Скачать книгу

und sag ihm eine gute Nacht. Er aber kommt ans Fenster und sagt: »Schlafet wohl, wenn Ihr könnt, Jörg. Vor dem Schlafengehen aber schauet Euch doch noch Johann. 13, 7 an. Vielleicht geht's hernach besser.«

      Wie ich heimkomm, steht der Wildauer mit den Amtsknechten unter dem Lindenbaum. Fragt mich trotzig, was ich will. Ich heiße den Wildauer zu mir hereinkommen, faß ihn fest ins Aug und sag ihm ins Angesicht, daß er den Conntz Schwarz erschossen hätt und daß ich wohl wüßte, warum.

      Der Hans hält mein Anschauen gar wohl aus und sagt frech, daß er auch schon von der Sach gehört hätt, er wüßt aber nit, wie man seine Person darein bringen wollte. Er wär auch gar nit im roten Holz gewesen, sondern wo ganz anders, im Kirchenholz.

      Da sag ich, indem ich einen Schritt ihm näher auf den Leib tret, daß er nit allein heut im roten Holz gewest wär, sondern auch vor zwei Tagen, und daß der Sauhirt von einem Handel, so sich da zugetragen, erzählt hätt, und daß jetzt wohl auch die Sache mit dem Botenmathes ans Licht kommen könnt. Da wird der Mensch aschgrau im Gesicht und schlägt die Augen nieder. Ich frag ihn, ob er noch etwas zu sagen hätte, krieg aber keine Antwort. Da ruf ich die Büttel und heiß ihn in den Turm in Ketten legen. Und der Hans geht ohne Widerred mit.

      Jetzt wars ganz Nacht; da hat mir die Lies das Licht gebracht, und hernach stellt sie sich vor mich hin, macht ein ganz trübseliges Gesicht und fängt zum Heulen an und fragt mich, wo sie denn die silbernen Löffel und den güldenen Becher und die Halsketten hingraben soll, sie hätt gehört, daß jetzo die Feind kommen und alles zusammenschlagen wie Anno einundzwanzig. Machen's auch schon alle Weiber im Städtl so. Ich hab schier lachen müssen über die Weibsleut, die gar oft den Gaul just am Schwanz aufzaumen, hab's ihr aber, obschon mit Müh, begreiflich gemacht, wie daß es jetzt nit auf silberne Löffel und güldene Becher gehen wird, sondern um ein ganz anderes Ding und daß sie lieber beten sollt, daß wir unsere reine Lehr behalten dürfen. Da ist sie hernach fortgegangen.

      Ich aber hab nunmehr mein Bibelbuch hervorgezogen und hab Joh. 13, 7 aufgeschlagen. Da stehet aber geschrieben:

      »Was ich thue, das weißt du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.« –

      Ja, lieber Enkel oder Urenkel oder wer sonsten meine Handschrift lieset, jetzt sind dann böse Tage kommen.

      Sowie der Kommissar in Weiden fertig war mit seinem Geschäft, ist er gegen unser Städtl mit seiner Soldateska gezogen und hat mit Trommelschlag und Vorweisung seiner Befehle die Reformation in Kirchen und Schulen verkündigen lassen, hat den alten Superintendent Böheimb sowie die Schuldiener ihres Amts entsetzt, einem Jesuitenpater mit Namen Strobl das Kirchenwesen übergeben und zugleich alle weltliche Gewalt an sich genommen, also, daß ich nur mehr dem Namen nach Richter gewest bin. Zu allererst aber hat er den Wildauer unter vier Augen verhört, wohl zwei Stunden lang, und gleich darauf, weil ihm nichts nachgewiesen werden könnt, auf freien Fuß gesetzt. Bald danach aber haben wir gemerkt, was für eine Bewandtnus es mit seiner Unschuld hätt. Denn der erste, welcher übergetreten ist, war der Wildauer, und ist dem zu Ehren in der Kirche eine feierliche Prozession gewest, und ist der Vizekanzler mit einer brinnenden Kerzen mitmarschieret und haben ein Tedeum darüber gesungen. Hernach aber ist's bald offenkundig geworden, daß der Mensch sich seinem Gutthäter als Spionierer verschrieben hat. Und der hat ihn wohl brauchen können, weil nit leicht einer von Kind auf so gut im Städtl bekannt gewest ist als der Hans. Ja, und auch mich hat er ins Unglück gebracht nach Gottes Willen. Aber ich will alles fein der Reih nach erzählen.

      In der nächstfolgenden Zeit hat der Kommissar auf allen Dörfern die Prädikanten abgesetzt und Priester eingesetzt, vornehmlich Jesuiten. Dazwischen ist er oft wieder zu uns gekommen, sind aber nur etliche geringe Leut ihrem Glauben untreu worden. Alle Sonntag haben wir ohne Unterschied in die Kirchen gehen und der Meß beiwohnen müssen, aber gezwungen hat man uns vorerst noch zu nichts anderem. Da haben denn nun die meisten Hausväter in ihren Häusern den Ihrigen aus der Bibel oder aus guten Büchern Gottesdienst gehalten, und hat man morgens und abends in den Häusern singen und beten gehört.

