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er viel vom Hans geredet, wie der ein braver Bub wär und alle Tag zunähm. »Ihr werdet's heut im Hochamt sehen, was der brav ministrieren kann.«

      Ich hab dem Menschen gar wenig geantwortet und viel Pein gelitten.

      Wie's hernach Zeit geworden ist, bin ich in die Kirchen gangen. Auf der Gassen hab ich nit rechts und nit links geschaut und hab mich geschämt. Alle ansehnlichen Burger sind mir ausgewichen, allein schlecht Gesindlich hat mich mit viel Freud gegrüßt und haben sich nahe an mich heran gemacht. Und ich hab zu mir in meinem Herzen gesagt: hilft dir alles nichts, du gehörst jetzt zum argen Haufen, der seine Ehr und seinen Glauben um irdischer Respekt willen verkauft.

      In der Kirchen hab ich mich in meinen Stuhl gesetzt, wo gleich daneben meines Geschlechts Erbgruft ist. Und es hat mir gedünket, als schaute mich der Ahn gar wild an mit seinem Steingesicht. Da hab ich mich trösten wollen in meinem Herzen, daß der auch ein Katholischer gewest war; aber das ist nit gangen und hat mir keinen Trost bracht; denn ich hab mir sagen müssen, daß der um seines papistischen Glaubens willen seine Güter und sein Vaterland mit dem Rücken angeschauet hat, ich aber hab ja meinen Glauben verkauft wie ein alt Wams. Und ich hab in einem fort hinschauen müssen, und seine Augen haben mir ins Herz gefressen. Hernach ist das Hochamt gewest, und mein Bub hat dem Pater ministrieret. Ich aber hab nit weinen und hab nit beten können. Wie das Amt aus gewest ist, haben's einen Prozessionsgang in der Kirchen gemacht, das Rauchfaß geschwenket und der heiligen Jungfrau gedankt, daß wieder einer den Ketzerglauben abgeschworen hat. Und der Mensch war ich. – –

      Jetzt ist ein harter Winter kommen. Ich bin im Herzen lutherisch gewest, und mit dem Maul hab ich papistisch beten müssen. Ich hab es nit verhindern können, daß der Hans alle Tag zum Pater geloffen ist. Da hab ich es zuerst versucht und hab ihm am Abend immer wieder das ausgeredet, was er am Tag gehört gehabt hat. Aber gar bald hab ich gesehen, daß ich's so nit anstellen darf, wenn ich ihn nit verderben will. Da hab ich zuletzt geschwiegen und geseufzet. Ich mußt auch dem Pater von Amtswegen Beistand leisten, wenn sich etwan einiger Widersatz gegen ihn begabe. Und das war mir hart über die Maßen. Ist mein alleiniger Trost gewest, wann ich hab recht viel zu thun gehabt, wie dann das alt Sprüchwort wahr ist, wo's heißt:

      Arbeit und Fleiß das sind die Flügel,

       So tragen über Strom und Hügel.

      Ist wahr und ist doch auch nit wahr, maßen bei mir der Strom gar zu tief und der Hügel ein großer Berg gewest ist, über die ich nit hab hinüber kommen können, weilen sie mein schlecht Gewissen gewest sind.

      Weiß aber nit, was für ein End dieses alles genommen hätt, wenn mir nit unser Herr Gott den rechten Weg gezeigt hätt.

      Ist nach der Weihnachtszeit allenthalben ein groß Geschrei gewest, wie daß der Schulmeister von Wildau ein Gesichte hätte gesehen in der Kirchen daselbsten, und sind geschriebene Blätter durchs ganze Land in die Häuser getragen worden; hat niemand gewußt, von wem, und haben die Frommen frohlockt, die Papisten aber haben Wut geschnaubet. Auch mir haben's einen solchen Zettel gelegt. Da drauf stund geschrieben:

      »Den 28. Dezembris anno 1627 am katholischen dritten Weihnachtfeiertag ist mir Lorenz Bscherer, Schulmeister zu Wildau, in unserer Kirchen daselbst begegnet: Erstlich als ich zu Morgens früh das Gebet geläutet hab und nunmehr nach demselben wieder über die Kirchen herfürgangen und nahe zur Kirchthür kommen bin, ist damals so ein herzets schönes Knäblein bei sechs oder sieben Jahren alt anzusehen gegen mich zur Kirchenthür eingangen, hat ein schneeweiß Hemdlein angehabt und ein offenes Büchlein in seinen Händen, als lese es, und ein kleines Wehrlein an seiner Seiten. Ist für mich ausgangen, hat aber nichts gesagt, ist über die Kirchen hintergehatschet, wie ein anderes Kind in seinen Schühlein dahinhatschet. Was es bedeuten wird, das weiß ich nicht. Gott weiß es, ich hab es aber gänzlich dafür, es sei ein Engel Gottes gewest. Gott wölle allen denjenigen, die bei der reinen Evangelischen Lehr gedenken beständig zu bleiben, gnädig beistehen und sie in wahrer Beständigkeit erhalten.«

