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im Kreise tanzte, da reckte sich die Sonne, die geschmolzene Kette fiel von ihrem goldenen Leibe, strahlend wie ehedem stieg sie zum Himmel empor und leuchtete über aller Welt. – Das ist das Märlein vom Riesen, der die Sonne geholt hat vom Himmel.«

      »Und der Riese?« fragte Ruth.

      »Der Riese heulte, ballte seine Fäuste zur Sonne, und dann kroch er in seine Höhle.«

      »Wird er nicht doch wieder einmal auf den Berg steigen und die Sonne töten wollen?« fragte Ruth.

      »Er wird's wohl wieder versuchen,« sagte Hansjörg.

      »Und wird's ihm nicht dennoch irgend einmal gelingen?« fragte das Kind.

      »Niemals!« sagte der Zantner mit Nachdruck und schneuzte die Kerze.

      »Das Licht ist tief herabgebrannt,« mahnte die Hausfrau; »soll ich ein neues anstecken?«

      »Wir gehen zur Ruhe,« antwortete Herr Wilhelm von Zant und klappte sein Buch zu.

      Der Thorwart trat in die Stube und stellte sich schweigend an der Thüre auf.

      »Alles in Ordnung?« fragte der Hausherr.

      »Alles, Herr!«

      »Das Thor geschlossen?«

      »Geschlossen.«

      »Das Pförtlein gesperrt?«

      »Gesperrt.«

      »So gieb nur den Schlüsselbund, daß ich ihn verwahre, und laß die Rüden los!«

      »Gute Nacht beisammen, ihr Herrenleut! Gott gesegne euch allen den Schlaf!«

      .,Gute Nacht auch, Thorwartl!«

      Klein-Ruth lag im Bettlein. Sie hatte ihr Gebet gesprochen und sagte Amen. Dann aber fragte sie ihre Mutter:

      »Darf ich denn nicht auch für den Hansjörg beten?«

      »Gewiß, Kind!«

      »Lieber Gott, behüte auch den Hansjörg Portner von Theuern; du kennst ihn ja, der heute bei uns ist und morgen. Befiehl seinem Engel, daß er bei ihm wache. Laß ihn gesund und gehorsam bleiben. Amen!«

      »Aber, Mutterlein, der braucht ja gar nicht gehorsam bleiben, der hat ja keinen Vater und keine Mutter mehr?«

      »Jeder Mensch muß diesem und jenem gehorsam sein und zuerst und zuletzt dem lieben Gott,« sagte die Mutter.

      Ruth nickte ernsthaft. »Also gar keinen Vater und gar keine Mutter hat der arme Hansjörg?«

      Ruth sann.

      »Ja, Mutterlein, wer sorgt denn für den armen Hansjörg?«

      »Andre Leute, mein Kind.«

      »Ach, Mutterlein, ich meine, wer für ihn sorgt wie Vater und Mutter, ganz so?«

      »Kind, dank du Gott, daß du Vater und Mutter hast!«

      »Der arme Mensch!« murmelte das Kind und sann und sann. Auf einmal aber richtete es sich empor und strich die schwarzen Locken aus der Stirne:

      »Mutter, nun weiß ich's!«

      »Was, liebes Kind?«

      »Mutterlein, der Hansjörg muß bald eine Frau kriegen, die muß für ihn sorgen und ihn lieb haben, und dann wird er sein Unglück vergessen.«

      »Schlaf wohl, Kind!« lächelte die Mutter und küßte die feinen Lippen.

      »Gute Nacht, herzliebe Mutter!«

      »Und mache dir keine Sorgen um Hansjörg! Der ist ein Mann.«

      »Ein Mann? Aber der braucht doch auch jemand, der ihn lieb hat?«

      *

      Hansjörg Portner war in seiner Schlafkammer.

      Er trat ans offene Fenster, stemmte die Fäuste auf den Sims und atmete tief auf.

      Lauwarm war die Luft in der klaren Herbstnacht, und übergossen vom Silberlichte des Mondes lag tief unten im Thale das Dörflein mit seinen strohgedeckten Hütten; weit, weit, unsagbar weit hinaus aber schoben sich hintereinander die waldbedeckten Hügel, dehnten sich dazwischen die kahlen Felder, wanden sich die zerfahrenen Wege.

      Hansjörg Portner blinzelte zum Monde hinauf, gähnte und rieb seine Augen: »Wie das heute flimmert und funkelt!«

      Hansjörg Portner lag schlafend, mit gefalteten Händen in seinem Bette.

