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Händ auf dem Rücken zusammenbunden, haben ihm mit Gewalt die Zähn auseinander gerissen, und der Wildauer hat ihm die Zung durchstochen, das Haar durchgestecket und gesagt: »So, jetzt wirst die Engel im Himmel singen hören, Alter! Paß fein auf, ob's papistisch oder lutherisch singen.« Und mit dem hat er das Roßhaar auf- und abgezogen, daß dem Richter die Kniee gewanket haben. Haben ihn gehalten. Zuletzt hat der Wildauer das Haar aus der Zunge herausgerissen, daß das Blut geloffen ist, und hat geschrieen: »Wo ist das Geld?«

      Der alte Mann hat laut gestöhnet. Gesagt aber hat er kein Wort.

      Hernach aber hat ihm der Wildauer die Daumen lassen schrauben, und der Richter hat sich am Boden gewunden und nichts sich lassen erpressen.

      Zuletzt haben's ihm die Schuh auszogen und haben ihm die nackenden Sohlen mit Salz eingerieben. Und eine Geis haben sie herzugetrieben, die hat das Salz weglecken müssen, und wenn's weg war, haben sie's neu eingerieben, und das Tier hat weiter geleckt, und der alte Mann hat sich gekrümmt auf der Erden und hat wie toll gelacht. Und die Soldaten haben ihren Mutwillen mit ihm trieben.

      Der Wildauer aber hat sich neben ihn gekniet und das Ohr an dem alten Mann seinen Mund gelegt. Und nach einer langen Zeit hat er gesagt: »Weg die Geis! Jetzt weiß ich, wo's ist.« Und hat sich aufrecht über den Richter gestellt und gespottet.

      Indem kommt der kleine Haus (woher der entkommen war, weiß ich nit, denk mir, er möcht sich haben im Keller verborgen, wie die Soldaten haben daselbst alles ausgesuchet). Der schreit in einem fort: »Großvater, Großvater! Wo bist du?« Und lauft gradwegs auf die Linden zu. Dort packen's ihn, auf daß er's besser sehen könnt, hebt ihn einer in die Höh.

      Da sieht der Hans den Wildauer und schreit: »Helft mir, Vetter! Wo ist der Großvater? Jesus, Maria und Joseph! Da liegt er.«

      Der Wildauer dreht sich herum und reißt dem Soldaten den Buben vom Arm, hält ihm den Mund zu mit seiner blutigen Hand, nimmt ihn und schleppt ihn ans Haus und stößt ihn hinein. Drauf schlägt er die Thür zu und sagt zu den Soldaten: »Wer dem Kind was thut, der hat's mit mir zu schaffen.«

      Also ist das Kerderngeschlecht nit gar abgestorben in dieser bösen Zeit, sondern einer ist gerettet worden durch Gottes Willen.

      Was hernach kommen ist, das weiß ich nit mehr. Sind mir wiederum die Sinne geschwunden.

      Bin lang gelegen, und wie ich aufwach, scheint die Sonn in den Hof herein.

      Ich steh auf, so gut's geht, und geh unter die Linden. Da liegt der alt Richter, blutig, mit offenen Augen, und ist tot. Daneben aber liegt der kleine Hans, der hat seinen Arm auf seine Brust gelegt und schlaft. Ich hab mich niedergekniet und hab dem Greisen seine Augen zudruckt. Gott sei ihm und uns allen ein gnädiger Richter. Amen.

      Der ganze Hof war still wie eine Totenkammer. Hinten am Schloß ist die Kellerthür weit aufgestanden, und was nit hat entkommen können, das war tot und war gräßlich zum ansehen. Auch die Lies, dem Richter seine Magd, ist tot dagelegen.

      Jetzt hab ich mich aufgemacht und bin in dem Richter seine Stuben gangen und hab die Bodendielen aufgehoben. Da ist das Bibelbuch gelegen samt etlichen alten Pergamentbriefen und etlichen anderen Büchern, alles unversehrt.

      Ich konnt's nit wohl mit mir nehmen. Derohalben hab ich die Dielen wieder drauf gelegt.

      Hernach hab ich den Hans geweckt. Der hat das Weinen angefangen. Ich aber hab ihn mit guten Worten weggezogen und hab ihm Brot zum essen geben, so ich noch in der Taschen bei mir gehabt.

      Indessen sind versprengte Männer und Weiber herzugekommen, und weil die Sonn gar heiß gebrennt hat, haben wir angefangen, die Toten zu begraben in ein großes Grab. Und weilen alle Häuser im ganzen Ort ausgeplündert waren, so haben wir die Toten nit in Linnen wickeln können. Ist also auch der vornehme Herr Richter ohn ein Leichentuch in die Gruben gelegt worden.

      Jetzt, wie ich das alles schreib, sind vier Jahr vergangen, seitdem sich das zugetragen hat.