      Das hat der Kommissarius recht wohl gewußt, hat bei sich gedacht: wenn man den Hund zahm machen will, so muß man ihm das Futter nehmen, und hat den Beschluß gefaßt, in allen Behausungen die geistlichen Bücher zu konfiszieren. Da ist er hernach mit dem Wildauer und etlichen Soldaten von Haus zu Haus gangen und hat alle die Bibeln und Postillen zusammengepackt. Da haben die Leute protestiert und gejammert und den Labricque angefleht. Aber der war hart wie ein Stein. Zuletzt ist er auch zu mir gekommen und hat mich gefragt, was ich alles hätt. Da hab ich ihm die Postille Lutheri und den kleinen Katechismus gezeigt. Mein Bibelbuch samt etlichen Schriften Lutheri hab ich in einem geheimen Wandschränkel samt den alten Pergamentbriefen von meinen Voreltern her verborgen gehabt, so bloß mir und meiner seligen Hausfrauen bekannt war. So hab ich es gewähnet. Der Kommissarius hat alles durchgesucht und gerade zornig fortgehen wollen, weil er nit mehr gefunden. Da kommt der Wildauer in die Stuben, schaut die Postille und den Katechismus an, wirft mir einen frechen Blick zu, geht an die Wand, druckt am rechten Ort, daß das verborgen Schränkel aufspringt, und gibt dem Labricque mein Bibelbuch. Die andern Schriften hat er nit beachtet.

      Da übermannt mich der Zorn, ich tret an den Kommissar, reiß ihm das Buch aus der Hand und schrei: »Und wenn der Herzog von Neuburg selber käme, so sollt er's nit haben.« Der Kommissar steht ganz weiß vor Zorn da und wirft mir ein paar grausame, tückische Augen zu, geht aber ohne ein einziges Wort hinaus. Der Wildauer ihm nach. Mein Bibelbuch aber hab ich behalten, und hat es niemand mehr gefunden bis heute, wo ich die Begebenheiten alle dareinschreibe. Das aber hab ich jetzt gar wohl gewußt: der Kommissar ist von Stund an mein Todfeind.

      Am Abend haben sie auf dem Schloßhof ein großes Feuer anzunden und alle die konfiszierten Bücher darein geworfen. Lichterloh hat es in die Höh gebrannt, und die Funken sind weit umhergeflogen. Vor dem brinnenden Haufen aber stund der Kommissar mit seinem finstern Gesicht und neben ihm der Wildauer. Der sprache gar eifrig in ihn hinein.

      Und von allen Seiten haben die Soldaten immer noch mit Hohngeschrei die Arm voll Bücher herzubracht und haben's in die Flammen geworfen samt dürrem Holz, und es hat gekracht, und die brinnenden Ballen sind geborsten und wieder geborsten, und die Kriegsleut haben mit Hacken in die heiligen Bücher gestoßen, als ob sie leibhaftige Teufel wären.

      Ich hab nimmer hinschauen können, hab mein Enkelkind in der Wohnstuben aufgesucht, und ist mir so schwer im Herzen gewesen, als ob mein ganzes Hab und Gut verbronnen wär. –

      Mitten in der Nacht darauf bin ich auf einmal erwachet. Mir deuchte, wie wenn ich leise Rufe und Schritte unter meiner Schlafkammer gehört hätt. Denn zur Nachtzeit schlaf ich nit gar fest. Und es hat mich nicht getäuscht gehabt; wie ich ganz wach bin, hör ich's wieder, und war mir, als ob ich auch Waffenklirren vernehmen thäte. In dem Augenblick haut auch schon einer an die Hausthür, daß es nur so kracht, und hernach noch einmal und auch ein drittes Mal.

      Ich werf meine Kleider um, so schnell ich vermag, und lauf die Stiegen hinunter. Drunten steht schon die Lies mit einem Licht, und kann vor Schrecken kein Wort reden.

      Jetzt schreit einer vor der Thür: »Im Namen des Herzogs, macht auf.«

      Ich geh hin und schieb den Riegel zurück. Da steht ein Haufe Soldaten draußen mit Fackeln in den Händen, und wie mich der Hauptmann sieht, schreit er, sie sollen mich greifen.

      Ich tret frei hinaus und wehr die ab, so mich ergreifen wollen. Die halten auch inne, kann sein von wegen meinem weißen Haar. Ich sag zum Hauptmann, daß ich nit wüßt, was ich mir hätt zu schulden kommen lassen, müßt dagegen protestieren, daß man mich alten Mann zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett hole. Ich wollt den Herrn Vizekanzler sprechen.

      Da schreit mich der Hauptmann an: »Gieb dich, lutherischer Hund. Der Vizekanzler will mit solchen Rebellen nichts zu thun haben. Hier stehe ich auf sein Geheiß.« Zu seinen Knechten aber sagte er, sie sollen mich eilend binden.

      Wie die jetzt auf mich eindringen, da hab ich unter der Linden von ferne einen Menschen stehen sehen, hat grad einer in der Näh seine Fackel auf den Boden gestoßen, daß sie hellauf gebrennt hat, und ich hab gemeint, es wär dort unter der Linden dem Wildauer sein Gesicht.

      So haben sie mich gebunden und auf einen

Скачать книгу