Скачать книгу

hinunter, nach dem Frühstück will ich's vorlesen.«

      Was in der alten Chronik zu lesen war.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich bin ein alter Mann und habe einundsiebenzig Jahre auf dem Rücken. Ich hab mir nit gedacht, daß einer mit einundsiebenzig Jahren noch so ein schwer Stück von ihm selber erzählen muß. Muß aber sein, muß sein, du alter Mensch mit deinem weißen Haar, es muß sein; denn deine Posterität muß es wissen, wie das alles gekommen ist und soll das lesen, was dir jetzo dein Herz niederdrücket. Schreien hätt ich mögen all die Zeit her und hab nit gedurft, aber ich hab mich zu meinem Herrgott ausgestreckt und habe geseufzet und der hat mich gehöret.

      Jetzt will ich ein Zeugnis in mein Bibelbuch legen, wie daß der alt Spruch wahr ist, wo's heißt, daß des Menschen Herz ein trotzig Ding und ein verzagt Ding ist, und will dabei reden von meinem eigenen Herzen.

      Und jetzt will ich der Reih nach anfangen. Denn es wird gar bald eine Zeit kommen, wo man alle die Begebenheiten, so sich inner den letzten Jahren in unserm Land und in unserm Städtl zugetragen haben, nit mehr ganz genau weiß, und hernach wird die Zeit kommen, wo man sie ganz vergessen hat, weil neue Menschen da sind, die haben neue Kümmernis, haben auch wieder ihre neuen Freuden, aber die Bekümmernis ist größer, wie sie auch größer ist in unseren Tagen und allzeit vorher größer gewesen ist.

      Zuvörderst will ich handeln von unsern Voreltern. Denn wir sind nit immer in dem Ort gesessen. Unser alt Heimat ist Böheim gewest. Unser Altvordern sind vor Zeiten von denen grausamen Hussiten verjaget worden, haben ihre Gütter mit dem Rücken angeschaut und sind froh gewest, weil sie etliche Pretiosen haben retten können, und haben sich ihr Leben gefristet im Elend. Sind aber verjagt worden, weil sie deutsche Edelleut gewest sind und nit haben von ihrem katholischen Glauben ablassen wollen.

      Und mein Ältervater, Hans hat er geheißen, hat sich hier nahe bei der Grenz in Hohendreß niedergelassen und sein Leben in stiller Ruh beschlossen. Da droben, wo jetzo der Durchlauchtig Herzog Friedrich, Gott hab ihn selig, sein großes Schloß hat hinbauen lassen, in dem kleinen Jagdschlößl, so vor Zeiten da gestanden ist, hat er gewohnt, und hat mir meine Großmutter noch erzählt, daß er gar nit von denen alten Bedrängnissen geredt hat. Ihre Großmutter hätt's ihr oft gesagt. Daher wissen wir nur das eine, daß unsere Altvorderen vornehme und mächtige Leut in ihrem Vaterland gewest sind und daß unser Ältervater Hans gar oft hinausgeschaut hat auf die böheimischen Wälder. Auch hat er etliche Pergamentbriefe hinterlassen, aus denen unsere alten böheimischen Rechte gut bewiesen zu werden vermöchten. Denk mir halt, daß er gehofft haben möcht, wiederum in seine Heimat zu gelangen zu seiner Zeit. Ist aber nit mehr hingekommen, sondern dahier gestorben und liegt in der Kirchen begraben. Ich hab mir gar oft als Schulbub den Stein angeschaut, wo er in ganzer Größ ausgehauen ist mit dem Falkenschild, und hab mit den Fingerlein sein Gesicht nachfahren.

      Bei allerhand Gelegenheiten hab ich immer müssen an dem Steinbild vorbeigehen; wie sie meinen Vatern, Gott hab ihn selig, in seine Gruft geleget haben, wie sie hernach die Mutter zu ihm gebracht haben, wie ich mit meiner seligen Hausfrauen kopuliert worden bin, wie sie meinen Jörg über den Taufstein gehalten haben, immer hat der steinerne Mann zugeschaut.

      Nachdeme die heilsame Reformation des Doktor Martin Lutheri aufgerichtet worden war, da sind meine seligen Großeltern in unserm Städtl ihm und seiner Lehr mit Freuden zugefallen, und so ist es kommen, daß unser Geschlecht, so doch vor Zeiten gut papistisch gewest ist, lutherisch worden ist.

      Von diesen meinen Eltern bin ich in der Gottseligkeit auferzogen, fleißig zur Kirchen und Schulen angehalten und später nacher Lauingen auf das gymnasium illustre geschickt worden.