      Da ward ihm zu Mute, als schwänge sich zum offenen Fenster herein lautlos eine dunkle, kleine Gestalt und hockte nieder auf den Sims.

      »Loiß!!« sagte der Knabe im Traume und wandte sich, daß der volle Mondschein auf seinem Antlitze leuchtete.

      Da stand er neben dem alten Loißl auf der Schloßbrücke zu Amberg im hellen Mondlichte. Totenstill war's in der Gasse, und über der Brücke drüben vor dem Thore saß die Wache und schlief.

      »Daß sie den Kadaver noch immer liegen lassen auf der Brücke da,« sagte Hansjörg und betrachtete mitleidig das tote Roß des Pfalzgrafen.

      Loißl aber lachte in sich hinein: »Ist ja gar kein Kadaver! Thut nur so. Gelt, Bräunel?«

      Schwerfällig hob der Braune den Kopf und sah den Alten an mit großen verdrehten Augen.

      »Auf, Bräunel, auf!« lockte der Hüttenkapfer, und mit einem Sprunge erhob sich das Tier.

      Hansjörg schlug die Hände zusammen vor Staunen, und der tote Gaul stand da im hellen Mondlichte und blies weißen Rauch aus seinen Nüstern.

      Und ehe Hansjörg sich bedachte, saß er auf dem staubbedeckten Rücken und hielt sich an der langen Mähne; hinter ihm aber saß der Knecht und schlang die Arme fest um seinen Leib.

      »Ist ja doch alles nur Spuk, Spuk – da schaut, Junker, da hebt er sich von der Erde, da schaut, unter uns wie klein das Thor – Teufelsroß . . .!«

      In der silbernschimmernden Luft schwamm und ruderte das tote Roß des Pfalzgrafen und trug den Greis und den Jüngling über das nordgauische Land. Tief unten dehnten sich die Wälder und Felder, die Dörfer und Städte, tief unten liefen die weißen Straßen, und wie gläserne Adern blitzten die Bäche und Flüsse.

      Hansjörg fühlte sein Herz klopfen; er spähte in die Tiefe und fürchtete sich. Fester und fester umklammerten ihn die Arme des Greises, und es flüsterte an seinem Ohre: »Da drunten, Junker, schaut nur, wie das golden funkelt im Flusse da drunten und sich dreht und goldene Tropfen um sich streut – und dort und dort und da draußen – – schaut nur, so hab' ich's mein Lebtag, all mein Lebtag noch nicht gesehen! Hundert und hundert und tausend und tausend goldene Räder drehen sich in den Gewässern und laufen hinunter – nein, Junker, nicht nur in den Gewässern, nein, schaut nur, auf allen den Straßen und auf allen den Steigen rollen die feurigen Räder, tausend und tausend, Millionen feurige Räder. – Haltet Euch fest an der Mähne! Hört Ihr denn nichts? Es ist, als praßle Feuer durch Heu und Stroh, und das Klagen, Junker, horcht nur, das Klagen! Und jetzt, Junker, jetzt rollen die feurigen Räder in die Dörfer und Flecken und Städte, und jetzt, jetzt, Junker, schlagen die Flammen aus den Dächern, und das ganze Land, schaut nur, das ganze Land brennt, und die Stoppeln brennen auf den Feldern, und es brennen an den Tannen die Zapfen. Spüret Ihr's nicht, wie sich der Braune hebt, hoch in alle Höhen? – Haltet Euch fest! – – Das ist ja gar nimmer das kleine, nordgauische Land, Junker, nein! Da rinnen starke Ströme, und draußen blinkt das Meer, und überall rollen die brennenden Räder. Junker, mir dünkt, das ganze deutsche Vaterland steht in Flammen und Rauch. Und ich sag's ja, jedesmal und jedesmal, jedesmal und jedesmal, wenn die goldigen Tropfen rinnen von den goldigen Schaufeln hinter dem Hammer zu Theuern, dann kommt's. Junker, schaut nur, schaut nur, das Brennen, das höllische Brennen! – Ist alles teuflischer Spuk, Junker. Horcht, wie sie schreien und heulen und schießen da drunten, und, merket Ihr's nicht, wie der Rauch die Augen beißt? –«

      Eine rote Dunstmasse verhüllte den Mond, und auf der Dorfstraße zu Theuern

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