      Das ist eine harte Zeit gewest; sie haben dem Hans auch alle seine Äcker und Wiesen und Hölzer konfisziert, von wegen dem Umgeld, so die Soldaten aus der Amtskassen geraubt haben. Ich hab's dem Hans alles zum Gedächtnis aufgezeichnet, und ich weiß jetzt auch, daß der alt Richter im Frieden mit seinem Gott dahingefahren ist.

      Gott sei uns allen gnädig in dieser schweren letzten Zeit. Lob, Ehr und Dank aber seie ihm dafür, daß wir wieder ruhig unserm Glauben leben dürfen, seitdem die Schweden ins Reich kommen sind. Lob und Dank.

      Summa summarum

       Inhaltsverzeichnis

      Als der Spätherbst kam und als die gelben Blätter fielen, da kehrten wir heim, der Vater und ich. Fünf Wochen waren wir gewandert. Was hatten wir gefunden?

      Wir waren ausgezogen, ein altes Pergament zu suchen, und das hatten wir nicht gefunden. Wir waren ausgezogen, den Ursprung unseres Geschlechts klarzulegen – wir hatten die Brücke nicht zu finden vermocht, auf der es in die Fremde herübergekommen war.

      Großes hatten wir erwartet, Kleines hatten wir gefunden.

      Das Moos umkleidet den rauhen Felsen, die grüne Patina legt sich auf das kalte Erz, der finstere Wald grüßt blau und duftig aus der Ferne herüber, Blumen wiegen sich auf den Gräbern – und alle Vergangenheit umgibt sich für unsere Augen mit einem falschen Glanze.

      Als wir auf die Fahrt nach der alten Urkunde gezogen waren, da hatte auch ich an der Vergangenheit meines Geschlechts nur das weiche Moos, nur die grüne Patina, nur den blauglänzenden Duft gesehen, und alles war mir so prächtig, so kraftvoll erschienen – weil es so weit zurücklag. Jetzt kamen wir heim, und ich hatte unter dem Moos das rauhe Gestein, unter der Patina das harte Erz, unter den Blumen die Verwesung geschaut.

      So wäre demnach unsere Fahrt unnütz gewesen?

      Ich glaube nicht.

      Stolz auf mein Geschlecht, auf meine Ahnen, auf meinen Uradel war ich ausgezogen. Großes hatte ich gesucht – da fand ich die Wahrheit:

      Es hat niemals eine gute, alte Zeit gegeben, immer war das Leben des Menschen eine harte, sorgengetränkte Arbeit. Das ist es heute, das wird es bleiben bis zur Schwelle der Ewigkeit. Es ist immerfort Kampf auf Erden, den alle kämpfen müssen, Reich und Arm, Hoch und Niedrig, Jung und Alt, und der Kampf ist ein Stück der weisen Weltordnung selber. Alle Menschen müssen den Kampf kämpfen – es ist nur darin ein Unterschied, ob sie als Herren oder als Knechte, als Edle oder als Unfreie in diesem Kampf stehen; denn zwei Richtungen unterscheiden sich scharf von einander auf Erden: aus der Tiefe in die Höhe, das ist die eine. Und die sie suchen, sind die Edlen. Von Tiefe zu Tiefe, das ist die andere. Und so gehen die Wege der Unedlen, der Unfreien, der Knechte.

      Der arische Uradel geheimnisvollen Ursprungs, jene Herrengeschlechter der alten Zeit, sind längst zerrieben und zerstoßen bis auf wenige Stämme. Aus den Ständen des Mittelalters, den Edelingen, den Bürgern, den Bauern, ist ein großes, freies Volk geworden mit gleichen Rechten und mit gleichen Pflichten, und was von dem Blute jener uradeligen Geschlechter jetzt noch in unserm Adel, in der breiten Masse des Mittelstandes und oft in den ärmlichsten, engsten Verhältnissen lebt, das können wir nur ahnen.

      Aber als die ursprünglichsten Tugenden des echten deutschen Adels werden geschildert:

      Der furchtlose Blick ins Leben, auch wenn am Himmel die schweren Wolken hängen.

      Die innere Gleichgültigkeit gegen die vergänglichen Güter dieser Erde.

      Die Wahrhaftigkeit der Rede. Die Lauterkeit des Herzens.

      Das sind Herrentugenden! Sieh um dich, du findest sie da und dort, bald unter dem feinen Rocke, bald unter dem groben Wams, bald auf einem Thron, bald in einer Hütte. Aber sie sind selten zu finden – denn der Knechtsseelen gibt es tausendmal mehr als der Herrenherzen.

      Ich hatte diese Herrentugenden auch an manchen Gliedern meines Geschlechtes gefunden, – ich hatte aber auch erkannt, aus welcher Wurzel in Wahrheit

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