      Hernach haben sie mich in die Richterstuben gebracht und mit der Zeit als einen von den vornehmen Geschlechtern hiesigen Orts zum Richter gemacht. Ich hab dem alten Pfleger in . . . . . seine Tochter gefreiet und mit ihr in einem gesegneten Ehestand gelebt. Sie hat mir einen Sohn geboren, meinen herzlieben Jörg. Ich möcht wissen, wo der hat sein letztes Stündlein erleben müssen, denk mir, er wird wohl in der Feldschlacht gefallen sein. Ich hab nichts mehr von ihm hören können, seit er in den Krieg ausgezogen ist. Und so bin ich jetzt wieder ganz allein, nur mein Enkelkind, der Hans, ist bei mir, und für den hab ich gespart und gemehrt mein Hab und mein Gut, allein für ihn. Denn dieses mein Enkelkind ist der Einzige aus unserm alten Geschlecht nach mir, weil der Krieg und die Pest alle unsere Gefreundete dahingenommen hat. Und oft hab ich meine Äcker angeschaut und hab mir gedenkt, der Hans sollt einmal ein glücklicher Mensch werden. Aber anders ist's gekommen.

      Wenn ich jetzt durch mein vieles Leid zurückschaue, so seh ich weit hinten eine gute Zeit liegen, aber weit hinten.

      Ach, Herr Gott, was war unser alter Herzog Philipp Ludwig für ein braver, gottseliger, friedsamer Fürst. Gar gut hat er sein Leben lang in seinem Schlosse zu Neuburg regiert, und seine Unterthanen haben ihn geehrt und geliebt landauf und landab. Und doch ist er mit Herzleid in die Gruben gefahren.

      Der Mensch hat gar oft so mutige Gedanken, denket, sich ein stolzes Haus aufzuführen, da kommt ein Lüftlein her, und das Kartenhaus liegt am Boden. Das ist dann immer großes Herzeleid, am größten ist's aber, wenn einem die eigenen Kinder die Arbeit zu nichte machen.

      Es hätt ihm wohl niemand prophezeien mögen, dem Herrn Herzog, daß ihm sein Erstgeborener, so er von seiner Gemahlin Anna, Gott segne sie, gehabt hat, ein so großes Leid anthun würde.

      Wie das so gekommen ist, weiß kein Mensch genau, sagt der eine so, der andere anders. Denk mir halt, daß den jungen Herrn die Lieb zum irdischen Gut gepackt hat, und die ist stark im Menschenherzen und kennt man sie gar nit, bis daß sie aufstehet wie ein gewappneter Mann und alles niedertritt. Also, der junge Herr hat die Erbschaft von seiner Mutter wegen in den Jülicher Landen, nachdem sein Oheim gestorben war, angetreten. Er war aber zu schwach, als daß er sie hätte behaupten können und hat sich nach Hilf umgeschaut und dem Herzog Maximilian von Bayern seine Schwester Magdalena geheiratet. Da hat er sich dann schon Hilf und Kraft eingehandelt, aber der Kaufschilling ist sehr groß gewesen: er ist papistisch geworden.

      In Neuburg sein alter Vater und seine Frau Mutter haben sich von solchen Dingen nichts träumen lassen, daß er so etwas vorhätte; ist dazumal sogar das Gerede gewest, daß der junge Pfalzgraf nunmehr sein Ehegemahl wohl baldnächst zum rechten lutherischen Glauben bringen thäte. Da weiß ich's noch wie heut: auf einmal ginge von Neuburg ein Geschrei aus, der Pfalzgraf wär in Düsseldorf katholisch geworden, hätt mit einer brennenden Kerzen sein Bekenntnis abgelegt und der alte Herzog läg im Sterben.

      Das erster ist wahr gewesen, das ander nicht ganz, aber nicht viel hat mehr daran gefehlt. Hat mir mein Schwager, Gott hab ihn selig, dazumal von Neuburg den ganzen Handel heraufgeschrieben, wie eines Tags von Düsseldorf bayerische Gesandte gekommen sind, haben allerlei Geschäfte vor dem Herrn Herzog ausgerichtet und ganz zuletzt auch vermeldet, daß der Herr Pfalzgraf wollt übertreten.

      Und der Herr Herzog hat gar kein Wort herausbringen können, hat denen Gesandten nur mit der Hand abgewunken und ist in seine Schlafkammer gangen. Gleich darauf hat's aber auch schon das ganze Schloß gewußt und die ganze Stadt, und dann ist's ins Land hinausgekommen. Und ist viel Weinen und Heulen gewest allenthalben.

      Und das ist der Anfang von einer bösen Zeit gewest, und sind nun Tage gekommen, von denen es heißt: sie gefallen uns nicht.

      Der alte Herr Herzog hat die Sach nit lang überlebt und ist anno 1614 mit Jammer gestorben. Ich war dazumalen von Amtswegen in Laugingen und hab die bewegliche Predigt gehört, so der Hofprediger Hailbronner an der Gruft gehalten hat, und haben alle Leute geschluchzet und geweint, wie wenn ihnen Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter, Weib oder Mann gestorben gewesen wär. Wird nit leicht ein Landesfürst mit solchen Schmerzen von seinen Unterthanen begraben worden sein. Denn sie haben's ja auch alle recht gut gewußt: wem das Land gehört, dem stehet zu, festzusetzen, in was für einer Religion dasselbige solle leben. Das ist ein harter Spruch, der bringt eitel Krieg, Leid und Schmerzen. Das haben wir hernach erfahren und dulden müssen.

      Zwar für die nächste Zeit haben

Скачать книгу