang gedauert, so war der Hans gar tief verschuldet. Krieg und teure Zeit haben das Ihrige gethan, das meiste aber dem Hans sein wüstes Leben und vornehmlich sein wildes Spielen.

      Um meiner armen Schwester willen hab ich ein schönes Stück Geld in das Loch da drüben geworfen, hab aber auch dem Hans allzeit die Wahrheit gesagt in der Güte und in der Härte, und so ist's gekommen, daß er mich gehaßt hat. Zuletzt hab ich's wohl gesehen, daß ich den Knopf auf den Beutel thun müßt, weil ich mit dem Geld doch nur dem Lasterleben vom Hans helfen thäte.

      Jetzt ist er vor mir gestanden mit seinem bösen Gesicht. Er war schon lang nit mehr über meine Schwellen gekommen gewest, und ich frag ihn um sein Begehr.

      »Vetter, ich brauch Geld und bin derhalben zu Euch gekommen,« sagt der.

      Sag ich: »Weißt du nit, daß ich für dich und deine böse Wirtschaft keinen Kreuzer mehr geb? Zu was brauchst du denn das Geld, und wie viel soll's denn sein?«

      »Zu was ichs brauch, kann ich nit sagen. Fünfzig Gulden sollten's sein.«

      »Fünfzig Gulden?« sag ich und glaub, ich hör nit recht. »Weiß deine Mutter darum?«

      »Nein,« sagt er und schaut auf den Boden.

      »Hans,« sag ich, »zu was brauchst du die fünfzig Gulden? So viel Geld? Wer hat denn in der schweren Zeit so viel baares Geld? Ich nit.«

      »Ha, Vetter, ich muß das Geld bis heut Abend haben. Da hängt mehr dran, als Ihr wißt. Ihr könnt mich ja nit leiden, ich weiß schon. Aber, Vetter, ich bin doch der leibliche Sohn von Eurer Schwester. An dem Geld hängt meine Ehr und die Ehr von meinen Geschwisterten und alles unser Hab und Gut. Vetter, ich kann's Euch nit sagen, zu was ich's brauch, aber glaubt mir's, daß so viel dran hängt, daß Ihr gar wohl die Amtskasse dort im Eck aufmachen solltet. Thut mich retten. Die nackte Not hat mich zu Euch hertrieben.«

      »Hans,« sag ich, »das mit der Amtskasse hab ich besser nit gehört. Was ist's. Zu was brauchst du die fünfzig Gulden? Da steckt etwas Böses dahinter.« Und ich tret näher an ihn heran und schau ihn scharf an. »Hast du die fünfzig Gulden notwendig, damit du was verdeckst?«

      Ich weiß selber nit, wie ich da drauf gekommen bin. Aber der Hans ist käsweiß geworden und hat gesagt:

      »Vetter, ich sag's nit, aber es wird Euch reuen. Ich bin nit herkommen, daß ich mir eine Predigt halten laß, sondern daß ich mich rette. Wollt Ihr mir das Geld geben oder nit? Denkt daran, daß ich immer noch Euer Schwestersohn bin.«

      Denk ich mir, daß ich ihn bei denen Worten packen könnt und sag: »Ja, du bist der leibliche Sohn von meiner Schwester, und weil du dasselbige Blut hast wie ich, so thut's mir leid, daß du so verkommst. Sag mir, zu was du das Geld brauchst. Du hast was auf deinem Gewissen. Sag mir's, ich will schauen, ob ich dir helfen kann, wenngleich ich keine zehn Gulden baar daliegen hab. Vielleicht kann ich gutstehen für dich. Aber wissen muß ich's, zu was du's brauchst.«

      »Vetter,« sagt er und schaut mich wild an, »da steh ich, und da hinten steht Euere Amtskasse. Gebt mir das Geld. In zwei Stunden muß ich's haben.«

      »Nein,« sag ich. »Ich hab's nit, und wenn du mir's nit sagen kannst, zu was du's brauchst, hernach ist's sicherlich eine große Schlechtigkeit.«

      Da stößt der Hans seine Jagdflinten auf den Fußboden und sagt langsam, indem daß er mich wild anschaut:

      »An die Stund werdet Ihr noch denken, Vetter.«

      Und damit ist er zur Thür hinausgangen.

      Ja, ich hab noch oft an die Stund gedacht. Der Hans hat recht gehabt. Aber mein Trost ist allzeit der gewesen, daß ich's nit anders gemacht hätt und nit anders hätt machen können, auch wenn ich alles voraus gewußt hätt.

      Jetzt hab ich genug gehabt und ist mir's zu eng geworden in der Stuben. Ich bin in den Schloßhof, hab mein Enkelkind an die Hand genommen und bin durch die kleine Schloßpforte hinten hinaus in die Felder gegangen.

      Da draußen war alles so schön, und die Felder sind so prächtig gestanden, als wär eitel Frieden auf der Erden und als wenn's keinen Neuburgischen Vizekanzler und keinen Religionshader und keine ungeratenen Menschen gäb.

      Wie wir eine Weile gehen und wie mir das Herz immer schwerer wird, währenddem mein kleiner Hans Blümelein sucht und Feifalter fängt, kommt gegen uns her der alt Superintendent Böheimb. Der hat den Kopf mit den weißen Haaren noch tiefer als sonsten getragen, und ich hab's ihm gleich angemerkt, daß er die böse Botschaft auch schon wüßt. Wir haben uns die Hände geben. Dann hat er gesagt: »Lieber Jörg! Jetzt wird sich's einmal weisen müssen, was einer für

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