      »Item anno 1628 den 16. Januar, wie ich zu Abends abermal habe das Gebet geläutet, hat es anheben zu singen: ›Allein Gott in der Höh sei Ehr‹ so demütig, daß es unmöglich ist, daß ein Mensch eine solche Stimm könnt machen. Habe damals nichts gesehen, bin im Namen Gottes in meinem Beruf fortgangen und geschwind in die Schul geloffen, meinem Weib solches zu weisen. Wie wir wieder vor die Kirchenthür kommen, ist es schon wieder still gewesen, und haben nichts mehr gehört.«

      »Item am 23. Januar, da ich abermals zu Morgens früh das Gebet hab wollen läuten und zur Kirchthür eingehe, da gehet abermals das Knäblein unter der Chorthür herfür, hat in der linken Hand ein Büchlein und in der rechten Hand einen Kelich, der Mond hat so hell geschienen, als wäre es bei dem Tag. Es hat einen weißen Chorrock angehabt wie ein evangelischer Pfarr. Da erschrick ich und will zurückgehen. Darauf hebt's an und sagt: ›Erschrick nicht, gehe nur her.‹ Darauf gehe ich im Namen Gottes hin und warte meines Läutens. Indessen kommt's unter die Glockenthür und hebt abermals an, ich sollt nit erschrecken. »Das Büchlein, das ich hab,« spricht es, »das bedeutet den lutherischen Glauben; denn der ist recht und in Gottes Wort gegründet, und er stimmt mit demselben überein. Aber groß Unrecht thun die, welche um des zeitlichen Guts davon abfallen.«

      »Ja, und das wollen wir auch nit, sondern wollen fest dabei bleiben und uns dies zum Trost nehmen: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn.

      Sei nit betrübt, ich bitte,

       In solcher Glaubensnot,

       Lern dich in Gottes Sitte

       Recht schicken, ihm zu Lob.

      Gut, Ehr und Leib und Leben,

       Vieltausend Christen rein

       Haben gewagt gar eben,

       Die jetzt im Himmel sein.

      Ein Örtlein wird Gott zeigen

       Etwa in Landen weit,

       Der Völker Herzen neigen

       Zu uns in Mildigkeit,

      Daß sie uns nehmen aufe

       In ihre Häuserlein,

       Bis uns Gott nimmt zu Haufe

       Ins Paradies hinein.«

      Ich hab den Schulmeister von Wildau niemalen für einen besondern Helden taxiert. Er ist auch immerdar ein singulärer Mann gewest und ist immer gern seine eigenen Wege gangen, hat mit niemanden Feindschaft gehabt. Mit denen Prophezeiungen aber, daß er das, was er in der Kirchen gesehen und gehört, also unerschrocken kund geben hat, ist er in einen schweren Kampf eingetreten, und das End von dem Handel ist gewest, daß ihm die Jesuiter haben Soldaten ins Haus gelegt, die haben ihn hart bedrängt, damit er widerrufen sollte, haben ihm seine Nahrung weggessen. Aber nichts hat geholfen, standhaft ist er geblieben, und zuletzt, wie es nimmer zum Tragen gewest ist, ist er in die böheimischen Wälder entwichen. Hab nichts mehr von dem Propheten von Wildau gehört, wie sie ihn spöttlich benamset haben.

      Von der Zeit an aber hab ich meinen Jammer nimmer zu tragen vermocht und hab demselbigen ein End gemacht, weil ich mich geschämt hab vor dem Schulmeister seiner Mannhaftigkeit, der keine zeitliche Respekt geachtet, sondern gesagt hat, was er geglaubet und gesehen.

      Und heut schreiben wir den 17. Mai 1628, und wenn ich von Stund an mein Bibelbuch hervorhol, so brauch ich mich nimmer lassen verdammen von dem, was da drinnen steht, weil ich kein Papist mehr bin. Das macht, ich hab heut diesen Brief geschrieben und an den Herrn Herzog geschickt:

      »Wie mich vor nunmehro einem halben Jahr Euer Durchlaucht in audentia in Hochdero Schloß mit dem Umgelderamt begnadiget haben, da haben Sie gesagt, ich solle meine Sach gut machen. Hab auch allen Fleiß auf mein Ambt verwendet, und liegen im Schloßkeller an 4000 Gulden Umgeld vergraben, so ich bei denen währenden Kriegsläuften nit nacher Neuburg schicken kann, bitt E. D., daß Sie nunmehr einen andern Umgelder und einen andern Richter mögen in Gnaden annehmen, weilen ich von wegen habender großer Gewissensnöten fürderhin nit kann papistisch bleiben. Bitt, E. D. mögen mich aus sonderbarlicher landsfürstlicher Mildigkeit meine Straßen ziehen lassen. Besser, das Elend bauen denn Gottes Feind sein. Man muß Gott mehr gehorchen denn den Menschen. Thue mich E. D. zu Gnaden empfehlen.

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